In einer originellen Analogie stellt Irmi Seidl im Blog «Postwachstum» dar, dass exponentielles Wachstum an und für sich problematisch und tendenziell unkontrollierbar sei, ob nun als pandemisch sich ausbreitender Virus … oder eben auch in der Form einer globalisierten neoliberalen Wirtschaftslogik mit ihrem tendenziell ausbeuterischen Arbeitsbegriff. Sie plädiert statt dessen für eine Gesellschaft des Tätigseins:
«Tätigsein ist ein Oberbegriff für die Vielfalt möglicher Arbeiten, inkl. Erwerbsarbeit, für verschiedene Formen von Arbeit, die Menschen nach- oder nebeneinander realisieren (im Sinne von Mischarbeit) und generell für Arbeit, die tätigen Menschen und Gesellschaft als sinnvoll erscheint. Damit diese Tätigkeiten eine größere Bedeutung bekommen können, braucht es verschiedenste umfassende Änderungen im Bereich der Arbeit (Seidl/Zahrnt 2019)».
Eine Tätigkeits-Gesellschaft dank und nach Corona könnte demnach jene Lebensform werden, welche gleichermassen eine angemessene Wertschätzung der Care- und Reproduktionsarbeit gewährleistet, ökologische Nachhaltigkeit sichert und die Eigenständigkeit und Resilienz regionaler Wirtschaft fördert. Dabei gilt es, die Menschen im Globalen Süden nicht aus den Augen zu verlieren: «Deshalb muss es nach einer Hilfe zur Bewältigung der Pandemie Ziel der sozio-ökologischen Transformation sein, die Lebens- und Arbeitsbedingungen dieser Menschen zu verbessern, und gleichzeitig auch die aktuelle globale Abhängigkeit und Interdependenz auf ein Maß zu verringern, das die gesellschaftliche und ökonomische Resilienz der Systeme sowohl im Globalen Norden wie Süden erhöht».
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Irmi Seidl ist Leiterin der Forschungseinheit Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Sie lehrt zu Ökologischer Ökonomik an der Universität Zürich und der ETH Zürich, mit dem Schwerpunkt inter- und z.T. transdisziplinäre Umweltforschung.