Wenn auch dem orthodoxen viralen Paradigma folgend, veröffentlichten Martin Kulldorff, Professor für Medizin an der Harvard Universität, und Jay Bhattacharya, Professor für Medizin an der Stanford Universität, am 24. April 2021 im The Telegraph eine scharfe Kritik der Lockdowns. Gleich am Anfang des Artikels machen sie klar:
«Vor einem Jahr gab es keine Beweise dafür, dass Lockdowns ältere Hochrisikopersonen vor Covid-19 schützen würden. Jetzt gibt es Beweise. Sie taten es nicht.»
Bei so vielen Covid-19-Todesfällen sei es offensichtlich, dass Lockdown-Strategien die Alten nicht geschützt hätten. In dem naiven Glauben, dass eine Abriegelung der Gesellschaft jeden schützen würde, hätten Regierungen und Wissenschaftler grundlegende, gezielte Schutzmassnahmen für ältere Menschen abgelehnt, so die beiden Professoren. Während sich jeder infizieren könne, bestehe ein mehr als tausendfacher Unterschied im Sterberisiko zwischen alten und jungen Menschen. Kulldorff und Bhattacharya weiter:
«Das Versäumnis, diese Tatsache über das Virus auszunutzen, führte zum grössten Fiasko der öffentlichen Gesundheit in der Geschichte. Lockdowns haben dennoch enorme Kollateralschäden über alle Altersgruppen hinweg erzeugt. Kindern den Präsenzunterricht zu entziehen, hat nicht nur ihrer Bildung geschadet, sondern auch ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit. Weitere Folgen für die öffentliche Gesundheit sind verpasste Krebsvorsorgeuntersuchungen und -behandlungen sowie schlimmere Folgen bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Viele dieser Schäden werden sich im Laufe der Zeit entfalten und sind etwas, mit dem wir noch viele Jahre lang leben – und sterben – müssen.»
Kulldorff und Bhattacharya kritisieren auch die Schuldzuweisungen für dieses Fiasko. Einige Wissenschaftler, Politiker und Journalisten würden sich beschweren, dass sich die Menschen nicht ausreichend an die Regeln gehalten hätten. Doch der Öffentlichkeit die Schuld zu geben, sei unaufrichtig. Noch nie in der Geschichte der Menschheit habe die Bevölkerung so viel geopfert, um die Vorgaben der öffentlichen Gesundheit zu erfüllen.
Auch Wissenschaftler, die sich gegen die Lockdown-Massnahmen ausgesprochen haben, würden angegriffen, wie zum Beispiel, mit besonderer Bösartigkeit, die Oxford-Professorin Sunetra Gupta, eine weltweit herausragende Epidemiologin für Infektionskrankheiten. Und dies, obwohl sie wiederholt für einen besseren Schutz der älteren Menschen plädiert habe, mit konkreten Vorschlägen, die viele Leben hätten retten können.
Die beiden Professoren beanstanden auch, dass viele «Lockdowners» die natürliche Fluktuation einer «Pandemie», die aufgrund einer Kombination aus Immunität und Saisonalität entstehe und auf die auch Gupta afmerksam machte, als Argument benutzt hätten, um zu behaupten, dass die Lockdowns erfolgreich gewesen sind.
«Ein Jahr nach der Pandemie sollte man meinen, dass sich Politiker und Journalisten, die über Covid-19 schreiben, die Mühe gemacht hätten, sich einige Grundkenntnisse der Epidemiologie von Infektionskrankheiten anzueignen.»
In Erwartung des Wiederaufflammens im Winter verfassten Kulldorff und Bhattacharya Anfang Oktober 2020, zusammen mit Sunetra Gupta, die Great Barrington Declaration, in der Hoffnung, eine Wiederholung der Katastrophe vom Frühjahr zu vermeiden. Sie forderten einen gezielten Schutz der Alten, die Lockdowns aufzuheben und Kindern und jungen Erwachsenen ein fast normales Leben zu ermöglichen. Ihnen wurde vorgeworfen, dies sei ein «Strohmannargument», und dass weitere Lockdowns weder nötig noch von irgendjemandem vorgeschlagen seien.
Der zentrale Trugschluss im Pro-Lockdown-Denken sei, schliessen Kulldorff und Bhattacharya, dass mehr Beschränkungen automatisch zu weniger Todesfällen führen würden. Diese Argumentation zeige eine verblüffende Ignoranz gegenüber der grundlegenden Epidemiologie von Infektionskrankheiten. Ein Beispiel unter vielen sei die Schliessung von Universitäten im letzten Frühjahr, die Studenten nach Hause schickten, um mit gefährdeteren älteren Familienmitgliedern zusammenzuleben, was die Durchmischung der Generationen erhöhte. Politiker und Gesundheitsbehörden hätten jetzt zu tun, um das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederzugewinnen. Die Öffentlichkeit und Wissenschaftler wie Sunetra Gupta zu beschuldigen, um von den Fehlern der «Lockdowners» selbst abzulenken, sei nicht der richtige Weg.