Demonstrationen waren in den letzten zwei Jahren durch die Covid-Massnahmen zeitweise eingeschränkt oder verboten – auch solche gegen ebendiese Massnahmen. Wer von seinem verfassungsmässigen Bürgerrecht dennoch Gebrauch machte und sich an einer Kundgebung beteiligte, bekam es schnell mit der Polizei zu tun. Wie auch, wer nur zu einer «Ansammlung» gehörte oder auf dem Weg dorthin war. Wegweiseverfügungen mit Strafandrohungen waren die Praxis.
Wie das Aktionsbündnis Urkantone in einer Medienmitteilung wissen lässt, hat das Regionalgericht Bern-Mittelland nun eine solche Wegweiseverfügung als unzulässig erklärt und einen beschuldigten Massnahmengegner vollumfänglich freigesprochen (PDF der Urteilsbegründung).
Der Beschuldigte sei am 16. Mai 2020 in Bern auf dem Weg zum Bundesplatz von der Polizei angehalten und unter Strafandrohung weggewiesen worden, lässt das Aktionsbündnis wissen. Er sei trotzdem weitergegangen und später bei einer Menschenansammlung von der Polizei wieder beanstandet worden. Daraufhin habe er einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft wegen Zuwiderhandlung gegen die Wegweiseverfügung erhalten. Aufgrund seines Einspruches kam es zur Hauptverhandlung.
Zwei Begründungen sind dem Aktionsbündnis zufolge im Freispruch bemerkenswert: Zum einen hält das Gericht fest, dass die Wegweiseverfügung unverhältnismässig gewesen sei, weil es an dem Ort noch keine entsprechende Menschenansammlung und keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegeben hätte. Das Gericht weiter:
«Wegweiseverfügungen gegen Personen, nur weil sie sich vermutlich auf dem Weg zu einer verbotenen Kundgebung befinden, sind demnach nicht zulässig».
Zum anderen sei die Verbindung der Wegweisung mit einer Strafandrohung nicht zulässig gewesen, weil damals Menschenansammlungen bereits nach der Covid-19-Verordnung verboten gewesen seien. Das Gericht erläutert:
«Strafandrohungen von Wegweiseverfügungen im Zusammenhang mit einer nach der Covid-19-Verordnung verbotenen Versammlung waren gemäss dem Urteilsspruch also rechtswidrig».