Lass ab vom Bösen und tue Gutes;
suche Frieden und jage ihm nach! Psalm 34,15
Die zweite Woche der Massenproteste in Deutschland steht bevor. Was sich an Einzelbestimmungen für die Landwirte entzündet hatte, hat sich ausgewachsen zu einer Bewegung über das ganze Land. − Wie geht es weiter?
Die Spanne von gewaltigen Hoffnungen über zaghafte Erwartungen bis hin zu argen Befürchtungen könnte kaum grösser sein. Wer in den vergangenen Tagen aufmerksam mit dran war, dem muss ich diese Bandbreite jetzt nicht weiter beschreiben.
Als gemeinsamen Nenner nehme ich die Forderung wahr, dass die Führungriege des Landes erneuert wird und dass alles friedlich bleibt. Aber weist es auf eine Erneuerung hin, wenn sich nun Leute der beiden C-Parteien als Retter in den Not empfehlen und «volle Solidarität mit den Bauern» zeigen? Werden zum anderen Mistladungen vor Rathäusern und anderen Gebäuden als friedlicher Protest wahrgenommen?
Erste Befürchtungen gehen um, dass die Bevölkerung bald einmal nicht mehr hinreichend mit Lebensmitteln würde versorgt werden könnte. Aber eine Regierung lässt sich dadurch kaum zu Eingeständnissen oder gar einem Rücktritt bewegen, dass das Land lahmgelegt wird. Dafür ist der Klebstoff an den Sesseln schon viel zu lange ausgehärtet.
Andererseits ist die Geduld vieler Bauern sehr strapaziert. Verleumdungen in den Medien gehen Hand in Hand mit beschwichtigenden Politikern und schikanierenden Ordnungsämtern. Zudem warten die Höfe, und von Freiwilligen, die dort einspringen würden, habe ich leider noch nichts gehört. Wie viele Bauern und Menschen aus anderen Berufsgruppen werden wie lange mit welchen Protestformen durchhalten?
Lass ab vom Bösen und tue Gutes;
suche Frieden und jage ihm nach!
Frieden halten und ihm sogar «nachjagen»; sich nicht zu Ungutem hinreissen lassen, sondern zu Gutem. Nicht einfach. Weisheit, Einfallsreichtum sind gefragt, damit auch «die andere Seite» nicht über die Stränge schlägt.
Denn es bestehen sehr konkrete Überlegungen «zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (…) in Fällen von besonderer Bedeutung», wie es in Artikel 35, Absatz 2, des Grundgesetzes heisst. Dafür wurde im Herbst 2016 ein amtlicher Notfallplan inkraft gesetzt, der auch «staatliche Eingriffe in die Lebensmittelversorgung» rechtfertigen soll.
Diese Pläne «sollen greifen, wenn ein Grossteil der Deutschen sich nicht mehr über den freien Markt mit Lebensmitteln eindecken können. Demnach können Bauernhöfe oder andere Lebensmittelbetriebe beschlagnahmt werden, um die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen.»
Laut dem Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages können bereits «Großdemonstrationen» als jene besondere Gefahr interpretiert werden. − Wie kaum eine andere Tugend ist also derzeit Weisheit gefragt, von allen Akteuren: das freie Wort und die freimütige Handlung nicht in Zaghaftigkeiten ersticken und den berechtigten Zorn nicht in blinden Eifer übergehen lassen.
Lass ab vom Bösen und tue Gutes;
suche Frieden und jage ihm nach!
Dafür ein praktisches Beispiel, auf das mich in den letzten Tagen ein Freund hingewiesen hat. Seine in Bolivien lebende Mutter hatte es ihm aus erster Hand berichtet. Bei Protesten gegen eine Volkszählung und wegen einem abgesetzten Bürgermeister legten vor zwei Jahren heimische Indios das öffentliche Leben in Santa Cruz della Sierra lahm, geschlagene 36 Wochen lang. Strassen wurden abgeriegelt, die eigenen Geschäfte geschlossen.
Im Intereresse der Bevölkerung und um die Machthaber nicht unnötig zu provozieren, hob man diese Sperren alle drei bis vier Tage auf. Lieferanten konnten heranfahren, die Menschen sich mit Lebensmitteln versorgen. Dann war wieder Schluss, und die Blockaden gingen weiter. Ihre Ziele hatten die Demostranten am Ende zwar nicht erreicht, aber die Lage war friedlich geblieben und nicht eskaliert.
Im gleichen Zusammenhang zugetragen wurde mir ein Experiment mit ChatGPT, der «Künstlichen Intelligenz». Der Freund wollte von dem Programm wissen, welche Massenproteste in der Vergangenheit erfolgreich waren und warum. Über einen entsprechenden Server gab er nacheinander die zwei Aufträge ein:
«Nenne einen Bürgerprotest, der etwas gebracht hat» und «Welche Massnahmen haben das vermutlich bewirkt?»
Die erste Antwort lautete, zusammengefasst:
«Ein bemerkenswertes Beispiel für einen Bürgerprotest, der eine bedeutende Veränderung herbeigeführt hat, ist die Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten.» Sie hatte Erfolg «durch den friedlichen Widerstand und die Beharrlichkeit vieler Bürger».
Maßnahmen aus den folgenden Bereichen hätten dazu geführt:
- 1. Gewaltloser Widerstand
- 2. Rechtliche Schritte
- 3. Mobilisierung der Öffentlichkeit
- 4. Einsatz der Medien
- 5. Politischer Druck
«Diese Maßnahmen trugen kollektiv dazu bei, dass die Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten bedeutende Veränderungen herbeiführte und die Rassentrennung abschaffte.» − Das vollständige «Antwortschreiben aus dem Äther» finden Sie hier.
«Lass ab vom Bösen und tue Gutes; suche Frieden und jage ihm nach!» Und bediene dich dafür aller Hilfen, die du haben kannst: Erfahrungen anderer, politisches Kalkül, gesunder Menschenverstand, vielleicht auch «künstliche» Intelligenz, Bauernschläue − und den Glauben, der eben hierzu freimacht.
Wenn nicht jetzt − wann dann?
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Wort zum Sonntag vom 7. Januar 2024: Strasse und Kämmerlein und zurück
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.
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