Mit einem «Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland» haben sich am Mittwoch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio sowie eine ganze Reihe von Unterstützerinnen und Unterstützern zu Wort gemeldet. Sie sorgen damit für Aufsehen und Debatten.
Als Journalist und Mediennutzer teile ich viele Punkte in der kritischen Analyse des Ist-Zustandes ebenso wie die Forderungen «für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk». Aus meiner Sicht reicht vieles davon über die audiovisuellen Medien hinaus. Und es gilt durchaus auch für andere Länder, auch wenn sich die Organisationsformen des Rundfunks zum Teil unterscheiden. Ich will und kann an dieser Stelle nicht auf die einzelnen Punkte des Manifests eingehen. Dieses kann hier nachgelesen und hier mitunterzeichnet werden.
Doch bei aller Sympathie und allem Verständnis für die Aussagen meiner Berufskollegen muss ich auch sagen: Das kommt wenigstens drei Jahre zu spät. Dies gilt angesichts des Versagens gerade der öffentlich-rechtlichen Medien in der politisch verursachten Corona-Krise ebenso wie angesichts einer unerträglichen politischen Kriegshysterie, die verhindern will, dass Deutschland einen «Rückfall in Friedenszeiten» erlebt (so SPD-Chef Lars Klingbeil).
Nun liesse sich sagen: «Lieber spät als nie.» Aber das ist nur ein schwacher Trost und macht das Versagen nicht wieder gut. Ein Versagen, für das nicht nur jene verantwortlich sind, die seit Jahrzehnten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk offen und verdeckt für ihre politischen Interessen missbrauchen, obwohl er den Bürgern als Beitragszahler gehört.
Nein, dafür sind neben den Menschen in den Führungspositionen auch all jene verantwortlich, die dort arbeiten. Zu jeder Herrschaft gehören immer auch die, die sich beherrschen lassen. All das, was im Manifest beklagt wird, ist doch nicht erst seit der Corona-Krise so – es hat sich bloss in dieser so massiv gezeigt.
Ich weiss aus persönlichem Erleben, dass es leichter ist, Widerspruch einzufordern, als ihn zu leisten. Ebenso weiss ich aus eigener Erfahrung, dass dafür oft ein hoher Preis zu zahlen ist, ganz persönlich.
Ich weiss von manchen einstigen Mitarbeitern, die aus dem öffentlich-rechtlichen System ausgestiegen sind, weil sie nicht mehr ertrugen, was sie da erlebten und mitmachen mussten. Ebenso weiss ich von manchen Mitarbeitern von Sendern, die im privaten Kreis ganz mutig die Zustände und die Ursachen benannten und kritisierten, auch die dafür Verantwortlichen – aber die sich weigerten, das öffentlich zu tun, weil sie ihren gutbezahlten Lebensstandard nicht verlieren wollten.
Ich befürchte, dass diese Angepassten in der Mehrheit sind und weiter stillhalten. Der Druck durch Chefredaktionen und Senderleitungen ist gross, was sich auch daran zeigt, dass sich eine ganze Reihe der Manifest-Autoren nicht mit Klarnamen beteiligt.
Ebenso befürchte ich, dass das, was sich da in Jahrzehnten an systemfremden Faktoren breitgemacht hat, von der politischen Einflussnahme via Parteien über das, was nicht anders als Korruption durch überbezahlte Funktionsposten zu bezeichnen ist, bis hin zu dem, was den Eindruck des «Staats- und Regierungsfunks» bestätigt, nur schwer zu reformieren ist. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsste vom Kopf auf die Füsse gestellt werden und, ehrlich gesagt, ausgemistet werden.
Manche halten ihn für unreformierbar, weil der Sumpf zu tief scheint. Nicht wenige wollen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk deshalb ganz abschaffen, auch wegen des zwangsweise erhobenen Rundfunkbeitrags.
Da bleibt die Frage nach der Alternative: Diese wäre derzeit, dass wir als Gesellschaft (fast) nur noch von privaten Konzernmedien, egal in welcher Form, informiert und unterhalten werden. Das will ich nicht und das kann eigentlich auch niemand wollen. Aus verschiedenen Gründen können die neuen, die sogenannten «alternativen» Medien den freiwerdenden Platz nicht ausreichend ausfüllen.
Notwendig wäre so etwas wie ein innerer Aufbruch innerhalb des öffentlich-rechtlichen Systems. Ein Aufbruch der verkrusteten Strukturen, ein Aufbruch gewissermassen zurück zu den Wurzeln, mit Phantasie, Kreativität und sonst allem, was dafür gebraucht wird.
Doch in dem Manifest taucht das Wort «Aufbruch» nicht einmal auf. Wer soll dann aber das leisten, was da zum Teil zu Recht gefordert wird?
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