«Glücklich und zufrieden in der Kurzarbeit» seien Menschen in Deutschland, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z) unter Bezug auf eine neue Studie.
«Viele Beschäftigte in Deutschland empfinden Kurzarbeit in der aktuellen Krise aber nicht als sehr bedrohlich, sondern erstaunlich positiv», und: «Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage unter mehr als 3’600 Erwerbstätigen in den Monaten Juni und Juli, die der F.A.Z. vorliegt».
Die Corona-Krise habe Kurzarbeit in Deutschland zum Massenphänomen werden lassen: «Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung waren im Mai etwa 20 Prozent der Beschäftigten», erklärt das Blatt.
Daß aber weniger als 2000 Menschen, die Kurzarbeit als bereichernd empfinden, rund sechs Millionen repräsentieren sollen, erscheint weltfremd. Denn das Wort Kurzarbeit täuscht darüber hinweg: Die Betroffenen arbeiten nicht kurz, sie arbeiten gar nicht. Ob der Arbeitsplatz nach der Krise überhaupt weiterexistiert, fragen sich derzeit nicht nur Mitarbeiter bei Lufthansa oder Continental, wo Jobs im fünfstelligen Bereich wegfallen werden. Wer dort in Kurzarbeit ist, soll laut F.A.Z dann glücklich sein?
Weil Kurzarbeit der Einstieg in die Arbeitslosigkeit sein kann, belastet die Ungewissheit über die eigene Zukunft die Psyche massiv. Die Folge: Depressionen, Angst oder sogar Suizidgedanken.
Selbst die Nähe zu den eigenen Angehörigen erweist sich während der Kurzarbeit als Belastung. Das Institut für Kommunikation und Gesellschaft (IKG) beschriebt die Ausnahmesituation so:
«Jetzt aber wird, wenn es deutlich mehr Home-Office, ggf. Werksschließungen, Kurzarbeit, Entlassungen etc. gibt, deutlich mehr Nähe und deutlich mehr Gewohnheit geben. Das aber bedeutet, dass die bisher gefundene Balance von Paaren aus dem Gleichgewicht gerät. Und möglicherweise haben Paare z.B. auch nur in einem bestimmten Verhältnis von Nähe und Distanz funktioniert. Dieser Effekt ließ sich schon vor der Corona-Krise eindrucksvoll daran ablesen, dass nach Urlauben die Scheidungsraten erhöht waren. Es ist also zu erwarten, dass mehr Paare aus dem Gleichgewicht kommen, und es daher vermehrt zu Trennungen kommt. China weist bereits erste Empirie in diese Richtung auf».
Spätestens dann, wenn es zu Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit käme, würden zudem sehr vielen Menschen langweilig werden. Denn neben Kooperation und Kontakt, sozialer Anerkennung und Identitätsbildung seien auch Zeitstrukturierung und Aktivität sowie Kompetenzerleben wichtige psychosoziale Funktionen der Erwerbsarbeit, so das IKG, und: «Nach einer Woche ist auch Netflix unspannend».