Die Geburtenrate sinkt, nicht nur in Europa. Beispielweise auch in gewissen asiatischen Ländern und Lateinamerika kann sich die Bevölkerung nicht mehr selber reproduzieren.
Auch in Afrika sinken die Geburtenraten. Der Kontinent macht damit mit hundertjähriger Verspätung die Entwicklung durch, die Europa geprägt hat: Mit Beginn der industriellen Revolution begann in Europa durch medizinischen Fortschritt die Mortalität zu sinken, aber die Geburtenrate blieb hoch und begann erst hundert Jahre später als Folge von gesellschaftlichen Veränderungen und Geburtenkontrolle zu sinken. Nachdem die Bevölkerung während hunderten von Jahren ziemlich stabil geblieben war, explodierte sie im 19. und frühen 20. Jahrhundert richtiggehend.
Weiter zeigt der Luzerner Gesundheitsökonom Konstantin Beck, wie sich gerade mit Beginn der «Impfkampagne» ab 2022 zum Beispiel in der Schweiz eine Übersterblichkeit ergibt.
Zusammengenommen führen diese Entwicklungen, wenn man die Ein- und Auswanderung nicht berücksichtigt, zu einem je nach Land mehr oder weniger ausgeprägten Rückgang der Bevölkerung.
Der Unternehmer Elon Musk läutet in dieser Sache schon länger mit der Alarmglocke. Zuerst nannte er Italien, jüngst prognostizierte er – berechtigterweise – für Griechenland einen Bevölkerungskollaps
Die Bevölkerungszahl ist abhängig von der Fertilität, der Mortalität, sowie dem Wanderungssaldo. Auch ein Land mit einer tiefen Fertilitätsrate kann also wachsen, wenn der Wanderungssaldo genügend positiv ist.
Es gibt traditionelle Einwanderungsländer wie die Schweiz. Die Fertilitätsrate pendelte im Laufe von Jahrzehnten bei 1,5 Kindern pro gebärfähige Frau. Um die Bevölkerung zu reproduzieren, wären 2,1 nötig. Zeitlich zusammenfallend mit der «Impfkampagne» ist aber auch hier ein Rückgang auf 1,4 feststellbar. Auf Einwanderung zu setzen, wird aber gerade in Europa immer mehr kritisiert, weil die Einwanderer von immer weiter weg kommen und sich Fragen der kulturellen Integration stellen, die immer anspruchsvoller werden.
Der Frage, ob eine sinkende Bevölkerung wirklich ein Problem ist, soll hier nicht nachgegangen werden. Sie wird aber zunehmend als Problem empfunden. Was also kann man dagegen tun? Grundsätzlich gibt es drei Methoden:
- Auf Einwanderung setzen: Die Schweiz weist seit Jahrhunderten über kurze und längere Zeitperioden hohe Wanderungssaldi auf. Zum Teil handelt es sich – wie schon Ende des 17. Jahrhunderts – um politische Flüchtlinge oder Glaubensflüchtlinge. Im 20. Jahrhundert hat man zum Teil ausländische Arbeitskräfte auch gezielt angeworben. Auch Westdeutschland ging ab 1963 mit den Anwerbeabkommen – zum Beispiel mit Griechenland und der Türkei – diesen Weg. Die Methode gerät unter Beschuss – nicht nur aus obigen Gründen, sondern auch weil sie den Herkunftsländern Humankapital entzieht.
- Geburtenkontrolle und Auswanderung verhindern: Das ist die Methode Ceaucescu. Der rumänische Diktator verhinderte durch polizeistaatliche Massnahmen die Auswanderung und erschwerte den Zugang zu Mitteln der Geburtenkontrolle und Schwangerschaftsabbruch. Die Geburtenrate schnellte darauf in den 1960er Jahren scharf hoch, um dann wieder mit einer kurzzeitigen Trendwende in den 1980er Jahren bis auf 1,3 zu sinken. Seit dem Jahr 2000 erholt sie sich und ist wohl aufgrund der sehr viel besseren wirtschaftlichen Lage auf 1,8 gestiegen. Es versteht sich von selbst, dass sich die Anwendung dieser Methode in einem demokratischen Rechtsstaat – abgesehen von ihrer relativen Erfolglosigkeit verbietet.
- Die dritte ist die «Methode de Gaulle». «Kinder bekommen die Leute immer», sagte in der unmittelbaren Nachkriegszeit Bundeskanzler Adenauer – und legte damit den Grundstein für die heute tiefe Fertilität in Deutschland. Anders Frankreich. Der damalige Staatspräsident Charles de Gaulle ermutigte 1945 sein Volk, Kinder in die Welt zu setzen. Es blieb nicht bei Aufrufen. Das Land investierte massiv in Familienzulagen und familienexterne Kinderbetreuung.
In der zeitgenössischen französischen Literatur sind die Anspielungen darauf sehr zahlreich. Nun sinkt aber auch in Frankreich die Geburtenrate. Die Gründe sind unklar. Es könnte aber mit der Verwässerung der «Methode de Gaulle» unter Präsident Hollande zusammenhängen. Präsident Macron reagierte nun mit Vorschlägen zur Verbesserung der staatlichen Unterstützung für Eltern.
Im Vergleich zu Westdeutschland hat die DDR auf Anreize zum Kinderkriegen gesetzt. Ein Ehekredit von 3000 Mark konnte «abgekindert» werden. Je Geburt wurden 1000 Mark erlassen. Dazu kam eine «Babyprämie» von 1000 Mark je Geburt für diejenigen, die keinen Kredit laufen hatten. Geholfen hat es kaum, weil die Volkswirtschaft im Abschwung begriffen war.
In den letzten Jahren haben vor allem Ungarn und Polen auf die «Methode de Gaulle» gesetzt, bei der es letztlich darum geht, mit massiven monetären Anreizen das Kinderkriegen zu erleichtern.
In Ungarn erhalten Familien Unterstützung durch staatliche Förderprogramme beim Bau von Häusern und dem Kauf von Autos. Auch massive Steuererleichterungen gibt es. Gleichzeitig wurde die im Kommunismus stark ausgebaute familienexterne Kinderbetreuung bis heute beibehalten, was Doppelverdienern hilft. Die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban verfolgt seit ihrem Amtsantritt 2010 eine Politik, die explizit darauf abzielt, die Ungarn zu ermutigen, Kinder zu bekommen, anstatt auf Migration zu setzen. Die Anreize sind massiv. Gleichzeitig handelt es sich dabei nicht um Armutsbekämpfung. Die Programme sind auf die arbeitende Mittel- und Oberschicht und auf verheiratete Paare ausgerichtet (siehe hier und hier).
Seit den 1970er Jahren war die Geburtenrate in Ungarn auf einen Tiefststand von 1,23 im Jahr 2010 gefallen. Seither erholt sie sich kontinuierlich und beträgt nun wieder 1,59.
In Polen hat die nationalkonservative Regierung während ihrer Amtszeit das 500+-Programm eingeführt, das finanzielle Unterstützung für Familien bietet, insbesondere für jedes zweite und folgende Kind. Dieses Programm war populär, aber auch teuer, und die Regierung musste überlegen, wie sie die finanziellen Kosten bewältigen kann. Im Gegensatz zu Ungarn ist Polens Familienpolitik gesellschaftspolitisch liberaler, da sie auch Alleinerziehende und Unverheiratete Paare einschliesst. Allerdings wurde die im Kommunismus stark ausgebaute familienexterne Kinderbetreuung in Polen stark abgebaut. Die tiefe Fertilitätsrate von 1,33 Geburten zeigt, dass das Programm bisher nicht das Erhoffte gebracht hat.
Jüngst will sich Italien an Ungarn orientieren, um seine niedrige Geburtenrate zu erhöhen, sagte die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die sich bestens mit ihrem ungarischen Amtskollegen versteht.
Fazit: Die Bemühungen von Ungarn und Polen, die traditionelle Familie zu fördern und die Geburtenrate zu erhöhen, könnten eine Alternative zur Einwanderung sein, um einen drohenden Bevölkerungskollaps zu verhindern. Es zeichnet sich ab, welche Faktoren gegeben sein müssen, damit die «Methode de Gaulle» Erfolg hat.
Das Modell funktioniert nur bei einer einigermassen seriösen Wirtschaftspolitik und einigermassen guten Wirtschaftszahlen. In der DDR ist die Initiative wohl deshalb gescheitert.
Das Modell kann aber langfristig funktionieren. Die Anreize müssen jedoch nicht nur über lange Zeit beibehalten, sondern es muss der Bevölkerung auch glaubwürdig vermittelt werden, dass diese Anreize nicht in kurzer Zeit wieder abgeschafft werden. Alle diese Faktoren sind in Ungarn erfüllt, während Polen Lücken bei der familienexternen Kinderbetreuung aufweist und es fraglich ist, ob die Politik nach dem jüngsten Regierungswechsel durchgehalten wird.
Die Anreize müssen massiv sein. Die Kinderabzüge etwas zu erhöhen, wie das in der Schweiz diskutiert wird, hat keinen messbaren Effekt. Ungarn gibt mittlerweile rekordhohe 4,6 Prozent des Bruttoinlandproduktes für die Familienförderung aus.
Unter den obigen Prämissen könnte das Modell auch anderswo Erfolg haben. Allerdings sind entsprechende Versuche sehr zaghaft. Griechenland hat sich jüngst interessiert gezeigt, wobei es zweifelhaft erscheint, ob es sich dabei um mehr als Lippenbekenntnisse handelt. Das Land müsste sehr viel Geld mobilisieren, das es nicht hat und auch in den familienergänzende Kinderbetreuung investieren, die inexistent ist.
Der Italienerin Meloni ist es hingegen nebst Frankreich zuzutrauen, dass sie die Möglichkeiten und Grenzen des Modells versteht und auch entsprechendes Durchhaltevermögen hat. Ein Erfolg ist damit aber noch nicht garantiert.
Wie stark sich allerdings die «Impfkampagne» langfristig auf die Fertilität und Mortalität auswirkt, ist noch komplett unklar. Sicher ist, dass der Effekt nicht positiv ist.
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