Bundesregierung und Robert-Koch-Institut (RKI) wechselten schon zum zweiten Mal das Kriterium zur Einschätzung der Pandemiegefahr: Zuerst war es die Verdopplungszeit der Anzahl der Infizierten, dann die Reproduktionszahl, jetzt auf einmal soll es die absolute Zahl der gemeldeten Fälle sein. Das ist unglaubwürdig.
Corona hat viele Menschen sehr verunsichert und wahrscheinlich schnell harte Einschnitte erfordert. Da war die Regierung gefordert. Anfängliche Fehler sind verzeihlich, aber schnell hätte klar sein müssen, dass die Nennung wissenschaftlich klingender Kriterien nicht die Lösung sein kann. Der reine Bezug auf mathematisch/statistische Begriffe und Grenzwerte schafft keine Sicherheit. Der ständige Wechsel der Bezugsgrößen erzeugt den Eindruck von Willkür.
Der Reihe nach (keine vollständige Auflistung, Details auf Nachfrage):
1 Zu Beginn wurde das Ziel ausgegeben, den Anstieg zu verlangsamen, um die Intensivabteilungen der Krankenhäuser nicht zu überfordern (Flatten the curve). Gemessen werden sollte das Wachstum an der Verdopplungszeit der Anzahl der Infizierten. Zuerst sollte die 10 Tage überschreiten, dann musste noch länger gedehnt werden. Verdopplungszeit 14 Tage wurde der Maßstab.
2 Dann tauchte plötzlich die Reproduktionszahl R in aller Munde als Maßstab auf: Wie viele Personen steckt ein Infizierter an? Anfänglich war das Ziel 1, dann unter 1, letzte Woche wurde vom Vizepräsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI) sogar mal ungefähr 0,2 genannt, gestern (28.4.) auch „möglichst niedrig“. Berechnen kann man R sowieso nicht. Außerdem wurde die Schätzmethode Mitte April auch noch gewechselt.
3 Seit letzter Woche ist die absolute Zahl der gemeldeten Fälle (wegen möglicher Einzelfallverfolgung durch die Gesundheitsämter) plötzlich die wichtigste Größe. Genannte Grenzen bisher: ein paar hundert, unter 1000, möglichst niedrig.