In der Öffentlichkeit wurde der Corona-Expertenrat als unabhängig bezeichnet. Dass das mit der Wahrheit nur wenig zu tun hat, veranschaulicht der neue Dokumentarfilm von Aya Velázquez. Er entlarvt nicht nur das Gremium, sondern behandelt es auch als Teil eines gigantischen Social-Engeneering-Programms.
Die Investigativjournalistin Aya Velázquez arbeitet sich seit Jahren an den Vorgängen und Hintergründen der Corona-Politik ab. Neben zahlreichen Artikeln hat sie mittlerweile zwei Dokumentationen produziert. Die letzte erschien vor wenigen Wochen unter dem Titel «Geheimakte Corona-Expertenrat».
Was auf der Sprachoberfläche angedeutet wird, bestätigt sich in den weiteren knapp 100 Minuten, wenn Velázquez in gewohnt investigativer Manier in den Kaninchenbau eines Gremiums führt, das während der Impfkampagne vor zwei Jahren keine unwesentliche Rolle spielte. Wie in ihrem Erstling «Sturm auf den Reichstag» untersucht sie die staatliche Beteiligung und entlarvt den «Corona-Expertenrat» als gar nicht so unabhängig, wie aus offiziellen Kanälen verlautbart wird. Darauf lässt allein die Geheimniskrämerei im Hinblick auf die Sitzungsprotokolle schliessen.
Das Bundeskanzleramt hatte sich lange geweigert, diese auszuhändigen. Das tat sie erst nach einem einjährigen Rechtsstreit mit dem Arzt Christian Haffner. Am 16. Juni 2023 gelang es ihm schliesslich, die Protokolle «auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes» erfolgreich zu erstreiten, führt Velázquez die Zuschauer in ihren Film ein, indem sie als klassische Erzählerin auftritt, die die Ereignisse rund um ihren Gegenstand einordnet.
Auszüge aus Talkshows, Parlamentsdebatten und Nachrichtensendungen
Besonders wichtige Informationen werden zusätzlich in Schriftform eingeblendet, während im Hintergrund Archivbilder zu sehen sind. Velázquez arbeitet viel mit Zeitungsausschnitten, Grafiken, Video-Sequenzen. Das Material umfasst Auszüge aus Talkshows, Parlamentsdebatten und Nachrichtensendungen, wobei hier und da Stimmungsbilder hineingeschnitten werden, um die Aussagen der Protagonisten und die Bedeutung der Vorgänge rund um den «Corona-Expertenrat» zu unterstreichen.
«Das Gremium hatte vom Dezember 2021 bis April 2023 unter der Massgabe höchster Vertraulichkeit getagt», erzählt Velázquez zu Beginn. «Es setzte sich zusammen aus dem Who is Who medienbekannter Protagonisten der Corona-Zeit. Was die Protokolle so brisant macht, ist die Tatsache, dass der Corona-Expertenrat den internen Meinungsbildungsprozess der Ampel-Koalition zu ihrem Gesetzesentwurf einer allgemeinen Impfpflicht begleitete.»
Dass es sich um ein abgekartetes Spiel handelte, belegt die Filmemacherin mit einer soliden Recherchearbeit. Zunächst erinnert sie daran, wie sich das Gremium personell zusammensetzte. Der heutige Gesundheitsminister Karl Lauterbach sprach damals von den «besten Experten des Landes». Wer jedoch genau hinsieht, entdeckt ausschliesslich ausgewählte Personen, die sich zuvor in zahlreichen Medienauftritten einseitig für die Impfpflicht ausgesprochen hatten. Velázquez geht einzeln auf sie ein und betont, dass Bundeskanzler Olaf Scholz als Schirmherr fungierte. Was den Expertenrat besonders fragwürdig macht, ist das Fehlen von Epidemiologen.
Moralische Abgründe
Vor diesem Hintergrund wirken die Protokolle stark ideologisiert. Velázquez geht auf die ersten 25 Sitzungen ein und hebt in chronologischem Zeitraffer wichtige Aussagen und Entscheidungen hervor, um dabei auch auf moralische Abgründe zu zeigen.. Diese kontextualisiert die Filmemacherin, indem sie beispielswiese an medial verbreitete Empfehlungen erinnert, wie Verwandte zu Weihnachten mit Ungeimpften umgehen sollten.
Wenn aus den Dokumenten vorgelesen wird, fungiert nicht mehr Velázquez als Erzählinstanz, sondern Andreas Sparberg. Das trägt genauso zur Versatilität bei wie die häufigen Einblendungen von Firmen- und Behördenlogos. Der Corona-Expertenrat war, so der Subtext, ein kleiner Baustein in einem riesigen Netzwerk verschiedener Institutionen, die sich an einem Programm beteiligten. Worum es dabei ging, sagt Velázquez freiheraus. Der Corona-Expertenrat diente auch dem Social Engeenering, mit dem das Ziel verbunden ist, das Verhalten der Bevölkerung langfristig zu verändern und zu steuern.
Um diese These zu unterstreichen, löst sich Velázquez zur Mitte des Filmes vom Expertenrat und betreibt eine Art Genealogie des «Pandemie»-Managements. Die gemeingefährliche Seuche wird nicht als natürliches Phänomen untersucht, sondern als Konstrukt. Dabei macht die Filmemacherin nichts anderes, als die Protagonisten selbst zu Wort kommen zu lassen. Sie entlarven sich quasi selbst, zumal manche Aussagen sich geradezu wie Eingeständnisse anhören. Nicht weniger verdächtig muten Ausschnitte aus dem Pandemieplanspiel Event 201 an oder aus Werbefilmen, für die sich zahlreiche Prominente hatten einspannen lassen.
Film animiert zum Mitdenken
Der Konstruktionscharakter der gesamten Corona-Politik ist nicht zu übersehen, und Velázquez gelingt es, ihn mit gut ausgewähltem Material als solchen erkennbar zu machen. Bisweilen werden von manchen Protokolleinträgen im ersten Teil des Films Linien zu Vorgängen aus dem zweiten Teil gezogen, unsichtbar zwar, aber so, dass aufmerksame Zuschauer deren Verlauf folgen können. So manche Punkte müssen sie selber verbinden. Die Dokumentation animiert zum Mitdenken, damit die Aussagen nicht bloss registriert, sondern in ihrer Tragweite auch verstanden werden.
Was Velázquez’ Film jedoch fehlt, sind klassische Interviews mit Beteiligten und Experten. Selbst Impulsgeber Christian Haffner kommt nicht vor der Kamera zu Wort, sondern ist aus dem Off zu hören. Ausschnitte aus einem Telefonat informieren darüber, wie er die Arbeit des Corona-Expertenrats bewertet. Der Arzt fordert die Einrichtung einer unabhängigen Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Massnahmen-Politik.
Wer den Film zu Ende geschaut hat, muss jedoch gewaltige Zweifel hegen, dass das je passieren wird. Zur Aufarbeitung – dazu trägt die Dokumentation selber bei, besser als jede Kommission, die am Ende wahrscheinlich genauso unabhängig sein wird wie der Corona-Expertenrat.
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