Seit Donnerstag gilt im Kanton Zürich eine erweiterte Maskenpflicht in Geschäften und Einkaufszentren. Dieser Entscheid war alles andere als unumstritten. Die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr äusserte sich zuvor und auch danach in diversen Medien kritisch gegenüber schärferen Massnahmen und plädierte für mehr Eigenverantwortung und weniger staatliche Verbote.
Daniel Fritzsche fragt in einem Artikel der NZZ, ob die Verschärfungen zum jetzigen Zeitpunkt wirklich gerechtfertigt seien und auf welchen Annahmen sie basierten. Darauf habe es in Zürich und andernorts nur unzulängliche Antworten gegeben.
Fritzsche betont, dass Transparenz und Verlässlichkeit Vertrauen schaffen – etwas, was die öffentliche Debatte über Corona dringend nötig habe. Denn die am Freitag veröffentlichte Umfrage des Bundes zeige: Das Vertrauen in die Behörden ist am Schwinden. Das müsse den Entscheidungsträgern zu denken geben.
Denn ob die Maskenpflicht beim Einkaufen wirklich einen klaren Effekt hat und zurzeit nötig ist, darüber wird herzlich wenig gesagt.
Bei Auswertungen des Bundes und des Kantons Zürich über mögliche Ansteckungsorte tauchen Geschäfte noch nicht einmal in der Tabelle auf.
Wenn die Massnahme am Ende vor allem symbolischen Charakter hat, dann schadet sie eher, als dass sie nützt.
Fritzsche führt weitere zum Teil ungeklärte oder schlicht ignorierte Fragen auf.
Die Frage des richtigen Zeitpunkts: Die statistisch erfassten Fallzahlen steigen. Für eine saubere Analyse sollten die Behörden andere Faktoren stärker gewichten. So zum Beispiel die Zahl der Hospitalisationen. Diese ist in der Schweiz seit Ende Mai konstant tief. Seit dem Sommer ist sie sogar leicht rückläufig. Letzte Woche gab es in der ganzen Schweiz 38 Spitaleinlieferungen. Das BAG spricht von einer «stabilen Lage».
Das Gleiche gilt für die Zahl der bestätigten Todesfälle, die sich seit Wochen im einstelligen Bereich bewegen. Zudem wird seit einigen Wochen wieder deutlich mehr getestet; der Anteil positiver Tests bleibt bis jetzt aber klar unter fünf Prozent.
Der Corona-Sonderstab des Kantons Zürich beobachtet neben der Höhe und Entwicklung der Fallzahlen die Belastung des Gesundheitssystems, die Zahl lokaler Ausbrüche und die Auslastung des Contact-Tracings. Welche Faktoren er wie stark gewichtet und welche Massnahmen er bei welchen Schwellenübertritten empfiehlt, bleibt aber unbekannt.
Hier sollten die Behörden mehr erklären und stärker versuchen, die Leute ins Boot zu holen. Letztlich müssen die verfügten Einschränkungen von der Bevölkerung akzeptiert werden.
Ein Faktor, der zu wenig in die Lagebeurteilung einfliesst, ist die Altersverteilung. Und da gibt es momentan Grund zur Hoffnung: Die unter 30-Jährigen machen derzeit rund die Hälfte aller gemeldeten Neuinfektionen aus. In gewissen Kantonen sind es gar bis zu 70 Prozent. Sofern Betroffene keine schwerwiegenden Vorerkrankungen haben, ist das in der Regel nicht weiter schlimm. Gefährdet sind bekanntlich vor allem ältere, gebrechliche Personen, die sich momentan fast gar nicht anstecken.
Fritzsches Fazit: Momentan gibt es allenfalls Grund zur Sorge, aber nicht zur Panik.
Lesenswert sind auch viele der zahlreichen Leserkommentare. Mehrheitlich wird begrüsst, dass in der NZZ endlich auch andere Stimmen zu Wort kommen und Argumente gegen die allgemeine Panikmache mit einbezogen werden.
Einige erstaunlich fundierte Analysen und kritische Fragen der Leserschaft zum gängigen Corona-Narrativ würde man sich eigentlich im redaktionellen Teil der NZZ wünschen.
Bemängelt wird von der Leserschaft, dass die Fallzahlen jeden Tag prominent dargestellt würden, nicht aber die Anzahl der durchgeführten Tests, der Hospitalisierungen und der Todesfälle.
Die NZZ antwortet darauf: Zahlen zu Tests und der Anteil positiver Tests finden Sie in unserer laufend aktualisierten grafischen Übersicht zu Corona https://www.nzz.ch/panorama/coronavirus-neuste-fallzahlen-in-der-schweiz-und-weltweit-ld.1542774