Anders als in der Schweiz oblag das Recht, einen Patienten zu impfen, in Deutschland bis vor Kurzem ausschliesslich approbierten Ärzten. Seit diesem Herbst impfen nun auch in den ersten Bundesländern Apotheker in ihren Ladengeschäften gegen Influenza.
Ohne ausführliche ärztliche Untersuchung, ohne Kenntnisse des gesundheitlichen Gesamtstatus eines Patienten darf das Vakzin injiziert werden. Lediglich ein Schnellkurs von neun Stunden ist für die Apotheker verpflichtend, dieser wurde in Abstimmung mit dem Robert-Koch-Institut und dem Paul-Ehrlich-Institut ausgearbeitet.
Bereits im vergangenen Jahr entwickelte die Bundesregierung Pläne, Impfungen zukünftig direkt in Apotheken verabreichen zu lassen. Ein von Krankenkassen, Apotheker- und Ärztevertretern besetztes Gremium musste die heikle Frage klären: Wie kann das sogenannte Heilkundeverbot der Apotheker umgangen werden?
Nach deutschem Recht sah die Berufsordnung der Apotheker ein striktes Verbot jeglicher heilberuflichen Tätigkeit vor, der Passus galt als stärkstes Abgrenzungsmerkmal zum ärztlichen Beruf. Und ganz wichtig: Rechtliche Grundlagen, die auch haftungs- bzw. strafrechtliche Regelungen zum Impfen durch Apotheker berücksichtigen, existierten nicht.
Die Vorbereitungen dieses Vorhabens vollzogen sich abseits der Öffentlichkeit, allerdings auf höchster Regierungsebene. Als Ende Oktober 2019 der Bundestag das viel diskutierte «Masernschutzgesetz» verabschiedete, wurde über das Apothekerimpfrecht nicht öffentlich debattiert. Kaum jemand ausserhalb der betroffenen Berufsverbände wird bis heute davon gehört haben. Und doch befand sich das «Regionale Modellvorhaben zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen in Apotheken» in demselben verabschiedeten Gesetzestext – ganz am Ende unter Paragraf 132j.
Die Idee hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schon im Jahr 2018 ins Spiel gebracht, der Gesetzestext entspricht weitgehend seinen Vorstellungen. Darin heisst es: «Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände haben mit Apotheken, Gruppen von Apotheken oder mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen massgeblichen Organisationen der Apotheker auf Landesebene, wenn diese sie dazu auffordern, Verträge über die Durchführung von Modellvorhaben in ausgewählten Regionen zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen bei Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, in Apotheken mit dem Ziel der Verbesserung der Impfquote abzuschließen.»
Ziel sei es, damit effektiver und bequemer die von der WHO empfohlene Impfrate von 75 Prozent der älteren Bevölkerung zu erreichen. Derzeit seien nur 35 Prozent der Bundesbürger ab 60 Jahren gegen Grippe geimpft, schreibt die AOK zum Start der Kampagne.
Anders ist die Lage in Brandenburg: In einer Resolution hatten bereits Ende vergangenen Jahres sowohl die Ärzte- als auch die Apothekerkammer Impfungen in Apotheken abgelehnt:
«Impfen ist eine originär ärztliche Tätigkeit und stellt eine komplexe Aufgabe dar, die nicht im Rahmen einer einmaligen Schulung erlernt werden kann. Im Sinne des Patientenschutzes müssen Impfungen daher da stattfinden, wo eine ärztliche Überwachung und notfalls auch Behandlung gewährleistet ist», schreiben sie in der gemeinsamen Erklärung.