Es gibt in dem Ganzen auch politische Grundentscheidungen, die haben mit Wissenschaft nichts zu tun.
Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Corona-Politik
Liebe Leserinnen und Leser
«Heute sprechen wir bitte einmal nicht über Corona.» Kaum ein Satz hörte ich in letzter Zeit so oft wie diesen. Und dafür habe ich viel Verständnis. Denn: Über Corona ist eigentlich alles gesagt. Und viele Menschen haben mittlerweile einfach keine Lust mehr, ständig von neuen Virusmutationen oder sonstigen Horrorszenarien zu lesen.
Trotzdem: Der Satz verfolgte mich zuletzt immer wieder. Sowohl in der Familie wie auch im Freundeskreis wurde ich schon einige Male gebeten, nicht über «Corona» zu reden. Das gab mir zu denken. Gerade dann, wenn mir dies Kollegen sagten, die vollstes Verständnis für die Massnahmen der Regierung haben. Schliesslich ist es die Regierung, die seit über einem Jahr permanent von Corona redet.
Dabei sprach ich von den Massnahmen der Regierung, von Überwachung, der Rolle der Medien, dem Finanzmarktkapitalismus, der am Ende ist, dem Justizversagen, Korruption, künstlicher Intelligenz, Auswegen aus der Krise – ja, allen möglichen Themen. «Corona» hatte dabei in meinen Augen wenig Platz. Aber «Corona» scheint es geschafft zu haben, dass selbst bis anhin kritisch denkende Menschen den Blick aufs Wesentliche vorübergehend verloren haben und jede auch noch so stumpfsinnige Aussage von Regierungen übernehmen.
Darunter die Behauptung: die «Pandemie»-Massnahmen sind alternativlos, also brauchen wir nicht darüber zu diskutieren. Einige meiner linken Kollegen, die jahrelang den Neoliberalismus bekämpften, der zu Elend, Armut und zunehmender sozialer Ungleichheit geführt hat, sehen plötzlich die Notwendigkeit härtester Massnahmen. Die Bekämpfung der «There is no alternative»-Ideologie (Margaret Thatcher) war gestern. Für mich grenzt dies an Realitätsverweigerung. Probleme werden verdrängt. Doch das Verdrängen von Problemen hat noch nie zu einer Verbesserung geführt.
Aber zurück zum Ausgangssatz: Nein, wir müssen nicht mehr über «Corona» reden. Doch wir müssen schleunigst über Wege nachdenken, wie wir aus dem gegenwärtigen Schlamassel rauskommen, ohne dass wir demnächst nur noch in isolierten Parallelwelten leben ohne jegliche gemeinsame Basis. Denn etwas ist auch klar: So wie jetzt kann es nicht weitergehen.
Herzliche Grüsse
Rafael Lutz