Aus epidemiologischer Sicht und basierend auf der konkreten praktischen Erfahrung einer ganzen Nation, nämlich Österreich, hat kürzlich Prof. Dr. Franz Allerberger, Leiter der Abteilung für öffentliche Gesundheit, ein Fazit gezogen: «Die Maskenpflicht hat ebenso wie deren Aufhebung keinerlei messbare Auswirkungen auf die Ansteckungssituation in Österreich gehabt.» (Wir berichteten).
Was spricht dafür oder dagegen, dass es in den Nachbarländern anders sein könnte?
In der Schweiz lässt sich aus juristischer Sicht folgendes Fazit ziehen:
In Ermangelung von rechtlichen Grundlagen müssen Sanktionen gegenüber Fahrgästen, welche der vom Bundesrat beschlossenen Maskenpflicht im öV keine Folge leisten, als unzulässige Akte der Willkür (vgl. Willkürverbot gemäss Art. 9 BV) bzw. der Nötigung (Art. 181 Strafgesetzbuch) qualifiziert werden. Die Beschreitung des Rechtswegs durch die betroffene Person bleibt vorbehalten.
Die Begründung:
1.
Grundsätzliche Bemerkungen
Die allgemeine Maskenpflicht im öV stellt einen Eingriff in die individuellen Freiheitsrechte dar. Sofern sie nicht willkürlich erfolgen sollen, können Sanktionen gegenüber von Fahrgästen, welche der vom Bundesrat beschlossenen Maskenpflicht im öV keine Folge leisten, ausschliesslich auf der Grundlage von rechtlichen Bestimmungen ergriffen werden, welche einen solchen Eingriff explizit legitimieren.
2.
Rechtliche Grundlagen betreffend die Personenbeförderung
Rechtliche Grundlagen für die Personenbeförderung im öV bilden: Personenbeförderungsgesetz (PBG), Personenbeförderungsgesetz (PBV), Tarifbestimmungen der Schweizerischen Transportunternehmen. Eine rechtswirksame Verpflichtung der Fahrgäste zum Tragen einer Schutzmaske kann mit keiner dieser Regularien begründet werden. Hingegen sind die Transportunternehmen gemäss Art. 12 Abs. 1 Bst. a PBG explizit verpflichtet, jeden Transport auszuführen, wenn die reisende Person die Gesetzes- und Tarifbestimmungen einhält (Transportpflicht). Verletzt ein Unternehmen die Transportpflicht, so kann die berechtigte Person Schadenersatz verlangen (Art. 12 Abs. 3 PBG).
3.
Rechtliche Grundlagen betreffend die Epidemienbekämpfung
Die Maskenpflicht im öV ist in Art. 3a der Verordnung des Bundesrats über Massnahmen in der besonderen Lage zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie (Covid-19-Verordnung besondere Lage) geregelt. Als gesetzliche Grundlage wird in der Verordnung auf Art. 6 Abs. 2 Bst. a des Epidemiengesetzes (EpG) Bezug genommen (Besondere Lage, Massnahmen gegenüber einzelnen Personen). Die entsprechenden Artikel 30 bis 39 EpG beinhalten jedoch keine ausreichende Grundlage für eine Maskenpflicht, insbesondere da sie ausschliesslich auf Personen anwendbar sind, welche «krank, krankheitsverdächtig, angesteckt oder ansteckungsverdächtig sind oder welche Krankheitserreger ausscheiden». Eine pauschale und unbegründete Anwendung dieser Kriterien auf sämtliche Fahrgäste ist unzulässig.
4.
Rechtliche Grundlagen betreffend die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen
Aufgaben und Befugnisse der Sicherheitsorgane der Transportunternehmen sind im Bundesgesetz über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr (BGST) geregelt. Abgesehen davon, dass dieser Erlass den gesetzlichen Bestimmungen zur Personenbeförderung (vgl. Punkt 2) sachlich nachgeordnet ist, können daraus weder gesundheitspolizeiliche Aufgaben der Sicherheitsorgane abgeleitet noch Eingriffe in die individuellen Freiheitsrechte begründet werden, soweit vom Fahrgast keine unmittelbare Gefährdung ausgeht (vgl. Punkt 3).
5.
In Ermangelung von rechtlichen Grundlagen müssen demzufolge Sanktionen gegenüber von Fahrgästen, welche der vom Bundesrat beschlossenen Maskenpflicht im öV keine Folge leisten, als un-zulässige Akte der Willkür (vgl. Willkürverbot gemäss Art. 9 BV) bzw. der Nötigung (Art. 181 Strafgesetzbuch) qualifiziert werden. Die Beschreitung des Rechtswegs durch die betroffene Person bleibt vorbehalten.