Sehr geehrte Redaktion der SZ, sehr geehrte Frau Boscherts (Interviewerin), sehr geehrte Frau Dr. Biskup-Meyer, sehr geehrte Leserbriefredaktion,
ich leite einen Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie an der Universität Regensburg und habe mich in den letzten Monaten intensiv mit den Nebenwirkungen und der Verhältnismässigkeit der Corona-Massnahmen auf der Ebene der Schulen beschäftigt.
Ich habe das Interview in der Süddeutschen Zeitung mit der Jugendpsychiaterin Dr. Karin Biskup-Meyer zum Tragen von Masken von Kindern gelesen, welches im Untertitel folgendermassen beschrieben wird:
«Jugendpsychiaterin Karin Biskup-Meyer erklärt, warum das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für Grundschüler in der Pandemie kein Problem ist.»
Ich schreibe Ihnen hiermit, weil ich als psychologisch-pädagogischer Fachexperte höchst irritiert darüber war, was im Namen einer angeblichen «Expertise» hier von der SZ in der Öffentlichkeit verbreitet wird. In meinen Augen ist das, was in dem Interview ausgesagt wird, äusserst problematisch und fahrlässig. Durch dieses Interview werden Eltern und Lehrkräfte in einer «Sicherheit» gewogen, welche durch keinerlei empirische Studien belegt ist. Weiterhin werden unhinterfragt ethisch sehr fragwürdige Umgangsweisen mit Kindern gerechtfertigt.
Ich möchte im Folgenden auf verschiedene fragwürdige Aussagen des Interviews eingehen. Vorneweg möchte ich sagen, dass ich mir erwarte, dass von der Süddeutschen Zeitung solche problematischen Aussagen in einem Nachfolgeartikel öffentlich richtiggestellt werden. Ich stehe hierfür als Fachexperte - beispielsweise für ein Interview - jederzeit zur Verfügung. Ich möchte auch darauf verweisen, dass ich gegebenenfalls diese Email als öffentlichen Brief veröffentlichen werde, da das Thema von sehr hohem öffentlichen Interesse ist.
Problematisch sind zunächst Sätze wie: «Das Maskentragen ist eine der vielen Massnahmen, an die sich Kinder während ihrer Schulzeit gewöhnen müssen.» Solche Sätze gaukeln vor, dass es eine Notwendigkeit wäre, dass Kinder im Unterricht Masken tragen müssen.
Aus einer wissenschaftlichen Perspektive ist es aber so, dass es praktisch keinerlei empirische Evidenz dafür gibt, dass durch das Maskentragen von Grundschülern die Virusausbreitung in relevanter Weise eingedämmt werden könnte. Als aktuelles Beispiel kann man die Stadt München nehmen, wo Oberbürgermeister Dieter Reiter die Maskenpflicht an Grundschulen ablehnt. Er begründet das folgendermassen:
«Das Münchner Gesundheitsamt hat sofort nach Bekanntwerden dieser Ankündigung von Schulminister Piazolo eine Verlängerung unserer Ausnahmegenehmigung für Grundschüler beantragt. Denn die infektiologische Lage an den Münchner Grundschulen ist unverändert so, dass dort eine Maskenpflicht am Platz nicht notwendig ist. Von mehr als 47’000 Münchner Grundschülern sind ganze neun Corona-positiv — und davon hat sich keiner in der Schule angesteckt. Bei den Grundschullehrkräften und dem Schulpersonal gibt es keinen einzigen
Infizierten.»
Diese Beobachtung aus München gilt praktisch für alle Grundschulen deutschlandweit, es gibt extrem wenige Corona-positive Kinder; die betroffenen Kinder haben sich fast nie an den Schulen angesteckt und geben das Virus extrem selten weiter. Das belegen beispielsweise die wöchentlich am Dienstag
veröffentlichten Analysen zu Ansteckungsherden des RKI, dort spielen Schulen eine kaum wahrnehmbare Rolle. Umfassende internationale Meta-Analysen bestätigen, dass Kinder sich sowohl seltener anstecken als auch das Virus seltener weitergeben, besonders gering ist das Ansteckungsrisiko an Schulen.
Dass Schulen praktisch keine Rolle in Bezug auf das Infektionsgeschehen spielen, bestätigen auch die Erfahrungen in den nordeuropäischen Ländern. So zeigt beispielsweise eine Studie, dass in Schweden und Finnland vergleichbare Fallzahlen unter Schulkindern zu beobachten waren, obwohl in Schweden die Schulen für Kinder bis 15 Jahren ohne grössere Massnahmen durchgängig geöffnet waren, während in Finnland die Schulen für die meisten Kinder geschlossen waren. Das Vorgehen von Dieter Reiter ist hier aus der Perspektive der Wissenschaft wirklich vorbildlich, politische Entscheidungen sollten auf der Basis der empirischen Evidenz gefällt werden.
Eine weitere problematische Aussage in dem Interview ist die folgende:
«Wenn [Kinder] die Maske gewohnt sind, sind sie in meiner Praxis bei der Interaktion mit aktuell maximal zwei anderen Kindern, die ja auch eine Maske tragen, unbeeindruckt von dieser. Da ich ebenfalls eine Maske trage und mit ihnen gesprochen habe, dass das jetzt eine Notwendigkeit ist, ist das für alle völlig normal. Kinder haben ja viel feinere Antennen, mit denen sie wahrnehmen, in welcher Stimmung die Menschen, die ihnen gegenüberstehen, sind. Sie machen aus dem Maskentragen keine Katastrophe.»
Eine solche Aussage ist aufgrund dreier Punkte problematisch:
Erstens wird hier postuliert, Kinder hätten feinere Antennen, mit denen Sie die Stimmung anderer wahrnehmen. Das ist entwicklungspsychologisch und emotionspsychologisch einfach falsch. Das zentrale Signal, über welches wir unsere Emotionen und Stimmungen mitteilen, ist das Gesicht. Und gerade Kinder müssen es erst noch lernen, diese Signale in den Gesichtern anderer zuverlässig zu deuten.
Hinzu kommt ein weiterer Effekt: Laut Studien wird Angst und Trauer eher aus den Augen abgelesen und Freude eher aus der Mundregion. Weiterhin werden ohne das Signal von der Mundregion emotionale Gesichtsausdrücke fehlgedeutet. Ein eigentlich fröhlicher Gesichtsausdruck wird häufig als ein skeptischer Gesichtsausdruck fehlgedeutet, ein überraschter Gesichtsausdruck wird oft als Ärger oder Trauer fehlgedeutet. Das Tragen von Masken könnte also dazu führen, dass man in den Gesichtern anderer seltener positive und verstärkt negative Emotionen wahrnimmt (für einen Überblick siehe z.B. Den aktuellen Artikel dazu des bekannten Neurowissenschaftlers Manfred Spitzer).
Hinzu kommt ausserdem, dass die Empathie — das Mitfühlen des emotionalen Zustands des anderen — durch das Tragen von Masken beeinträchtigt wird. Wie Studien zeigen, nimmt man beim Miteinander-Kommunizieren unbewusst den Gesichtsausdruck des Gegenübers wahr und fühlt darüber den inneren Zustand des anderen mit, was durch das Tragen einer Maske verhindert wird. Dass eine Jugendpsychiaterin um die wichtige Rolle der zuverlässigen Einschätzung des Gegenübers und um die wichtige Rolle des Gesichtsausdrucks beim Aufbau einer tragfähigen Therapeut-Patient-Beziehung nicht weiss, ist wirklich sehr überraschend.
Zweitens ist es hochgradig fahrlässig, aus der Beobachtung, Kinder würden aus dem Maskentragen keine Katastrophe machen, zu schliessen, das würde Kindern nichts ausmachen. Selbst wenn ein Kind missbraucht wird, macht es nicht notwendigerweise eine Katastrophe daraus, weil einem Kind noch die rationalen Bewertungsmassstäbe fehlen. Daraus zu schliessen, dass das dann ja okay wäre, ist wirklich sehr problematisch. Genau deswegen sind unsere Kinder noch nicht mündig, und es braucht Erwachsene, welche Sachlagen für Kinder bewerten.
Hinzu kommt weiter, dass die Nebenwirkungen der Maske lange Zeit nicht ins Auge stechen, weil Kinder einfach nur stiller und dadurch weniger auffällig sind. Hier braucht es vielmehr ein sehr gutes Auge auf Seiten der Erzieher, Lehrkräfte und Eltern. Und das bringt mich zum dritten problematischen Punkt: Die Aussage von Frau Biskup-Meyer klingt so, als würde es keine Nebenwirkungen geben. Das wird von der SZ auch gleich prominent im Untertitel des Interviews gebracht, wenn es heisst:
«Jugendpsychiaterin Karin Biskup-Meyer erklärt,
warum das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für Grundschüler in der Pandemie kein Problem ist».
Das ist wirklich hochgradig fahrlässig, denn es gibt zahlreiche mögliche Nebenwirkungen. Hier Eltern und Lehrkräfte in einer angeblichen Sicherheit zu wiegen, ist absolut unverantwortlich.
Psychische Nebenwirkungen hatte ich ja schon erwähnt, es gibt noch eine Reihe von körperlichen Nebenwirkungen:
(1) Studien an Erwachsenen zeigen, dass sich physiologische Effekte bereits nach wenigen Minuten des Maskentragens einstellen, insbesondere unter körperlicher Anstrengung: Eine etwas höhere CO2- Konzentration im Blut, schnellerer Herzschlag, schnellere Atmung. Beim stundenlangen Tragen von OP-Masken zeigt sich auch ein Abfall der Sauerstoffsättigung im Blut.
Studien, was es für Kinder bedeutet, wenn sie stundenlang nicht medizinisch geprüfte Stoffmasken tragen, gibt es nach wie vor nicht. Aufgrund der Tatsache, dass der Sauerstoffverbrauch bei Kindern höher und die Atemreserve geringer ist, bei Kindern der prozentuale Anteil des Totraumvolumens der Maske am Gesamtatemvolumen grösser ist und sich der Durchströmungswiderstand der Maske aufgrund der schwächer ausgeprägten Atemmuskulatur stärker auswirken kann, könnten solche Effekte bei Kindern stärker ausfallen. In der Tat berichten Schüler zunehmend von Kopfschmerzen und Übelkeit – was alles Effekte solcher physiologischen Wirkungen sein können. Bei unerkannten Vorerkrankungen kann es sogar zu noch schlimmeren Nebenwirkungen kommen.. Es ist wichtig zu betonen, dass hier wirklich kein Teufel an die Wand gemalt werden soll, denn schlimmere Fälle werden sehr selten berichtet. Aber man sollte trotzdem um diese Risiken wissen, um gegebenenfalls adäquat reagieren zu können.
(2) Das Tragen von Masken geht mit einer Reihe von Munderkrankungen einher wie z.B. Karies, Mundgeruch oder Zahnfleischentzündungen – hier wurde sogar der Fachausdruck «Maskenmund» geprägt. Auch hier kann man etwas dagegen tun (siehe der verlinkte Artikel), aber man sollte davon wissen.
(3) Auf den Masken können sich Viren und Bakterien ansammeln, welche immer wieder eingeatmet werden und Krankheiten verursachen können. Auch hier kann man etwas dagegen tun, deswegen sollte man auch davon wissen.
(4) Beim Tragen von Masken werden Mikropartikel eingeatmet, deren Konsequenzen noch unklar sind. Angesichts der möglichen physischen und psychischen Nebenwirkungen ist es hoch problematisch, dass eine Staatsregierung das langanhaltende Tragen von Masken bei Kindern verordnet, ohne mögliche Nebenwirkungen überhaupt zu erwähnen, ohne vor einer solchen Verordnung empirisch zu prüfen, welches Ausmass diese Nebenwirkungen haben können, und ohne – wie es z.B. im Bereich des Arbeitsschutzes verpflichtend ist – jeden Schüler auf mögliche Vorerkrankungen zu untersuchen, welche das Tragen von Masken zu einem Risiko machen. Stattdessen Atteste einzufordern, auf welchen die Diagnose stehen muss, was einen Bruch der ärztlichen Schweigepflicht und der
Persönlichkeitsrechte der Kinder darstellt, ist in meinen Augen skandalös.
Ich denke, es ist sehr wichtig, dass Eltern und Lehrkräfte von diesen möglichen Nebenwirkungen wissen, um selbst entscheiden zu können, was Kindern alles zugemutet werden kann oder darf. Diesbezüglich ist es auch wichtig, wirklich fundiert über den möglichen Nutzen der Maske auf die Virusausbreitung informiert zu werden. Vielleicht auch hierzu ein paar Wort als Experte zur Durchführung und Bewertung wissenschaftlicher Studien, der sich viel mit den wissenschaftlichen
Studien zur Wirksamkeit der Corona-Maßnahmen beschäftigt hat: Auf den geringen Nutzen aufgrund der Tatsache, dass es an Schulen - insbesondere auch im Vergleich zu anderen Gesellschaftsbereichen - praktisch kaum ein relevantes Infektionsgeschehen gibt, hatte ich schon hingewiesen.
Aber kann mit Masken eigentlich überhaupt die Virusausbreitung eingedämmt werden? Man hört immer wieder von Studien, welche zeigen würden, dass Masken die Ausbreitung von SARS-CoV-2 eindämmen würden. Bei all diesen Studien handelt es sich aber um sogenannte Beobachtungsstudien, bei denen man z.B. Personen gefragt hat, ob sie Masken im Alltag tragen oder nicht. Findet sich hier ein Effekt der Maske, kann man nicht auf einen kausalen Effekt der Maske schliessen, weil sich maskentragende Personen auch ansonsten hygienetechnisch anders verhalten, so
dass ein beobachteter Effekt auch z.B. auf ein häufigeres Händewaschen zurückgehen kann.
Um hier wirklich wissenschaftlich fundiert einen Effekt der Maske nachzuweisen, braucht es Studien, in denen Personen zufällig einer Gruppe mit oder ohne Maske zugeordnet werden (sog. randomisierte kontrollierte Studien). Solche Studien gibt es nach wie vor nicht zum Virus SARS-CoV-2, aber zu anderen Viren. Dort ist die Sachlage sehr eindeutig: In zwei kürzlich erschienenen Meta-Analysen – also Analysen, welche die Ergebnisse mehrerer Einzelstudien zusammenfassen – heisst es hierzu (Übersetzung jeweils von mir):
«Im Vergleich zu keinen Masken gab es keine Verringerung der Fälle von influenza-ähnlichen Erkrankungen (Risk Ratio 0.93, 95% CI 0.83 bis 1.05) oder Influenza (Risk Ratio 0.84, 95% CI 0.61-1.17) für Masken in der Allgemeinbevölkerung oder bei Beschäftigten im Gesundheitswesen (Risk Ratio 0.37, 95% CI 0.05 bis 2.50)».
«Wir fanden keine empirische Evidenz dafür, dass chirurgische Gesichtsmasken zum Verringern der Übertragung einer laborbestätigten Influenza etwas beitragen, weder wenn sie von Infizierten selbst getragen werden, noch wenn sie von der allgemeinen Bevölkerung getragen werden, um die eigene Anfälligkeit zu vermindern.»
Dementsprechend ist es nicht überraschend, dass der RKI-Vizepräsident Lars Schaade auf einer Pressekonferenz am 28. Februar erklärte, dass das RKI das Tragen von Masken im Alltagsleben ausdrücklich nicht empfehle. Wortwörtlich stellte er auf Nachfrage klar:
«Das ist mehrfach untersucht worden: Es gibt einfach keine wissenschaftliche Evidenz, dass das [Tragen von Masken] irgendeinen Sinn hätte.»
Weiterhin zeigt die bisher einzige randomisierte kontrollierte Studie zur Wirkung des Tragens von Baumwollmasken – in allen anderen existierenden randomisierten kontrollierten Studien wurden medizinische Masken eingesetzt – aus dem Jahr 2015 (Stichprobengröße: 1.607 Krankenhausmitarbeiter, randomisiert wurde auf Stationenebene – d.h.: man hat beide «Schutzfunktionen» mit drinnen: Den Selbst- und den Fremdschutz), dass Baumwollmasken das Infektionsrisiko nicht nur nicht senken, sondern sogar substantiell erhöhen. Die Schlussfolgerung der Studie lautet (Übersetzung von mir):
«In Anbetracht unserer Studie und der Verpflichtung, die Gesundheit und Sicherheit von Mitarbeitern im Gesundheitswesen am Arbeitsplatz zu gewährleisten, sollten Stoffmasken für Mitarbeiter im Gesundheitswesen nicht empfohlen werden.»
Die Autoren erklären die Erhöhung des Infektionsrisikos durch Baumwollmasken so:
«Die physikalischen Eigenschaften einer Stoffmaske, die Wiederverwendung, die Häufigkeit und Wirksamkeit der Reinigung sowie die erhöhte Feuchtigkeitsspeicherung können möglicherweise das Infektionsrisiko erhöhen. Das Virus kann auf der Oberfläche der Gesichtsmasken überleben, und Modellierungsstudien haben die Kontaminationsniveaus von Masken quantifiziert. Selbstkontamination durch wiederholten Gebrauch und unsachgemäßes Abziehen ist möglich. Beispielsweise kann eine kontaminierte Stoffmaske Krankheitserreger
von der Maske auf die Hände des Trägers übertragen. Wir haben auch gezeigt, dass die Filtration für die Stoffmasken extrem gering war. Beobachtungen während der SARS-Epidemie deuteten darauf hin, dass Doppelmaskierung und andere Praktiken das Infektionsrisiko aufgrund von Feuchtigkeit, Flüssigkeitsdiffusion und Verbleiben von Pathogenen in der Maske erhöhten.»
Die Handhabung von Masken, wie sie hier beschrieben wird, ist an Grundschulen sehr typisch und lässt sich auch nicht wirklich verbessern. Es ist wirklich rätselhaft, dass angesichts dieser Befundlage plötzlich sowohl vom RKI als auch von der
WHO auf eine Empfehlung zum Tragen von Masken umgestellt wurde. Interessanterweise schreibt die WHO in ihrer plötzlichen Empfehlung zum Tragen von Masken in der Öffentlichkeit, welche nach wie vor gültig ist:
«Derzeit gibt es keine direkten empirischen Belege (aus Studien zu COVID-19 und bei gesunden Menschen in der Öffentlichkeit) für die Wirksamkeit des universellen Tragens von Masken gesunder Menschen in der Öffentlichkeit zur Verhinderung einer Infektion mit Atemwegsviren, einschließlich COVID-19. (…) Viele Länder haben die Verwendung von Stoffmasken/Gesichtsbedeckungen für die breite Öffentlichkeit empfohlen. Gegenwärtig wird die weit verbreitete Verwendung von Masken durch gesunde Menschen in der Gemeinde noch nicht durch qualitativ hochwertige oder direkte wissenschaftliche Befunde gestützt und es sind
potenzielle Vorteile und Nachteile zu berücksichtigen.»
Bestätigt wird das beispielsweise auch durch das schwedische Amt für Volksgesundheit. Dort heisst es auf der offiziellen Seite bei den FAQs:
«Was ist der Ratschlag in Bezug auf Masken? Wir empfehlen derzeit keine Gesichtsmasken in öffentlichen Einrichtungen, da die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Gesichtsmasken bei der Bekämpfung der Ausbreitung von Infektionen unklar sind.»
Inzwischen wurde auch eine erste randomisierte kontrollierte Studie an 6’000 Probanden zur Wirkung von Masken auf die Ausbreitung von SARS-CoV-2 abgeschlossen. Leider ist diese Studie nach wie vor noch nicht öffentlich zugänglich. Zumindest das, was man im Vorfeld so hört, könnte aber tatsächlich darauf hinweisen, dass diese Studie zeigt, dass Masken wirkungslos oder sogar förderlich für die Virusausbreitung sind — aber das ist natürlich nur Spekulation, man muss hier also noch abwarten.
Zusammenfassend ist es also aus empirischer Sicht nach wie vor sehr fraglich, ob das Tragen von Masken die Virusausbreitung überhaupt wirklich in relevanter Weise eindämmt oder nicht vielmehr - bei fragwürdiger Handhabung - sogar verstärkt.
Zurück zum Interview. Eine weitere problematische Aussage ist die folgende:
«Für Kinder wird es schwierig, und sie werden unsicher, wenn sie zuhause das Gegenteil von dem hören beziehungsweise erleben, was ihnen die Lehrer sagen und vormachen. Das Vorbild der Eltern ist wichtig und dass eine zuversichtliche Grundstimmung herrscht.»
Zum einen ist es so, dass ein Zusammenleben von Menschen in einer Demokratie notwendigerweise damit verbunden ist, dass es unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen gibt. Aus dieser Perspektive heraus ist diese Aussage fundamental problematisch. Hier zu sagen, es gibt nur eine gültige Sichtweise, und das ist die der Lehrkräfte (bzw. die den Lehrkräften durch die Regierung auferlegte), ist höchst fragwürdig. Ganz im Gegenteil hat jede Schule im Zuge der Demokratie-Erziehung die fundamentale Aufgabe, Kindern die Kompetenz zu vermitteln, unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen anzuhören, gemeinsam darüber zu diskutieren und in einem gemeinsamen Verständigungsprozess zu einer Entscheidung zu kommen. Diese Entscheidung sollte zum einen die
Mehrheitsmeinung spiegeln und zum anderen dem Individuum genug Raum für seine Individualität lassen.
Zum anderen ist es angesichts der oben geschilderten möglichen Nebenwirkungen und des geringen Nutzens höchst fragwürdig, hier von Eltern eine „zuversichtliche Grundstimmung“ in Bezug auf das Maskentragen von ihren Kindern einzufordern.
Problematisch ist schliesslich auch folgende Aussage:
«Wenn die Lehrer eine Maske tragen und den Schülern glaubhaft vorgemacht wird, dass dies gerade notwendig ist, dann sind Grundschulkinder sicher diejenigen, die sich am bereitwilligsten daran halten. Dazu gehört auch, dass eine Einheit in der Klasse besteht, weil alle eine Maske tragen.»
Das ist deswegen problematisch, weil es Kinder gibt, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen dürfen. Wird nun Kindern durch die Lehrkräfte eine Notwendigkeit des Maskentragens stark vermittelt und entsteht aufgrund sozialer Dynamiken ein entsprechender Gruppendruck, besteht die grosse Gefahr, dass manche Kinder diskriminiert werden. An anderen Schulen gibt es hier höchst
fragwürdige Auswüchse. So kenne ich einen Fall, wo Kinder, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können, den ganzen Schultag über gelbe Armbinden tragen müssen. In einem anderen Fall ist im Klassenzimmer und im Pausenhof eine Ecke abgeklebt, in der sich Kinder, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können, aufhalten müssen.
So etwas ist ethisch höchst fragwürdig und sogar rechtlich unzulässig: Es ist verfassungsgerichtlich abgesichert, dass eine Person, welche aus medizinischen Gründen keine Maske tragen kann, in gleicher Weise am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann, wie alle anderen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz). Dementsprechend ist es auch an Schulen sicherzustellen, dass Kinder, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können, normal am Unterricht teilnehmen können.
Ich möchte hiermit zum Abschluss nochmals wiederholen, dass ich mir erwarte, dass von der Süddeutschen Zeitung solche problematischen Aussagen wie im Interview mit Frau Dr. Biskup-Meyer in einem Nachfolgeartikel öffentlich richtiggestellt werden. Ich stehe hierfür als Fachexperte - beispielsweise für ein Interview - jederzeit zur Verfügung.
Herzliche Grüße,
Christof Kuhbandner