Anfang des Jahres löste die Prognose von 30’000 möglichen Covid-Toten in der Schweiz eine Welle der Angst aus. Noch am 26.Februar hatte Christian Althaus, Biologe und Mitglied der Swiss-Covid-Task-Force, in der NZZ diese Befürchtung geäussert. An gleicher Stelle konnte man auch sein Statement lesen: «Als Wissenschaftler stehe ich für eine offene Diskussionskultur.»
Doch auf eine freundliche Einladung der Weltwoche, seine Sicht der Dinge einzubringen, antwortete Althaus: «Eher würde ich mich mit SARS-CoV-2 infizieren, als zu ihrem publizistischen Inhalt beizutragen.»
Die flegelhafte Rhetorik sei kein einmaliger Ausrutscher, meint Alex Baur in der Weltwoche. Seit Februar schiesse der Experte für computerbasierte Prognosen an der Uni Bern scharf gegen jeden, der an seinen apokalyptischen Prophezeiungen zweifle.
Rund 2’000 Tweets habe Althaus dieses Jahr schon abgefeuert. Mit den Fallzahlen verschärfe sich seit Mitte Oktober die Kadenz wie auch der Tonfall. «Denn sie wissen nicht, was sie tun» (zur angeblich «verantwortungslosen» Corona-Politik der Zürcher Regierung); «Es wird jeden Tag deutlicher» (zu einer «Studie» der Uni Bern, von Althaus selbst verfasst, gemäss der 1’600 Leben gerettet worden wären, wäre der Shutdown ein Woche früher verhängt worden); «Jeder Tag zählt» (zur Forderung einer generellen Maskenpflicht der nationalen Corona-Task-Force); «Die Massnahmen genügen nicht» (Schelte der Task-Force an Bundesrat); «Breaking News: Ueli Maurer und Reto Brennwald teilen sich eine Gefängniszelle» (Retweet eines Komikers).
Auch Felix E. Müller kritisiert in der NZZ am Sonntag den Nachwuchsprofessor Althaus: «Er weiss es stets besser als der Bundesrat und verkündet dies täglich.»
Dass seine Twitterei an seiner wissenschaftlichen Reputation nage, realisiere er offenbar nicht. Ein Forscher sollte stets nach einer überindividuellen, von Dritten überprüfbaren, also objektiven Wahrheit suchen. Wer ständig persönliche Meinungen von sich gebe, der erfülle diesen Anspruch nicht.
Alex Baur stört sich daran, dass Althaus seine persönlichen Überzeugungen in seiner Funktion als Mitglied der Task-Force kundtut: Die Unflätigkeiten von Agit-Professor Althaus wären belanglos, stammten sie nicht von einem prominenten Mitglied der offiziellen, vom Bundesrat einberufenen «Swiss National Covid-19 Science Task Force».
Althaus sei auch nicht der Einzige aus dem Kreis der Erlauchten, der Bund und Kantone mit Horrormeldungen unter Druck setze und schärfere Massnahmen fordere. Task-Force-Chef Martin Ackermann und sein Vorgänger Matthias Egger stiessen, wenn auch diplomatischer, ins gleiche Horn.
Dabei hat auch Martin Ackermann seine liebe Mühe mit den Zahlen. (wir berichteten)
Doch der Rat der Weisen dulde keinen Widerspruch. Wer zur Mässigung aufrufe, wie etwa der St. Galler Chefarzt Pietro Vernazza, werde gnadenlos abgekanzelt: «Wissenschaftlich falsch!», «verantwortungslos!», «gefährlich!», «undemokratisch!».
Bauer weiter: «Undemokratisch? Es mutet schon befremdlich an, wenn ein offizielles Beratergremium seinen Auftraggeber öffentlich desavouiert. Dabei ist der Auftrag klar: Die Task-Force wurde im letzten Frühling einberufen, um das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und den Bundesrat in ’wissenschaftlichen Fragen’ zu beraten. Politische Agitation findet sich nicht im Pflichtenheft. Dort heisst es vielmehr: ’Die Expertengruppen des Beratergremiums kommunizieren nicht selbständig nach aussen, jede Verlautbarung müsse vorgängig mit dem BAG koordiniert werden.’»
Baur beschreibt im Weiteren detailliert, wie sich die aktuelle Taskforce gegenseitig ihre Momente im Rampenlicht zugeschanzt hat. Die Dozentin Nicola Low, Eggers Ehefrau, habe sich schon früher mit Coronaviren befasst und sei als eine der Ersten auf die neuartige Bedrohung aufgesprungen.
Während Egger die Fäden im Hintergrund gezogen habe, habe Privatdozent Christian Althaus mit seinen alarmierenden Modellrechnungen und Twitter-Salven das publizistische Terrain beackert.
Wie eine statistische Auswertung seiner Twitter-Aktivitäten zeige, waren die in Genf praktizierende deutsche Virologin Isabella Eckerle, der Tages-Anzeiger-Journalist Marc Brupbacher und der britische Epidemiologe Adam Kucharski seine treuesten Verbündeten gewesen. Die vier hätten sich gegenseitig hochgeschaukelt. Keiner von ihnen sei zuvor eine bekannte Figur gewesen – bis das Coronavirus sie zu Medienstars gemacht habe.