In diesen kriegerischen Zeiten ist es wichtiger denn je, die wahren Gründe vergangener Kriege zu verstehen, damit man heute weiteren Eskalationen entgegenwirken kann. Um die Erinnerung an den NATO-Angriffskrieg auf Serbien vor genau einem Vierteljahrhundert wachzuhalten, werden wir in dieser Serie elf Wochen lang einmal wöchentlich dessen Hintergründe beleuchten. Genauso lange wurden die Serben bombardiert. Nachfolgend wird die Serie mit Teil 6 fortgesetzt (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5).
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Racheakt Srebrenica
Exemplarisch für die westliche Propaganda während der Konflikte auf dem Balkan in den 1990-er Jahren stehen die Ereignisse in Srebrenica. Nach Angaben des UNHCR haben die Serben 1995 «fast 8000 Zivilisten bei der schlimmsten Gräueltat in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg abgeschlachtet». Das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag bewertete die Aktion als Völkermord.
Zum einen gibt es aber eine Vorgeschichte. Hannes Hofbauer und andere Autoren weisen darauf hin, dass im Herbst 1992 eine massive Offensive der bosnischen Moslems stattgefunden hat. Von Srebrenica aus seien sie in die umliegenden Dörfern eingefallen und hätten fast 50 davon niedergebrannt. Der bekannte BBC-Journalist Misha Glenny hat die Attacken der Moslems dokumentiert und mehr als 1200 getötete serbische Frauen, Kinder und ältere Menschen gezählt. 3000 Menschen seien dabei verwundet worden.
Darauf reagierte die von Ratko Mladic geführte bosnisch-serbische Armee zuerst mit der Belagerung und dann mit der Erstürmung der inzwischen zur UNO-Schutzzone gewordenen Stadt Srebrenica – unter den Augen von holländischen UNO-Soldaten vertrieben sie zehntausende moslemische Bewohner. Die Kriegserklärung der NATO gegen die bosnischen Serben lag bei der Erstürmung bereits vor. Hofbauer erwähnt, dass der niederländische UNO-Kommandant der Schutzzone laut einem Beitrag in der Neuen Zürcher Zeitung von 1995 dabei «von keinen nennenswerten Menschenrechtsverletzungen gehört haben will», während manche seiner Soldaten von «langen Reihen von Leichen in den Strassengräben» berichteten.
Zum anderen gibt es Zweifel an der Zahl von «fast 8000» und Beweise, dass Tausende keine Zivilisten waren. Gemäss Hofbauer haben später entdeckte Massengräber schliesslich den Beweis gebracht, dass Mladic männliche Moslems aus der Stadt bringen und erschiessen liess. Der Autor Andy Wilcoxson pflichtet dem bei:
«Obwohl sicherlich eine Reihe von Zivilisten getötet wurden, deuten die Beweise stark darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der vermissten Personen und der bestätigten Todesfälle Soldaten und Männer im militärischen Alter waren. Die Krstic-Prozesskammer räumte sogar ein, dass ‹nur die Männer im militärischen Alter systematisch massakriert wurden›.»
Dazu muss erwähnt werden, dass in Bosnien und Herzegovina bis 2006 die Wehrpflicht bestand.
In den Medien wurde zudem behauptet, bosnisch-serbische Truppen unter Ratko Mladic und Radovan Karadzic seien in den ‹sicheren Hafen› der UNO in Sarajevo eingedrungen. Dort hätten sie Frauen, Kinder und ältere Menschen entkommen lassen, bevor sie alle Männer massakriert hätten. Wilcoxson merkt jedoch an, weniger oft werde erwähnt, dass die bosnischen Muslime den ‹sicheren Hafen› der UNO als Basis für Angriffe auf serbische Zivilisten nutzten. David Harland, Offizier für zivile Angelegenheiten und politischer Berater des UNPROFOR-Befehlshabers in Bosnien und Herzegowina räumte ein, dass die bosnischen Streitkräfte die Flugverbotszone um Srebrenica verletzten und Waffen in das Gebiet schmuggelten. Palmers Fazit:
«Es war dieser Hass und der Hunger nach Rache, der zum Massaker von Srebrenica führte.»
Hinzu kommt, dass die Zahl von fast 8000 Hinrichtungen (laut ICTY 7661) massiv aufgebläht zu sein scheint. Anhand einer Analyse offizieller Daten kommt Wilcoxson zum Schluss, dass etwa 3900 Soldaten und Männer im militärischen Alter hingerichtet wurden. Der Rest sei im Kampf umgekommen. Das stimme in etwa mit den Zahlen übereinstimmt, die von der UNO, den überlebenden Männern der Kolonne und internationalen Vertretern wie Carl Bildt genannt wurden. Das ist schlimm genug, doch es entspricht nicht dem Narrativ eines Genozids. Denn Wilcoxson zufolge wurden die Frauen und Kinder gehen gelassen, was der Befehlshaber der muslimischen Truppen in Srebrenica, Naser Oric, nicht getan habe.
Wilcoxson merkt zudem an, dass die Liste der Staatsanwaltschaft von 7661 Vermissten und Toten möglicherweise nicht ganz korrekt ist. Er verweist dabei auf die Demografin des ICTY, Ewa Tabeau, die diese Liste mit den Militäraufzeichnungen der Armee von Bosnien und Herzegowina (ABiH) verglich. Sie bemerkte, dass 220 Personen lange vor oder deutlich nach dem Fall von Srebrenica gestorben waren.
Der US-Journalist Peter Brock, der Jugoslawien erstmals 1976 und dann in den 1990er Jahren bereiste, erwähnt in seinem Buch «Media Cleansing: Dirty Reporting – Journalism and Tragedy in Yugoslavia» weitere Berichte, die die offizielle Opferzahl in Frage stellen. Linda Ryan erklärte 1996:
«Woher stammen die Angaben zu den angeblichen Massakern in Srebenica? Sie beruhen in erster Linie auf einer falschen Interpretation von (...) Informationen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Am 13. September 1995 verbreitete es eine Presseerklärung. Darin hiess es, das IKRK habe etwa 10’000 Berichte (von) Flüchtlingen in Tuzla erhalten, die nach ihrer Flucht aus Srebrenica den Kontakt zu Familienangehörigen verloren hätten. Etwa 2000 dieser Meldungen wurden von verschiedenen Mitgliedern einer Familie eingereicht, die denselben Verwandten suchten. Daraufhin wurde mitgeteilt, dass eine sorgfältige Untersuchung der verbleibenden 8000 Fälle ergeben hat, dass diese in zwei Kategorien unterteilt werden: Bei 5000 der Verschwundenen handelte es sich um Personen, die die Enklave noch vor deren Fall verlassen hatten. Die restlichen 3000 Personen wurden von den bosnischen Serben gefangengenommen (IKRK-News Nr. 37). Dementsprechend wurden nach Angaben des IKRK höchstens 3000 Muslime getötet. Trotz dieser Tatsache spielten die Medien mit der Zahl von 8000.»
Weiter bemerkt Ryan, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sei davon ausgegangen, dass zwischen 5000 und 8000 Flüchtlinge aus Srebrenica auf bosnischem Territorium angekommen, ihre Familien aber nicht darüber informiert worden waren. Erst als das IKRK einige Monate später begonnen habe, in Sarajevo gezielte Nachforschungen anzustellen, habe die bosnische Regierung eingeräumt, dass Tausende von Soldaten, die aus Srebrenica geflohen waren, anderen Einheiten ihrer Streitkräfte zugeteilt worden waren. Die Tatsache, dass die Familienangehörigen darüber nicht informiert wurden, sei mit der Verpflichtung begründet worden, dies als militärisches Geheimnis zu wahren.
Und wenige Tage nach dem Angriff berichteten die New York Times (Chris Hedges, 18. Juli 1995) und die Times of London (2. August 1995):
«Etwa 3000 bis 4000 bosnische Muslime, die von UNO-Beamten nach dem Fall von Srebrenica als vermisst galten, haben sich durch die feindlichen Linien auf bosnisches Regierungsgebiet durchgeschlagen. Die Gruppe, zu der auch verwundete Flüchtlinge gehörten, schlich sich unter Beschuss durch die serbischen Linien und schlug sich etwa 30 Meilen durch die Wälder in Sicherheit.» (New York Times)
«Tausende der ‹vermissten› bosnisch-muslimischen Soldaten aus Srebrenica, die im Mittelpunkt von Berichten über mögliche Massenexekutionen durch die Serben standen, gelten nordöstlich von Tuzla als sicher. Die Überwachung der sicheren Flucht muslimischer Soldaten und Zivilisten aus den eroberten Enklaven Srebrenica und Zepa hat sich für die Vereinten Nationen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz als Alptraum erwiesen. Gestern jedoch teilte das Rote Kreuz in Genf erstmals mit, es habe aus bosnischen Quellen erfahren, dass sich bis zu 2000 bosnische Regierungstruppen in einem Gebiet nördlich von Tuzla aufhielten. Sie seien von Srebrenica dorthin gekommen, ‹ohne dass ihre Familien informiert wurden›, sagte ein Sprecher und fügte hinzu, dass es nicht möglich gewesen sei, die Berichte zu überprüfen, weil die bosnische Regierung dem Roten Kreuz den Zutritt zu dem Gebiet verweigert habe.» (The Times of London)
In ähnlicher Weise machte George Pumphrey auf einen späteren Bericht in der Washington Post aufmerksam, in dem Folgendes beschrieben wird:
«Die Männer brachen im Morgengrauen am Dienstag, dem 11. Juli, in zwei Kolonnen auf, die sich über sieben oder acht Meilen erstreckten. Selbst wenn das Rote Kreuz nicht wusste, dass sie Srebrenica in zwei Kolonnen verliessen, wusste es zumindest, dass 2000 in Sicherheit waren. Und die UNO-Beamten wussten von den 3000 bis 4000, die früher eingetroffen waren. Doch im Kommuniqué vom September wurde nicht berichtet, dass die 5000, die ‹einfach verschwanden›, einfach wieder in den Reihen des bosnischen Militärs verschwanden.»
Pumphrey wies auch auf zwei bemerkenswerte Entdeckungen von Professor Milivoje Ivanisevic von der Universität Belgrad Ende 1996 hin:
«(Ivanisevic) (...) nahm die Liste des Roten Kreuzes unter die Lupe und stellte fest, dass sie die Namen von 500 Personen enthielt, die bereits verstorben waren, bevor bosnisch-serbische Truppen in Srebrenica einmarschierten.»
Noch interessanter ist, dass er beim Vergleich der Liste des Roten Kreuzes mit der Wahlliste für die Herbstwahlen 1996 (in Srebrenica) feststellte, dass 3016 Personen, die vom Roten Kreuz als «vermisst» geführt wurden, im folgenden Jahr auf den Wahllisten standen. Daraus ergäben sich zwei Möglichkeiten, so Pumphrey:
«Entweder haben die Muslime ihre Toten wählen lassen, was bedeutet, dass die Wähler gefälscht waren und die Wahl ein Betrug war; oder die Wähler waren tatsächlich am Leben, was ein weiterer Beweis dafür wäre, dass das Massaker ein Betrug war.»
Brock schrieb in Foreign Policy zudem, dass sich die Berichte überwiegend auf die serbischen Übergriffe konzentrierten, obwohl es Beweise für Gräueltaten der kroatischen Streitkräfte gegen die Serben gab. Er erwähnt Professor Nikolaos Stavrou von der Howard University, der «ein beunruhigendes Muster in der Berichterstattung» feststellte. Die meisten Berichte beruhten auf «Beweisen vom Hörensagen», und es sei kaum versucht worden, die «Perspektive der anderen Seite» zu zeigen. 90 Prozent der Berichte stammten aus Sarajewo, aber nur fünf Prozent aus Belgrad. Stavrous’ Analyse ergab ethnische Stereotypisierungen, wobei Serben als primitive ‹Überbleibsel des Osmanischen Reiches› bezeichnet und Offiziere der jugoslawischen Armee als ‹orthodoxe kommunistische Generäle› beschrieben wurden, während Zeitungsfotos weder leidende oder tote Serben noch zerstörte serbische Kirchen und Dörfer zeigten.
Brock wies auch darauf hin, dass Nachrichtenagenturen viele Fotos veröffentlichten, die angeblich Opfer serbischer Verfolgung zeigten. Doch die Bildunterschriften waren falsch. In vielen Fällen waren die Opfer selbst Serben.
Wilcoxson schlussfolgert:
«Der gesamte Kontext zeigt ein ganz anderes Bild von Srebrenica. Es handelte sich nicht um eine kaltherzige Endlösung im Stil der Nazis für die bosnischen Muslime. Vielmehr war es ein Verbrechen aus Leidenschaft – immer noch ein Verbrechen, aber eines, das durch Verbrechen auf der anderen Seite provoziert wurde.»
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