Die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) führt die Dissertation von Prof. Christian Drosten erst seit Juli 2020 im Bestand. Damit war die bereits im Jahr 2001 verfasste Promotionsschrift selbst unter Berücksichtigung der mündlichen Verteidigung am 22.3.2003 mehr als 17 Jahre lang auch über die DNB nicht zugänglich.
Zwar schreibt die Promotionsordnung der Universität Frankfurt für den Zeitraum 2001 bis 2003 nicht vor, dass Dissertationen an die Deutsche Nationalbibliothek ausgeliefert werden müssen. Doch das Prozedere ist auffällig, zumal die Schrift auch nicht, wie die meisten anderen Promotionen, im PDF Format abrufbar ist.
Das Datum der Aufnahme in den Bestand der DNB ist anhand der Signatur erkennbar:
Die DNB bietet – ebenso wie die Universitätsbibliothek Frankfurt – lediglich die Inhaltsangabe zum Download. Zudem ist das einzig vorhandene Exemplar der DNB in Leipzig ein sogenanntes Präsenzexemplar. Somit kann es nicht ausserhalb des Lesesaals eingesehen werden. Kopien können im Lesesaal der DNB in Leipzig nicht erstellt werden, fotografieren mit Blitzlicht ist nicht erlaubt. Die DNB listet ein weiteres Exemplar in ihrem Frankfurter Bestand auf.
Anhand des Ausleihformulars aus Leipzig wird ersichtlich, dass es diese Promotion dort lediglich ein Mal gibt:
Die Seiten 2 und 3 der Promotion wiederum geben an, dass die mündliche Prüfung am 22.3.2003 erfolgte – einem Samstag. Zudem lässt sich ablesen, dass Teile der Arbeit bereits vor der Fertigstellung in drei Fachjournals publiziert worden sind.
Auch das ist zumindest ungewöhnlich. Denn bei der vorliegenden Dissertation handelt es sich nicht um eine sogenannte kumulative Promotion, sondern um eine Arbeit, in der sehr ausführlich Laborexperimente im Mittelpunkt stehen. Die Ergebnisse und Verfahren vor Abschluss einer Promotion zu veröffentlichen ist in solchen Fällen schon deswegen unüblich, weil Journalpublikationen nie eigenständig bzw. alleine erstellt werden, sondern das Werk mehrerer Autoren sind. Das lässt sich anhand der Angaben auf Seite 3 auch ablesen.
Das Fachportal academics.de empfiehlt angehenden Doktorandinnen und Doktoranden daher:
«Ausserdem ist zu beachten, dass die Eigenständigkeit Ihrer Arbeit stets erkennbar bleibt. Denn nicht selten entstehen Texte mit namhaften Koautoren – auch, um eine Veröffentlichung in einer renommierten Zeitschrift zu vereinfachen. Je nach Promotionsordnung kann das aber dazu führen, dass die Texte nicht mehr für eine kumulative Dissertation infrage kommen.»
Die genauen Vorgaben, an die sich der damalige Doktorand Christian Drosten bei der Erstellung seiner Promotion halten musste, sind in der Promotionsordnung des Fachbereichs Humanmedizin der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main vom 3. April 1997 gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 6 des Hessischen Hochschulgesetzes festgehalten, die am 3. April 1997 in Kraft trat und bis 2004 ihre Gültigkeit behielt.
Einschätzung der Redaktion: Drostens Promotion basiert auf drei zuvor publizierten, von mehreren Co-Autoren unterzeichneten Publikationen. Somit käme sie nach den üblichen Standards weder als kumulative, noch als normale Dissertation infrage. Denn die Eigenständigkeit lässt sich durch Vermischung beider Dissertationsformen nach unserer Einschätzung nicht zwangsläufig erkennen.
Zudem wirkt die Tatsache, dass die Dissertation bundesweit 17 Jahre lang – also bis zur Coronakrise – nicht auffindbar war, zumindest sehr ungewöhnlich.