In ihrem Blog fehrdenktquer hat die Politikerin einen beachtenswerten Apell an Politik, Medien und Zivilgesellschaft gerichtet: Sie fordert ein Umdenken im Diskurs um den richtigen Weg zur Bewältigung der Coronakrise und warnt vor medialen Panikmache und politischem Aktionismus.
So schreibt Fehr:
«In den Medien lautet der Tenor: Das Virus ist gefährlich! Die zweite Welle ist am Anrollen! Junge sind nicht gefeit vor schweren Verläufen! Auch die wissenschaftliche Task Force des Bundes warnt. Sie ruft nach verschärften Massnahmen und drückt aufs Tempo: Würden die Zahlen weiter steigen, brauche es rasche Interventionen.
In Facebook- oder Twitter-Debatten erhält das Lager der Warner und Mahner Unterstützung. Es sind Debatten, die zu einem schönen Teil aus dem einvernehmlichen Kopfschütteln über Behörden besteht, die wahlweise als ignorant, langsam und/oder nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe wahrgenommen werden».
Auf der anderen Seite stünden jene, die das Gegenteil der Besorgten repräsentieren.
«Was mich an dieser Konstellation täglich mehr besorgt, ist der Umstand, dass es zwischen diesen beiden Realitäten nichts gibt. Mir kommt es manchmal vor wie beim Thema Religion: Es gibt die Gläubigen mit ihrer Mission und ihrem Sendungsbewusstsein. Und es gibt die Gleichgültigen. In einer solchen Konstellation ist kein produktiver öffentlicher Diskurs möglich».
In den letzten Wochen habe sich in der Öffentlichkeit die Überzeugung festgesetzt, «dass sich die Pandemie über behördliche Gebote und Verbote managen lässt», meint Fehr, und: «Ironischerweise ist diese Überzeugung in beiden Lagern verankert, bei den Besorgten wie bei den Sorglosen – mit allerdings unterschiedlichen Folgen. Die Ängstlichen möchten noch mehr Vorschriften. Am liebsten hätten sie Behörden, die in autoritärer Manier einen möglichst umfassenden Verbotskatalog erlassen».
Auch die Sorglosen hätten indes nichts gegen Vorschriften – «aber nicht, weil sie diese nötig finden, sondern weil diese das Leben vereinfachen». Das Prinzip der Sorglosen laute: «Was nicht verboten ist, ist erlaubt.»
Das Virus nehme man berechtigterweise als abstrakte Gefahr dar:
«Wir kennen zwar alle jemanden, der oder die gegen eine Krebserkrankung kämpft. Wir kennen aber kaum jemanden, der oder die durch Corona ernsthaft krank war oder ist. Schwere Krankheitsverläufe, die eine Spitalbehandlung nötig machen, sind selten».
Jacqueline Fehr, geboren 1963, wurde am 12. April 2015 in den Regierungsrat des Kantons Zürich gewählt und ist Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern. Ihre politische Karriere begann sie 1990 als Mitglied des Grossen Gemeinderates Winterthur, darauf folgte eine langjährige Tätigkeit im Kantonsrat Zürich. 1998 rückte sie in den Nationalrat nach und war zu dieser Zeit als selbständige Organisationsberaterin und Projektleiterin tätig. Von 2008 bis 2015 war sie Vizepräsidentin der Sozialdemokratischen Partei. 2012 gründete Jacqueline Fehr die Einzelfirma Atelier Politique, welche ihre Engagements und Aufträge, ihre Verwaltungsratssitze und Posten bündelte. 2015 schloss sie einen Executive Master of Public Administration MPA an der Universität Bern ab.