«Derzeit werden wir Zeugen, wie ein Weltkrieg mit Russland regelrecht herbeigeredet wird.»
Das stellt der Journalist Marcus Klöckner in der Online-Ausgabe der Schweizer Zeitung Die Weltwoche fest. Er verweist in seinem Beitrag auf Aussagen hochrangiger Funktionsträger aus verschiedenen NATO-Ländern, die «immer unverblümter das Ungeheuerliche» aussprechen.
Klöckner macht unter anderem auf den britischen Armeechef General Sir Patrick Sanders aufmerksam. Der hat Medienberichten zufolge kürzlich die Briten aufgefordert, sich auf einen Krieg mit Russland vorzubereiten. Die Bevölkerung solle «sich auf einen Krieg in der Grössenordnung der grossen Konflikte des 20. Jahrhunderts» einstellen.
In einer Rede verglich der General die Situation in der Ukraine mit den Krisen von 1914 und 1937. Es gehe «nicht nur um die schwarze Erde im Donbass oder um die Wiedererrichtung eines russischen Imperiums, sondern um die politische, psychologische und symbolische Niederlage unseres Systems und unserer Lebensweise», wird Sanders zitiert. Und: «Die ukrainische Tapferkeit verschafft uns Zeit, vorerst.»
Auch der ehemalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg äusserte sich laut Klöckner in der Bild-Zeitung ähnlich. Guttenberg habe von der «verdammten Pflicht», sich auf einen russischen Angriff vorzubereiten, gesprochen. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) habe unlängst ebenfalls vor einem russischen Angriff in einigen Jahren gewarnt und gefordert, die Bundeswehr müsse «kriegstüchtig» werden.
Klöckner weist darauf hin, dass im künftigen NATO-Mitgliedsland Schweden Regierung und Militär der Bevölkerung Angst vor einem Krieg mit Russland machten. «In Schwedens Radiosendungen und TV-Debatten wird die Angst vor dem Krieg besprochen», heisst es dazu in einem Bericht des Online-Magazins Overton. Betroffen seien vor allem die Jüngsten.
Carl-Oskar Bohlin, Minister für Zivilverteidigung, hat demnach Anfang Januar im schwedischen Fernsehen gesagt: «Es kann Krieg in Schweden geben.» Er habe schlaflose Nächte, da die Vorbereitungen auf einen russischen Angriff im zivilen Bereich zu langsam seien.
Der Politiker der bürgerlichen «Moderaten» habe den Vergleich mit der Ukraine gezogen. Die könne sich gegen Russland nur deshalb so lange wehren, da die Gesellschaft auf den Angriff vorbereitet gewesen sei. «Alle Schweden müssen sich mental darauf vorbereiten, dass es Krieg gibt», habe kürzlich auch der Oberbefehlshaber der schwedischen Streitkräfte Michael Byden auf der Sicherheitskonferenz «Volk und Verteidigung» erklärt und dabei brennende Häuser in der Ukraine gezeigt.
Klöckner macht in der Weltwoche online darauf aufmerksam, dass die politische Kriegstreiberei flankiert wird von entsprechenden Beiträgen in den Medien. Die würden ebenfalls den weiteren Ausbau der «Verteidigung» wünschen und behaupten, ein Krieg zwischen NATO und Russland sei mittlerweile «denkbar».
Ein Beispiel ist das Interview der Online-Ausgabe der Zeitung Die Welt am Freitag mit dem «Militärforscher» Fabian Hoffmann, der den Angaben nach am Oslo Nuclear Project (ONP) an der Universität Oslo forscht. Der behauptet dabei unter anderem:
«Man kann nicht einfach davon ausgehen, dass Putin an der NATO-Grenze haltmachen wird.»
Der sogenannte Experte sieht «tatsächlich die Gefahr, dass Putin in zwei bis drei Jahren so weit sein könnte, dass er auf dumme Ideen kommt». Das begründet er mit allerlei Vermutungen und Deutungen, aber ohne handfeste Belege. Moskau könne motiviert sein, «noch viel mehr Druck auf uns auszuüben», weil der Westen so zögerlich bei den Waffenlieferungen an die Ukraine aus Angst vor einem Konflikt mit Russland sei.
Hoffmann plädiert dafür, dass die NATO wieder in «Vorwärtsverteidigung» investieren müsse, einer Strategie der NATO im Kalten Krieg. Er fordert eine Debatte über Kriegsszenarien und erklärt im Interview:
«Es ist sehr wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass die Zeiten von Frieden und Wohlstand in Europa erst einmal vorüber sind.»
Der Krieg sei auf den europäischen Kontinent zurückgekehrt, «zunächst nur zwischen Russland und der Ukraine, aber ich sehe durchaus plausible Szenarien, in denen wir auch in einen direkten Krieg mit Russland involviert werden können», so der Militärexperte. Er sei besorgt, dass politische Entscheidungsträger und die Gesellschaft das nicht wahrhaben wollen.
Gerade gebe es einen «Wandel, der ein bisschen von oben herab gesteuert werde – einen Bundesverteidigungsminister, der wieder von Kriegstüchtigkeit spricht zum Beispiel». Hoffmann wünscht sich, «dass die Gesellschaft dafür offen ist und nicht erst mal als Schutzreaktion komplett dichtmacht». Er empfiehlt Deutschland eine «schnelle und entschiedene Aufrüstung» in allen Bereichen.
All diese Kriegstreiber verschweigen und ignorieren Fakten und Zusammenhänge, auch jene zu der Frage, wie es zum Krieg in der Ukraine gekommen ist. Sie ignorieren auch Tatsachen wie jene, die NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am 23. Januar in Brüssel aussprach: «Wir sehen also keine direkte oder unmittelbare Bedrohung gegen einen NATO-Verbündeten.» Aber es werde beobachtet, was Russland tue und deshalb die «Wachsamkeit, unsere Präsenz im östlichen Teil des Bündnisses erhöht».
Klöckner stellt in seinem Weltwoche-Beitrag fest:
«Und so gehen Aussagen dieser Art reihum. Auffallend: Die Begriffe Frieden und Verhandlungen fallen so gut wie nie. Warum?»
Kommentare