Der Bericht der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Schweizer Parlaments zu den sogenannten Corona-Leaks wirft einen Schatten auf den für die Gesundheit zuständigen Innenminister, Bundesrat Alain Berset. Das berichteten die Tamedia-Zeitungen.
Obwohl keine konkreten Beweise dafür vorliegen, dass er von den Indiskretionen in seinem Innendepartement wusste oder sie tolerierte, zeichnet der über hundertseitige Bericht ein düsteres Bild. Die Untersuchung der GPK hat zwar keine klaren Belege gefunden, dass die Quelle der Corona-Leaks im Eidgenössischen Departement des Inneren (EDI) von Alain Berset lag, aber es herrschte Misstrauen auf höchster Ebene.
Während der Corona-Krise wurden mindestens 38 Bundesratssitzungen durch vertrauliche Informationen kontaminiert, die dann in grossen Verlagshäusern wie Ringier, Tamedia, NZZ oder CH-Media auftauchten. Alain Berset beteuerte bei der GPK-Anhörung, nichts von den Indiskretionen gewusst zu haben. Dennoch zeigten sich Skepsis und ein Vertrauensverlust innerhalb des Bundesrats. Einige Departementsvorsteherinnen und -vorsteher gingen davon aus, dass die Leaks aus dem EDI stammten, und es herrschte zeitweise ein geschädigtes Arbeitsklima.
In der Öffentlichkeit hat vor allem der direkte Draht der Ringier-Medien, dem Herausgeber der Boulevardzeitung Blick, ins Innendepartement Aufsehen erregt. Der Blick wusste öfters im Voraus, welche Massnahmen geplant waren und konnte Massnahmen fordern. Beide Seiten, der Blick und das Innendepartement, spielten sich somit die Bälle zu. Von unabhängigem Journalismus konnte nicht mehr die Rede sein.
In diesem Zusammenhang musste bereits der Kommunikationschef von Alain Berset, Peter Lauener, seinen Hut nehmen. Laut der Untersuchung der GPK hat Bundespräsident Alain Berset vom regelmässigen Kontakt seines früheren Kommunikationschefs Peter Lauener mit dem Ringier-CEO gewusst.
Der Blick versucht, sich damit herauszureden, dass bei diesen Kontakten nichts Indiskretes weitergegeben wurde. Die Neue Züricher Zeitung schrieb jedoch, dass das Vertrauen in Alain Berset innerhalb des Bundesrats nach zwei Jahren Pandemie völlig zerstört gewesen sei. Damit erhärtet sich auch der Verdacht, dass der frühe Rücktritt des Freiburger Sozialdemokraten auf Ende 2023 etwas mit den Indiskretionen zu tun haben könnte.
Die Auswirkungen der Leaks sind bis heute spürbar. Die Zahl der als geheim eingestuften Geschäfte im Bundesrat stieg an, und Bundesräte reduzierten ihre Mitberichte aus Angst vor Indiskretionen. Der ehemalige SVP-Bundesrat und Finanzminister Ueli Maurer berichtete, dass seine Mitberichte fast systematisch geleakt wurden, was dazu führte, dass er sie selbst schrieb, um das Risiko zu minimieren.
Die Leaks betrafen hauptsächlich das Innendepartement und das Finanzdepartement. Gemäss der GPK gab es in anderen Departementen keine aktenkundigen Lecks. Die Motivation hinter den Indiskretionen wurde als politisches Instrument beschrieben, entweder um Nutzen zu erzielen oder um einem Mitglied des Bundesrats zu schaden.
Alain Berset verteidigte sich, indem er argumentierte, dass die Indiskretionen vor allem seinem eigenen MInisterium, den in der Corona-Zeit bezüglich Gesundheit federführenden Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) schadeten und dessen Arbeit massiv erschwert hätten. Das EDI reichte schliesslich selbst in zwei Fällen Strafanzeige gegen unbekannt ein. Berset nannte viele mögliche Quellen der Leaks, darunter Personen aus der Verwaltung, Mitglieder des Covid-19-Steuerungsausschusses, Generalsekretäre und andere Stakeholder.
Berset behauptete auch, dass die Indiskretionen zu Morddrohungen gegen ihn geführt hätten. Die GPK fand jedoch dieses Narrativ «nicht nachvollziehbar» und konnte keine klare Kausalität zwischen den Indiskretionen und den Drohungen gegen Berset und seine Familie feststellen.
In der Schweiz werden die Bundesräte, also die Landesregierung, für vier Jahre vom Parlament gewählt. Eine vorzeitige Abwahl ist nicht möglich.
Hier dazu der Kommentar von Christoph Pfluger