Der Historiker Laurent Guyénot argumentiert in einem Beitrag in der Unz Review: Es sei falsch, die israelische Führung, insbesondere Benjamin Netanjahu, als Psychopathen im psychiatrischen Sinne zu bezeichnen. Stattdessen meint der Buchautor, dass Israel als Nation eine kollektive Psychopathie aufweist, die sich von der individuellen Psychopathie unterscheidet.
Der Unterschied sei derselbe wie zwischen einer persönlichen und einer kollektiven Neurose. Menschen, die unter einer kollektiven Neurose stehen würden, wären nicht zwangsläufig selbst neurotisch. So habe Sigmund Freud, der das Christentum als kollektive Neurose betrachtete, sogar beobachtet, dass diese Neurose dazu neigt, religiöse Menschen vor persönlicher Neurose zu immunisieren.
Guyénot zieht Parallelen zwischen der Psychopathie und dem Verhalten Israels auf der internationalen Bühne. Er erachtet es als wichtig, diese kollektive Psychopathie zu verstehen, um die Handlungen des Landes zu begreifen.
Unter den Merkmalen der Psychopathie hebt der Autor mangelnde Empathie, fehlende moralische Hemmungen, Unfähigkeit zur Selbstkritik, Machthunger, Manipulation und Täuschung hervor. Er weist darauf hin, dass Psychopathen zwar charmant sein können, aber nicht in der Lage sind, sich in andere einzufühlen oder echte Gefühle für andere zu haben.
Bezogen auf diese Merkmale stellt Guyénot fest, dass Israel als Nation anderen Nationen gegenüber psychopathisch handelt. Das Verhalten des Landes sei gekennzeichnet durch absolute Selbstgerechtigkeit, Entmenschlichung der Palästinenser und eine «ausserordentliche Fähigkeit zu lügen und zu manipulieren».
Er behauptet, dass diese kollektive Psychopathie tief in Israels Geschichte und Kultur verwurzelt ist, insbesondere in der hebräischen Bibel. Die biblische Erzählung mit ihrer Betonung des Bundes mit Gott, der Vorherrschaft über andere Nationen und des Konzepts des auserwählten Volkes erachtet Guyénot als ein wichtiger Einfluss auf die israelische Ideologie.
Der Autor ist ausserdem der Ansicht, dass der Zionismus, obwohl er oft als säkulare Ideologie betrachtet wird, eng mit der hebräischen Bibel verwoben ist. Israelische Führer, darunter David Ben-Gurion und Benjamin Netanjahu, werden als biblisch denkend dargestellt. Sie würden ihr Handeln mit biblischen Bezügen rechtfertigen. Gemäss dem Autor bildet die Bibel die Grundlage für Israels Ansprüche und Handlungen.
Guyénot zitiert Avigail Abarbanel, der im Beitrag «Why I left the Cult» schrieb, die zionistischen Eroberer Palästinas hätten sich:
«… ziemlich genau an das biblische Diktat an Josua gehalten, einfach hineinzugehen und alles zu nehmen. (...) Für eine angeblich nicht-religiöse Bewegung ist es aussergewöhnlich, wie genau der Zionismus (...) der Bibel gefolgt ist.»
Kim Chernin, ein weiterer israelischer Dissident, schrieb im Buch «The Seven Pillars of Jewish Denial»:
«Ich kann nicht zählen, wie oft ich die Geschichte von Josua als eine Erzählung gelesen habe, in der unser Volk in den rechtmässigen Besitz des verheissenen Landes kommt, ohne mir zu sagen: ‹Aber das ist eine Geschichte von Vergewaltigung, Plünderung, Abschlachten, Invasion und Zerstörung anderer Völker.›»
Guyénot erläuterte:
«Es stimmt, dass Theodor Herzl, der Prophet des politischen Zionismus, sich nicht von der Bibel inspirieren liess. Dennoch bezeichnete er seine Ideologie als Zionismus und verwendete somit den biblischen Namen Jerusalem. Die Zionisten nach Herzl und die eigentlichen Gründer des modernen Staates Israel waren von der Bibel durchdrungen. ‹Die Bibel ist unser Mandat›, erklärte Chaim Weizmann 1919, und 1948 bot er Truman eine Thorarolle für dessen Anerkennung Israels an.»
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Laurent Guyénot hat nach dem Besuch einer Ingenieurschule in New York einen Master in Biblischen Studien erworben und anschliessend in Paris Religionsgeschichte studiert. Dort, an der Universität Paris IV-Sorbonne, promovierte er in Mittelalterlichen Studien.
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