Die englische Financial Times unterzieht Anders Tegnells Strategie im Umgang mit Covid-19 einer kritischen Beurteilung.
Er selber gibt detailliert Auskunft über den schwedischen Weg und spart dabei auch nicht mit Kritik an den Strategien der Länder, die rigorose Lockdowns verfügten.
Auffallend an der Herangehensweise der Schweden war und ist, dass sie Schulen, Läden, Restaurants, Fitnesscenter und Grenzen nie schlossen und nicht wie viele andere Länder mehr oder weniger dem Beispiel Chinas folgten.
Heute prophezeit der Architekt von Schwedens sanfterer Vorgehensweise, dass sein Land wahrscheinlich «eine geringe Verbreitung» mit gelegentlichen lokalen Ausbrüchen haben werde. In anderen Ländern könnte es kritischer werden. Diese seien anfälliger für neue Spitzenwerte. Dies vor allem, wenn sie keine genug grosse Immunität aufgebaut hätten, die wie eine Bremse wirken kann.
Er argumentiert, dass die Immunität zumindest teilweise für den aktuellen, starken Rückgang der Fälle in Schweden verantwortlich sei und fragt, wie es den Nachbarn ohne die Immunität ergehen werde: «Was schützt Kopenhagen heute? Wir werden sehen.»
Tegnell misstraut, wie er erklärt «einfachen Lösungen für komplexe Probleme» und meint damit auch die Maskenpflicht. Seine Abneigung gegen Lockdowns ist offensichtlich, denn dabei werde ein Hammer benutzt, um eine Fliege zu töten.
Stattdessen gehe es ihm darum, eine Strategie zu entwickeln, die bei Bedarf jahrelang funktionieren kann. «Schliessen – Öffnen – Schliessen» sei eine Katastrophe und auf die Dauer nicht praktikabel. Das gehe vielleicht ein- oder zweimal, aber dann würden die Menschen und die Unternehmen müde und würden unnötig leiden.
Er betont ausdrücklich, dass Schwedens Sonderweg nicht bedeute, dass gar keine Massnahmen getroffen worden seien oder keine Vorschriften gälten.
Die Schweden hätten, genau so wie ihre Nachbarn, aufgehört viel zu reisen. Hotels und Restaurants seien zwar nicht geschlossen, seien aber dennoch stark betroffen. Tegnell verweist auf die Markierungen in Supermärkten, die den Menschen zeigen, wo sie stehen sollen, und auf detaillierte Einschränkungen für Restaurants in Bezug darauf, wie viele Menschen Platz haben und wie sie sie bedient werden.
Die Eile, mit der im restlichen Europa und in den USA Lockdowns beschlossen wurden, erlebte Tegnell «als wäre die Welt verrückt geworden».
Die Schweden hätten halt – wie es im Volksmund heisst – «Eis im Magen», während andere Nationen eher emotional handeln würden.
Tegnell warnt davor einen Impfstoff – wenn und wann er denn kommt – als «silver bullet» zu sehen, und wiederholt: «Ich mag keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme oder daran zu glauben, dass wir, sobald der Impfstoff hier ist, einfach zur Normalität zurückkehren und so leben können, wie wir es immer getan haben.»