«Die USA haben als einziger wichtiger Staat kein Aussenministerium, sondern ein State Departement. So sind die nächsten wie fernsten Territorien der Erde im national interest mögliche Staats-, Einfluss- und Herrschaftsgebiete.»
An dieses Element der globalen US-Dominanz erinnert der Publizist Werner Rügemer in seinem neuen Buch: «Verhängnisvolle Freundschaft – Wie die USA Europa eroberten. Erste Stufe: Vom 1. zum 2. Weltkrieg». Darin beschreibt er die geschichtlichen Vorgänge, «wie die USA Europa eroberten», als «verhängnisvolle Freundschaft», wie bereits der Titel verrät.
Rügemers Buch ist nicht nur eine Analyse der Entwicklungen, welche die USA spätestens nach 1991 zur «einzigen» Weltmacht» (Zbigniew Brzezinski) machten. Es ist zugleich ein Geschichtsbuch über den Weg der USA seit ihrer Gründung hin zur globalen Dominanz. Darin enthalten sind viele Details, die in den offiziellen Darstellungen und vom Medienmainstream heute verschwiegen werden.
Der Autor zeigt nicht nur auf, wie die herrschenden Kreise der USA, vor allem das Finanzkapital, den Ersten Weltkrieg nutzten, um sich den europäischen Kontinent untertan zu machen. Er erinnert auch daran, wie sich der US-amerikanische Expansionismus bereits zuvor entwickelt hatte und wie er sich vom amerikanischen Doppel-Kontinent in andere Weltregionen ausbreitete.
Das belegt Rügemer mit zahlreichen Quellen, die im deutschsprachigen Raum mehrheitlich unbekannt sind oder von anderen Autoren zum Thema ausgelassen werden. Und er schreibt Klartext. So etwa, wenn er feststellt, dass das Land heute «die grösste Bedrohung für das friedliche Wohlergehen und die Zukunft der Menschheit und des Planeten darstellt».
Als Grund dafür sieht er den US-amerikanischen Anspruch, «die ordnende und auf allen Ebenen die gewinnende ‹einzige Weltmacht› zu sein». Daher auch die Bezeichnung «State Departement»:
«Dem US-Staat geht es mit und seit der Gründung nicht darum, gleichberechtigte Beziehungen zu anderen Staaten zu entwickeln, sondern den Kapital-Staat USA auszuweiten und seine verschiedenen Einfluss-, Aneignungs- und Machtpraktiken in anderen Staaten zu verankern.»
Wie dies bis zum Zweiten Weltkrieg geschah, beschreibt der Publizist ausführlich. Er betont, dass die übliche Übersetzung von «State Departement» als US-Aussenministerium «falsch und beschönigend» sei.
Rügemer zeigt ebenso, warum die verkündeten Ansprüche der USA, Hort der Demokratie und Freiheit zu sein, reine Demagogie sind. Selbst die eigene Verfassung von 1787 werde von Beginn an gebrochen. Dies zeige auch der Amtseid der US-Präsidenten seit George Washington mit der Formel: «So help me god».
In der Verfassung gebe es keinen Gottesbezug, sie beginne stattdessen aufklärerisch, demokratisch und weltlich mit: «Wir, das Volk». Nur ein US-Präsident habe bisher auf die Verfassung statt auf die Bibel geschworen: Quincy Adams im Jahre 1825.
Auch Barack Obama bildet diesbezüglich keine Ausnahme. So setzte er auch bis ins 21. Jahrhunderte die Kriegspolitik seiner Vorgänger fort und wurde sogar zum US-Präsidenten mit den meisten Kriegen in der eigenen Amtszeit.
Rügemer beschreibt in den acht Kapiteln seines Buches unter anderem, wie die USA mit dem Ersten Weltkrieg das erste Mal Europa eroberten. Damals seien es vor allem die US-Banken gewesen, die begonnen haben, was mit dem Zweiten Weltkrieg beendet worden ist: die Übernahme (West)-Europas.
Zuvor hatten die US-Banken mit der Gründung der von ihnen kontrollierten FED es geschafft, den staatlichen Einfluss durch eine Zentralbank auf ihr Handeln zu verhindern. Der Publizist macht auf einen weitgehend übersehenen historischen Fakt aufmerksam:
«Der finanziell-wirtschaftliche Eintritt der USA in den 1. Weltkrieg bereits mit dessen Beginn wird in der europäischen Öffentlichkeit bis heute verdrängt.»
Dieser Kriegs-Eintritt geschah durch Kredite sowie Waffen- und Materiallieferungen an beide Seiten des Gemetzels auf dem europäischen Kontinent.
«Die USA liessen so die Verbündeten und deren Feinde in Europa zunächst einen lukrativen Stellvertreterkrieg führen. Und die europäischen Kapitalisten machten ebenfalls gern mit.»
Die Kriegsfinanzierung habe eine Logik eingeleitet, so Rügemer, die 1916, als kurzzeitig ein Kriegsende möglich schien, die Fortführung des Krieges und den militärischen Kriegseintritt der USA erforderte: «Die Verbündeten mussten gewinnen bzw. Deutschland durfte nicht gewinnen.»
Ein weiterer Grund für die Fortführung des Krieges sei die Aussicht auf die Profite durch den Wiederaufbau der zerstörten Länder und Wirtschaften gewesen. Dieses Geschäftsmodell habe auch im und nach dem Zweiten Weltkrieg und in allen folgenden Kriegen der USA eine treibende Rolle gespielt.
Rügemer beschreibt diese Entwicklung ebenso wie die nach dem Kriegsende 1918, als sich die US-Banken und -Konzerne in Europa und besonders in Deutschland breitmachten. Das führte nicht nur dazu, dass US-Gelder dem aufkommenden Faschismus in Italien und Deutschland zugute kamen, sondern auch dazu, dass US-Unternehmen auch im Zweiten Weltkrieg an beiden Seiten verdient haben.
Der Autor erinnert an die Begeisterung US-amerikanischer Konzernchefs und Politiker, aber auch solcher in Europa, für den sich auf dem Kontinent ab den 1920er Jahren ausbreitenden Faschismus. Gemeinsame Basis sei die Unterdrückung der sozialen Interessen der Arbeitenden sowie der Antikommunismus gewesen. Ebenso das Ziel, die kommunistische Sowjetunion zu bekämpfen.
Die USA hätten nach dem Ersten Weltkrieg «eine demokratische Friedensordnung für Europa und die Welt verkündet. Doch sie hätten stattdessen das Gegenteil organisiert, «mit sich als Zentrum», so Rügemer.
Für ihre eigenen Interessen hätten sie zuvor und danach selbst nicht vor Völkermord zurückgeschreckt, wie sie auch kein Problem hatten, völkermordende Regime zu unterstützen. Sie hätten ein eigenes internationales System aufgebaut, zuerst erneut den Völkerbund und nach 1945 die UNO. Auch im Zweiten Weltkrig sei das «Hauptkriegsziel» gewesen:
«Den Boden bereiten für den kollektiven, von den USA geführten, erweiterten Imperialismus.»
Das operative militärische Ziel sei zweigeteilt gewesen:
«Deutschland sollte militärisch besiegt und wirtschaftlich erschlossen werden. Zugleich und mithilfe Hitler-Deutschlands sollte der Systemfeind Sowjetunion weitestgehend geschwächt werden – er war der wichtigste Repräsentant der gefürchteten internationalen Arbeiterbewegung und des alternativen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems Sozialismus.»
Bei diesem Ziel waren sich die Kapitalisten der Alliierten einig, wie der Autor zeigt und belegt. Und er fügt hinzu:
«Deshalb sollten sich Deutschland und ‹Russland› möglichst soweit wie möglich gegenseitig zerstören.»
Aus Sicht von Rügemer begann deshalb auch der «Kalte Krieg» nicht erst nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern schon vor dessen Beginn mit der Münchner Appeasement-Konferenz 1938. Vor allem die USA und Grossbritannien hätten alle Versuche der sowjetischen Führung abgelehnt, Bündnisse gegen das aufrüstende und kriegswillige Hitler-Deutschland zu schliessen.
So sei nicht nur die faschistische Wehrmacht auch mit westlicher Hilfe aufgerüstet worden, «wodurch die Rote Armee soweit wie möglich vernichtet werden sollte». Deshalb sei auch die sogenannte Zweite Front so spät wie möglich eröffnet worden, im Frühjahr 1944, als der Sieg der Sowjetunion über das faschistische Deutschland klar gewesen sei.
«Der ‹Kalte Krieg› ist eines der findigen Narrative, mit denen die US-Fake-Industrie die US-Praktiken seit dem 2. Weltkrieg bis heute verschleiert», so Rügemer. Er macht in seinem Buch darauf aufmerksam, wie sich die Grundlinien der beschriebenen Entwicklung bis heute zeigen.
Es gebe einen «weiterdauernden Systemkonflikt», schreibt er, der sich im heutigen Kampf der herrschenden US-Kreise gegen Russland zeige, das wieder zum «Todfeind» wurde. Das eigentliche Ziel, die Eroberung Eurasiens, «also zusätzlich ganz Russlands», bleibe bestehen, weshalb die US-geführte NATO immer weiter an die russischen Grenzen vorgerückt sei.
Die NATO-Osterweiterung sei die fortgesetzte Eroberung Europas durch die USA, stellt der Publizist klar. Dem diene die Übernahme und der Ausbau der Ukraine «nach modernisiertem Hinterhof-Muster» als US-Bastion gegen Russland.
Das Buch ist ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung und zum Verständnis dessen, was seit mehr als 100 Jahren in Europa und weltweit geschieht. Es belegt, was der Autor am Ende feststellt:
«Die Abkopplung vom US-Muster ist überlebensnotwendig, jedenfalls für die übergrosse Mehrheit der Menschen auf allen Kontinenten.»
Buchtipp:
Werner Rügemer: «Verhängnisvolle Freundschaft – Wie die USA Europa eroberten. Erste Stufe: Vom 1. zum 2. Weltkrieg»
Papyrossa Verlag 2023. 324 Seiten; ISBN 978-3-89438-803-4. 22,90 Euro
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