Es liegt auch an den Kirchenleuten, dass die derzeitigen Proteste in unseren Ländern friedlich bleiben. Und das ist keine vordergründig politische, sondern eine zutiefst biblische Aussage.
Immer mehr Menschen sind mit ihrer Geduld am Ende. Die Proteste auf der Strasse haben sich ausgewachsen zu einer Volksbewegung. Pauschale Verleumdungen ihrer Teilnehmer laufen zunehmend ins Leere und offenbaren nur noch die Geistlosigkeit ihrer Absender.
Wut und Enttäuschung haben zugenommen. Werden sie sich weiterhin friedlich äussern? Was trägt dazu bei, dass sie gewaltfrei bleiben? Zum einen sicher die genannte Breite und Tiefe der Bewegung. Denn diese Menschen bringen keinen aggressiven Grundzug mit. Ihre guten Absichten alleine prägen bereits die Atmosphäre.
Zum zweiten auch das vielerorts zunehmende Wohlwollen der begleitenden Polizei. 10 bis 20 Prozent von ihnen hegen ausgesprochene Sympathien mit den Spaziergängern, schätzen zwei befreundete Polizisten. Das ist viel, zumal wenn und weil darunter auch Einsatzleiter sind.
Einen dritten und nicht unwesentlichen Beitrag können wir Pfarrer dazu leisten. Drei bis vier nur, die so einen Zug begleiten, mit den Beamten sprechen, wo nötig an ein Mikrophon gehen, mit Teilnehmern beten, im Zweifelsfall vermitteln, da und dort einen Spontangottesdienst ausrufen – und sich mit alledem an die Seite derer stellen, die für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Grundordnung Gesicht zeigen.
Bei falscher Zurückhaltung sind die Mahnungen aus der Schrift recht eindeutig:
«Das Schwache stärkt ihr nicht, und das Kranke heilt ihr nicht, das Verwundete verbindet ihr nicht, das Verirrte holt ihr nicht zurück, und das Verlorene sucht ihr nicht; das Starke aber tretet ihr nieder mit Gewalt.»
Hesekiel 34,6
Oder mit den Worten von Jesus: «Wenn diese [meine Jünger] schweigen werden, so werden die Steine schreien.» (Lukas 19,40) Juristisch würde dieses Schreien dann ihren Werfern angelastet, vor Gott aber UNS: als Folge einer Dienstverweigerung.
So weit dürfen wir es nicht kommen lassen. Neulich in Vaduz hatte ich das so ausgedrückt:
Unsere Frage darf nicht lauten: «Wie komme ich jetzt durch (mit meiner Gemeinde oder Anstellung)?», sondern: «Für wen bin ich eigentlich da? Für wen darf und muss ich gerade jetzt da sein?»
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Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft auch an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.
Telegram-Kanal: @StimmeundWort
Website: www.stimme-und-wort.ch
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