Genau hinschauen und sich gut hineinspüren lohnt sich meistens und sich die Frage stellen: Wem kommt mein Einsatz zugute – dem Staat oder den Menschen?
Diese Frage ist eigentlich eine Schande, besser gesagt: Sie sollte eine Schande sein in einem Staatswesen und für Staatsbedienstete, die sich als Helfer für die Menschen verstehen. Die derzeitige Nachwuchs-Kampagne der Aargauer Polizei appelliert an dieses Ethos. Warum er immer noch dabei sei, wird dort ein Michael mit 24 Dienstjahren gefragt. «Weil Helfen glücklich macht!» antwortet er.
Staatsdienst als Dienst am Menschen – so ist das auch gedacht. Im berühmten 13. Kapitel des Römerbriefs fasst das Paulus in einem einzigen Wort zusammen: «leitourgoi» seien diese Menschen, üblicherweise wiedergegeben mit «Diener». Fast um noch eins draufzusatteln, spricht Paulus generell «Menschen mit Befugnissen» als «Diener Gottes» an; Römer 13,6. Hoppla!
Wem hier vor Stolz die Brust in der Uniform schwillt, der ist allerdings schlecht beraten. Denn diese Dienstbezeichnung ist kein Titel, sondern eine Vorgabe, ein Anspruch. Leitourgoi, das sind – wörtlich übersetzt – «für das Volk Tätige» und als solche dann «Gottes Diener». Und:
«Es gibt keine Vollmacht außer einer Gott unterstellten.» Römer 13, Vers 1
Ist das so: Gott unterstellt? Oder wie verstehen sich unsere Richter, Polizisten, Staatsanwälte, unsere Mitglieder von Parlamenten, die Angestellten in Gesundheitsämtern und KESB-Vertretungen, unsere Ärzte? Wem sie sich letztlich unterstellt wissen, das zeigt sich daran, ob der Einsatz den Menschen zugute kommt oder einfach einer Ordnung um der Ordnung willen.
Wenn eine neue Anordnung auf dem Tisch landet, ein Befehl ausgegeben wurde, ein Entscheid «von oben» umzusetzen sei: Steht ihr da jeweils im Dienste der betroffenen Menschen oder seid ihr in erster Linie einem Machtgefüge zudiensten? Wohl dem, der hier nicht unterscheiden muss.
Müssen aber viele, besser gesagt: Sollten sie. Ein Richter, der Kindern zum Atmen verhelfen will – verdient er drei Jahre Gefängnis? Ein Arzt, der sich gradlinig für sein erstes Gebot, «vor allem nicht zu schaden», eingesetzt hat – warum war er über ein Jahr lang eingesperrt? Eine Mutter, die ihre Fürsorge für ihre Kinder ernstnimmt und sie vor einer umstrittenen Impfung bewahren will – mit welchem Recht zwingt ein Gericht die an die Spritze? Warum decken oberste Gerichte «ihre» Regierung, statt ehrliches Gegenüber zu sein?
Denken ist erlaubt, besser gesagt: Es ist geboten. Nach dem deutschen Bundesbeamtengesetz, Par. 63.1, tragen «Beamtinnen und Beamte (...) für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung». Sie dürfen sich verweigern, wenn beispielsweise «das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt»; Recht statt Gesetz oder Befehl.
Und die Polizei des Kantons Zürich achtet laut ihrem Polizeigesetz, Parr. 8.1 und 10.3, «die verfassungsmässigen Rechte und die Menschenwürde des einzelnen». Ihre Massnahmen «dürfen nicht zu einem Nachteil führen, der in einem erkennbaren Missverhältnis zum verfolgten Zweck steht».
Zwei Beispiele nur aus Bestimmungen, die für viele stehen; andere «Bedienstete» haben ähnliche Vorgaben. Die Maßstäbe sind also hoch, und sie sind gut. Aber sie bewahren nicht von selbst vor den oben erwähnten Entgleisungen.
Diener des Staates oder Diener der Menschen? Über die sogenannten Leiturgien war im alten Athen beides eng miteinander verzahnt. Ein allgemeines Steuerwesen kannte man nicht, und so wurden wohlhabende Bürger für Dienstleistungen an der Gemeinschaft mehr oder weniger herangezogen; jedoch nicht ohne eigenem Prestigegewinn.
Hinweise auf die Menschenwürde, unterstrichen von eindeutigen Vorgaben wie dem oben zitierten Beamtengesetz, sollten heutzutage Auswüchse an Macht und Selbstgefälligkeit begrenzen und Menschen und Staat zusammenhalten. Resultiert daraus für den einzelnen ein höheres Ansehen? Vielleicht. Auf jeden Fall führt es zu einem Vertrauensgewinn.
Wie um noch eins draufzusatteln, weise ich auf das viel grössere Ethos hin, das mit ausführenden Aufgaben jeglicher Art verbunden ist: das reine Gewissen, wenn man sich in der Ehrfurcht vor den Menschen als Bediensteter von deren Schöpfer erwiesen hat. – Alle Achtung!
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Wort zum Sonntag vom 17. September 2023: Jugend, die mitdenkt
Wort zum Sonntag vom 23. April 2022: Polizei und Dienst und Bibel
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.
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