In einem Artikel des FOCUS finden zahlreiche Labormediziner Gehör, die sich beklagen, dass wertvolle Tests an die falschen Zielgruppen verschwendet würden.
Ein Leitsatz der offiziellen Pandemie-Bekämpfung «Testen, testen, testen» ist immer umstrittener: Mittlerweile schwanken die Experten zwischen strikt gezielten Tests und Massentests, zwischen PCR- und Schnelltests – oder sie fordern ganz andere Nachweismethoden für eine Covid-19-Infektion.
Der US-Epidemiologe Michael Mina kritisiert in der New York Times den PCR-Test, der in den meisten Länder verwendet wird: Diese Tests würden im Prinzip nur Ja oder Nein als mögliche Ergebnisse bereitstellen. Dabei passiere es, dass nicht-infektiöse Personen positiv getestet würden und in Quarantäne müssten, obwohl sie niemanden anstecken.
Mina fordert eine andere Teststrategie, welche die Infektiosität berücksichtigt. Dabei geht es um den sogenannten CT-Wert (CT steht für cycle threshold = Zyklusschwelle).
Beim PCR-Test wird die Virus-DNA in Zyklen vermehrt. Je weniger davon es bis zum Nachweis braucht, umso höher ist die Virenlast und damit die Ansteckungsgefahr durch den Spender der Probe.
Der US-Mediziner – ebenso wie das RKI – schlägt einen CT-Grenzwert von 30 – 35 für ein Positiv-Ergebnis vor. Bei den verwendeten Tests würde aber auch noch bei 40 das Positiv-Signal aufleuchten.
Welchen großen Unterschied das macht, zeigt ein Beispiel in der New York Times: 794 Positiv- Tests habe ein New Yorker Labor im Juli hervorgebracht. Wäre die Schwelle für den Ct-Wert dort auf 35 gesenkt worden, wäre es nur rund die Hälfte gewesen. Bei einem Grenzwert von 30 wären sogar etwa 70 Prozent der positiven Testergebnisse weggefallen.
Auch die Virologin Isabella Eckerle, Leiterin des Zentrums für Viruserkrankungen an der Universität Genf, hat diese Schwachstelle des PCR-Tests erkannt und erklärt in einem Interview mit der NZZ am Sonntag:
«Viele Infizierte haben noch Wochen nach der Infektion Reste des Erregers im Rachen und werden positiv getestet. Der Messwert sieht hier aber anders aus als bei jemandem, der eine hohe Viruslast hat. Es gibt deshalb Vorschläge, einen Schwellenwert zu definieren.
Leute, die nur schwach positiv getestet werden, müssten dann nicht in Quarantäne, da sie nicht mehr ansteckend sind.
Jeder Test ist aber nur so gut wie der Abstrich. Bei einem schlechten Abstrich detektiert man auch weniger RNA. Trotzdem: Wenn die Fälle im Herbst steigen und viele in die Quarantäne gehen müssen, könnte man sich so etwas überlegen.»