Vor allem die thessalische Ebene ist betroffen. Aber auch die Stadt Volos und das angrenzende Pilion-Gebirge. Dort wird ein Paar aus Österreich vermisst. Es soll sich dabei um Philip und Michaela aus Graz handeln, die dort heiraten wollten. Das Haus, in dem sie untergebracht waren, wurde von den Fluten mitgerissen. Gerettet wurde ein weiteres Paar aus Österreich, das in der gleichen Anlage gewohnt hatte.
Die Städte konnten gerettet werden, die Dörfer jedoch nicht. So oder ähnlich kommentierten lokale Medien die Überschwemmung der thessalischen Ebene. Mitte der Vorwoche waren dort und in den angrenzenden Gebirgsregionen sintflutartige Regenfälle niedergegangen.
Ausserhalb des Städtchens Karditsa brachen zwei Dämme; kurze Zeit später standen ganze Dörfer unter Wasser. Bilder zeigen vielerorts nur noch die Dächer von Häusern, von anderen ist gar nichts mehr zu sehen. Teilweise wurden Häuser komplett mitgerissen. Die Sachschäden sind kaum zu überblicken. Vielerorts wurde die Infrastruktur komplett zerstört: Betroffen sind Brücken, Strassen, aber auch Ställe und landwirtschaftliche Nutzfläche. Die Zahl der Nutztiere, die in den Fluten den Tod fanden, wird auf Zigtausende geschätzt. Viele Menschen in der Region – vor allem auch viele Bauern – stehen buchstäblich vor dem Nichts. Es wird geschätzt, dass insgesamt etwa 720’000 Hektar Land überflutet wurden und das in einer Region, die bei vielen landwirtschaftlichen Erzeugnissen den ersten Platz unter den Regionen Griechenlands einnimmt.
8 Milliarden Euro sind es nach ersten Schätzungen, 5% des griechischen Bruttoinlandproduktes (BIP), also der Wirtschaftsleistung, sind buchstäblich in den Fluten versunken. Die Baumwoll- und Maisernte fällt praktisch total aus.
Regierung leistet Entschädigungen
Die Regierung hat sich jetzt zum Ziel gesetzt, rasch ein Verzeichnis der Betroffenen zu erstellen, damit im Oktober die ersten Entschädigungszahlungen geleistet werden können.
Es ist nicht so, dass es das erste Unwetter wäre, das Thessalien heimsucht. Der Sturm Janos vor drei Jahren war etwa dreimal weniger stark als Daniel.
Betroffene berichten, dass sie die zweite Rate der Entschädigungszahlungen erst drei Jahre später erhielten; deshalb ist klar, dass es da Verzögerungen geben wird. Die Menschen wissen, dass sie die Ankündigungen der Regierung nicht wörtlich nehmen sollten.
Als Ministerpräsident Mitsotakis die Katastrophenregion besuchen wollte, wurde er durch Demonstranten empfangen: Bürger, insbesondere Bauern, die vor dem Nichts stehen. Aber der Ministerpräsident liess die Demonstration wie in Griechenland üblich durch Gewalt, Tränengas und Knüppeln auflösen.
Die Suche nach Schuldigen
Mit den Überschwemmungen kam sofort die Debatte nach den Schuldigen. Die Regierung reagierte so, wie sie zu reagieren pflegt. In seinem grenzenlosen Zynismus, der den Zögling einer reichen Politikerfamilie und den «fils à papa», der nie sein eigenes Geld verdienen musste, auszeichnet, gab Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis die Schuld wieder dem Klimawandel. Die Griechen sollen den traditionellen Sommer ohne Niederschläge von Mai bis Oktober vergessen, in Zukunft würden Unwetter und Brände dazugehören – das sei halt so, wegen des Klimawandels.
Während das bei den katastrophalen Waldbränden eindeutig eine Schutzbehauptung dafür war, dass die Regierung das Phänomen der Brandstiftung und der menschlichen Nachlässigkeit nicht in den Griff bekommt, fällt die Antwort hier weniger eindeutig aus.
«Was wir im Sommer 2023 mit der Hitzewelle und in diesen Tagen mit dem Zyklon Daniel erlebt haben, ist so selten, dass wir es erst in 300-400 Jahren wieder sehen werden», erklärt Christos Zerefos, emeritierter Professor der Abteilung für Geologie der Universität Athen.
Zerefos erklärte, dass Zyklon Daniel dreimal so hohe Niederschlagsmengen brachte wie Zyklon Janus im Jahr 2020, und dass der Klimawandel zu einem häufigeren Auftreten von Phänomenen wie Stürmen und Hitzewellen führen kann. Trotzdem erklärte er, dass ein Unwetter der Stärke von Daniel erst in 300-400 Jahren wieder zu erwarten sei, dass die Griechen aber in Zukunft öfters mit ähnlichen, aber schwächeren Wetterphänomenen leben müssten.
Die Ursache des Phänomens, so der Wissenschaftler, «ist die in diesem Jahr beobachtete Erwärmung der Meere». Damit würde mehr Feuchtigkeit an die Umgebung abgegeben und das würde dann zu Niederschlägen führen, wie wir sie in der Vergangenheit nicht beobachtet haben.
Also doch der Klimawandel? Nicht ganz!
Es fällt auf, dass es sich bei der hauptbetroffenen Region Thessalien um ein ehemaliges Sumpfgebiet handelt, das im 19. Jahrhundert unter dem damaligen Ministerpräsidenten Charileos Trikoupis trockengelegt und fruchtbar gemacht wurde. Da war also früher einmal Wasser. Und Ställe, Bauernhöfe und Dörfer wurden dann in der Nähe des nunmehr fruchtbaren Ackerlandes gebaut.
Eine ähnliche Entwicklung hat die Region Athen durchgemacht, wo Bäche und Flüsse in den Untergrund verbannt und Flächen trockengelegt und überbaut wurden.
Thessalien ist also geradezu prädestiniert für Hochwasser. Aber: Gab es Hochwasserschutzmassnahmen? Gab es einen Mechanismus, wie damit umzugehen ist? Nein, das alles gab es alles nicht.
Überschwemmungen gab es schon früher im Laufe der Jahrhunderte; aber damals hatte die Natur vorgesorgt, zum Beispiel in Form von Schwemmebenen. Nun hat der Mensch mit seinen ständigen Eingriffen dem Wasser die Fluchtwege verschlossen. Das Ergebnis sind Flutkatastrophen.
Der Klimawandel kann also dazu beigetragen haben, dass der Regen diesen Herbst früh und stark gekommen ist, aber er ist vor allem ein Vorwand, um die Inkompetenz des Staates zu rechtfertigen.
Der wahre Grund dafür, dass sich die Regenfälle zur Katastrophe ausweiteten, ist: Die Regierung Mitsotakis handelte nicht so, wie sie sollte. Nach dem Unwetter von Anfangs 2020 hätte man gewarnt sein sollen. Wasserbaumassnahmen wurden für Thessalien versprochen, aber nie realisiert.
Es wird also nicht nur notwendig sein, Katastrophenschutzprogramme aufzusetzen, sondern auch eine Neugestaltung aller Gefahrenkarten.
In der Zwischenzeit hat der griechische Ministerpräsident bei der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein finanzielles Unterstützungspaket beantragt.
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