Wissenschaftler hatten bis vor kurzem Mühe, in den Mainstream-Medien wahrgenommen zu werden. Mit der Corona-Krise wird – zumindest für die Virologen – ein Traum wahr.
Immer mehr Wissenschaftler melden sich zu Wort, Psychologen, Ökonomen, Soziologen, Kulturwissenschaftler, Mathematiker. Viele kommunizieren auf den Plattformen ihrer eigenen wissenschaftlichen Institutionen.
Das mediale Trommelfeuer sorgt aber auch für Irritation. „Stark irritiert“ zeigt sich der Literatur- und Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Johannes Lehmann von der Universität Bonn. Auf deren Internetseite kritisiert er das Paradigma der „Rettungspolitik“, das sich gegen jede Kritik immunisiere. Auch sei die Streitkultur in der Wissenschaft phasenweise zum Erliegen gekommen und die Medien, vor allem das Fernsehen, hätten eine Art „Selbstgleichschaltung“ vorgenommen, sagt Lehmann, „grauenhaft“.
Seit März werden die Virologen, die Corona-Expertise besitzen, mit Anfragen überschüttet. Die Pressestellen der betreffenden Unikliniken sind vollkommen überlastet. Ebenso das Robert Koch-Institut und die Pressestellen der zuständigen Behörden und Ministerien in Bund und Ländern. Eine „Expertenverknappung“ nennt das Volker Stollorz, Geschäftsführer und Redaktionsleiter des Science Media Center.
Soweit normal: Ein Wissenschaftler erforscht etwas, die anderen lesen und streiten. Nur dass jetzt die Öffentlichkeit live dabei ist – und ratlos von einem zum anderen schaut. Was soll man glauben? Vielleicht mehren sich ja nach den Stimmen der Wissenschaft auch die Stimmen qualifizierter Journalisten und helfen dem irritierten Publikum, aus dem vielstimmigen Konzert der Wissenschaft die wichtigen Stimmen herauszuhören.