Bis zu 50 Prozent der Menschen verfügen SARS-CoV-2 gegen sogenannte reaktive T-Zellen, die den Erreger aus früheren Jahren bereits kennen und im Falle einer Covid-19 Infektion die Immunabwehr anwerfen. Doch diese Zahl stammt nicht von heute — sie ist das Ergebnis von Untersuchungen an Blutproben, die bereits 2015 entnommen wurden. Damit scheint festzustehen, dass die T-Zellen, die als sogenannte Gedächtniszellen des Immunsystems fungieren, schon damals Kontakt zum Erreger hatten. Das berichtet das Fachblatt British Medical Journal (BMJ).
Damit müsse in Sachen Covid-19 umgedacht werden, schreibt Mitherausgeber Peter Doshi. Zudem müsse man auch die Bedeutung der Antikörper neu bewerten.
Tatsächlich sind die Befunde eine Sensation.
Denn bislang gingen die meisten Mediziner davon aus, daß eine Herdenimmunisierung der Bevölkerung noch lange nicht erreicht ist. Grund dieser Annahme war die gerade in Covid-19 Hotspots geringe Zahl der Menschen mit Antikörpern gegen den Erreger.
Doch Doshi zufolge könnten Antikörper weitaus weniger mit der Abwehr zu tun haben, als angenommen. Um die Zusammenhänge zu verstehen, müsse man die Gesamtheit der Immunabwehr betrachten.
«Eine Exposition führt nicht unbedingt zu einer Infektion, eine Infektion führt nicht unbedingt zu einer Krankheit, und eine Krankheit produziert nicht unbedingt nachweisbare Antikörper», schreibt Doshi.
Innerhalb des Körpers seien die Rollen der verschiedenen Komponenten des Immunsystems komplex und miteinander verbunden.
«B-Zellen produzieren Antikörper, aber B-Zellen werden von T-Zellen reguliert, und während T-Zellen und Antikörper beide auf Viren im Körper reagieren, tun T-Zellen dies bei infizierten Zellen — während Antikörper dazu beitragen, eine Infektion von Zellen zu verhindern».
Vereinfacht ausgedrückt sind fehlende Antikörper gegen SARS-CoV-2 noch lange kein Grund, eine Immunisierung auszuschliessen.
«Vielleicht waren wir ein wenig naiv, als wir Messungen wie serologische Tests durchführten um herauszufinden, wie viele Menschen mit dem Virus infiziert waren», erklärte der Immunologe des Karolinska-Instituts, Marcus Buggert, gegenüber dem BMJ.
Buggerts Fazit: «Vielleicht gibt es da draussen mehr Immunität.»