Der Philosoph und Publizist Ludwig Hasler, mit seinen 75 Jahren selbst im sogenannten Risikoalter, schrieb einen Essay über die existentielle Dimension der Corona-Krise, über das Sterben und das Nicht-sterben-Wollen. Zuspitzend fragt Hasler: «Wie möchten wir denn sterben – wenn überhaupt?»
Mit Covid 19 sei das Sterben öffentlich geworden, schreibt Hasler und stellt nüchtern fest: «Hier könnten alle drankommen, deren Immunkräfte schwinden, zumindest alle Alten. Wer über 80 ist, rechnet zwar klugerweise mit dem Tod, doch es gibt in der Schweiz 450 000 in dieser Risikoklasse, also muss mit drastischen Massnahmen verhindert werden, dass sie alle sich anstecken. Seither gibt es in Bern das tägliche Corona-Hochamt mit dem Bundesrat als Klerus, der die Gemeinde rituell einschwört auf die zehn Gebote in Pandemie-Zeiten. Über all den Geboten steht ‚Gesundheit hat Vorrang!’. Also darf, wo sie gefährdet ist oder scheint, alles übrige eingesperrt oder stillgelegt werden. Hauptsache, gesund. Heisst so unsere neue Gottheit? Haben wir sonst nichts, was uns heilig wäre? Die Wirtschaft, klar, die fällt dann doch manchen ein. So entsteht der Streit um ’Gesundheit versus Wirtschaft’, wobei die meisten sich beeilen, der Gesundheit den Primat zu gönnen; das gehört sich offenbar so in alternden Wohlstandsgesellschaften.»
Haslers Gedanken könnten als kalte Gleichgültigkeit interpretiert werden. Oder als Statement von jemandem, dem Leid, Trauer und das Schicksal betagter Menschen wenig bedeuten. Mitnichten, Haslers Überlegungen sind vielmehr ein lesenswertes Plädoyer für einen sachlichen Umgang mit dem Leben und mit dem Sterben. Die Endlichkeit des Lebens zu akzeptieren, ist keineswegs eine Form des Fatalismus, sondern gelebter Realismus.