Wenn Menschen für ihre Tätigkeiten geehrt werden, schwingt vermehrt auch eine Botschaft mit. Das ist insbesondere in diesen kriegerischen Zeiten der Fall. Der Friedensnobelpreis macht da keine Ausnahme. So wurde er beispielsweise letztes Jahr gleich drei Mal an Personen und Organisationen verliehen, die sich klar gegen Russland positioniert haben. Diese scheuen sich zum Teil sogar nicht, für Waffenlieferungen an die Ukraine zu plädieren (wir berichteten hier und hier).
Auch Preise an Journalisten fügen sich vermehrt in ein Propaganda-Muster ein. Diese Woche wurde nun bekannt, dass der Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis an die ARD und an das ZDF verliehen wird. Geehrt werden Elmar Theveßen und Ina Ruck, wie die Zeit berichtete. Ausserdem wurden drei ukrainische Chefredakteurinnen mit einem Sonderpreis ausgezeichnet.
Der Preis gehe seit 1995 an «kritische und parteiunabhängige Journalistinnen und Journalisten», so die Zeit. Benannt ist er nach dem Reporter und «Tagesthemen»-Moderator Hanns-Joachim Friedrichs, der in jenem Jahr verstorben ist. Eine berühmte Aussage Friedrichs’ wurde zum Motto des Preises:
«Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.»
Den Preis erhielten dennoch meistens Journalisten und Moderatoren der ARD und des ZDF. Dieses Jahr werden sie ihn am 16. November im WDR-Funkhaus in Köln entgegennehmen.
Die Jury lobte, Ina Ruck gehöre als Leiterin des ARD-Studios in Moskau «seit Jahrzehnten zu den besten, mit beeindruckendem Hintergrundwissen und brillanter Sprachkenntnis ausgestatteten Journalistinnen und Journalisten, die von dort berichten».
Theveßen attestierte die Jury «souveräne Sachkenntnis mit scharfem Blick für die grossen Zusammenhänge» während seiner «bemerkenswerten Karriere» im Nachrichtenjournalismus und auf Entscheidungsebenen der ZDF-Zentrale.
Werfen wir also einen kurzen Blick auf die leuchtende Berichterstattung dieser Koryphäen des Journalismus.
Bei Phoenix informierte Ruck am 18. Januar 2023 über eine Pressekonferenz in Moskau. Der russische Aussenminister Sergei Lawrow habe dort gesagt, «dass der Krieg in der Ukraine das Ergebnis einer jahrelangen Vorbereitung der USA und ihrer Satellitenstaaten sei». Man habe lange vorbereitet, die Ukraine für einen hybriden Krieg gegen Russland zu nutzen, «den quasi die ganze Welt gegen Russland führe». Ruck kommentierte das wie folgt:
«Lauter so Dinge, wo einem dann in dieser Pressekonferenz echt die Spucke wegbleibt und man gar nicht mehr weiss, was man da überhaupt noch fragen soll.»
Ein Tipp: Ruck hätte beispielsweise fragen können, was Lawrow damit genau meint. Dann hätte sie erfahren, dass diese «Dinge» durchaus auf Tatsachen beruhen, auch wenn sie propagandistisch gewürzt sein mögen.
Der renommierte US-amerikanische Ökonom Jeffrey Sachs ist zum Beispiel überzeugt, dass der Krieg in der Ukraine von den USA provoziert wurde (wir berichteten). Er verweist dabei unter anderem auf die NATO-Osterweiterung – trotz des Versprechens der US-amerikanischen und der deutschen Regierung gegenüber dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, sich «nicht einen Zentimeter nach Osten» zu bewegen, wenn die Sowjetunion das Militärbündnis des Warschauer Paktes auflöse.
Sachs erwähnt auch, dass der nationale Sicherheitsexperte Zbigniew Brzezinski im Jahr 1997 den Zeitplan für die NATO-Erweiterung mit bemerkenswerter Präzision festlegte. US-Diplomaten und die ukrainische Führung hätten sehr wohl gewusst, dass die NATO-Erweiterung zu einem Krieg führen könnte.
Ruck scheint ebenfalls unbekannt zu sein, dass 2014 in Kiew ein vom Westen orchestrierter und finanzierter Coup stattgefunden hat.
Die Journalistin mit «brillanter Sprachkenntnis» ist jedenfalls öfters sprachlos. Am 3. März 2022, wenige Tage nach der russischen Invasion in die Ukraine, zeigte sie sich, wieder bei Phoenix, empört. Anlass dafür war eine Äusserung der Sprecherin des russischen Aussenministers, Marija Sacharowa. Sie habe von einem «faschistischen Regime in der Ukraine» gesprochen. Man bekämpfe dort Neonazis. Das sei in Russland die Lesart, so Ruck. Es würden immer Vergleiche «mit dem Zweiten Weltkrieg gegen Faschisten» gemacht. Damit würde die Ukraine «faktisch» mit Hitler-Deutschland gleichgesetzt. Ruck weiter:
«Da fehlen einem beinahe die Worte. Das ist ganz schwer, da überhaupt noch irgendwie zu argumentieren.»
Es ist kaum vorstellbar, dass Ruck, obwohl sie in der journalistischen Mainstream-Blase agiert, völlig entfallen ist, dass in der Ukraine tatsächlich neonazistische Einheiten kämpfen. Sie sind auch massgeblich für die Eskalation im Osten des Landes ab 2014 verantwortlich. Die berüchtigte Brigade Asow wurde sogar in die Nationalgarde integriert. Ausserdem ist neonazistisches Gedankengut insbesondere im Sicherheitsapparat in führende Positionen vertreten. In der Politik stellen Neonazis zwar eine kleine Minderheit dar, allerdings eine laute.
Dass Ruck mehr weiss, als sie preisgibt, darauf lässt auch ein interessanter Vorfall schliessen, über den das Spiegelkabinett informierte. Am 1. November 2018 berichtete die ARD-Tagesschau vom Besuch der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Ukraine. Hauptthema in der Sendung waren die Auseinandersetzungen in der Ostukraine. Bezogen auf Merkels Äusserungen über den Minsker Vertrag, sagte Ruck in der Ausgabe um 17:00 Uhr:
«Es sei ernüchternd, wie wenig erreicht worden sei, sagte sie heute. Direkte Kritik an der Ukraine äusserte sie aber nicht. Dabei verletzen beide Seiten das Minsker Abkommen.»
Das Spiegelkabinett kommentiert:
«Ausgerechnet Ruck, die für gewöhnlich keine Gelegenheit verstreichen lässt, Russland im Gegensatz zu der, die dunkelste Nacht auf das wunderbarste erhellende Fackel der westlicher Freiheit, als Reich der Finsternis und dessen Drang eben diese Fackel mit Landsknechtsstiefeln auszutreten, darzustellen, widerfährt hier wohl in den Augen von ARD-aktuell ein böser Fehler.»
In der Ausgabe um 20:00 Uhr wurde der «Fehler» ausgebügelt. Ruck:
«Seit vier Jahren ist Krieg im Donbass. Von Russland unterstützte Separatisten kämpfen dort gegen ukrainische Soldaten. Ein Friedensabkommen, beschlossen im Weissrussischen Minsk und von Merkel mitinitiiert wird immer wieder gebrochen von beiden Seiten. Vor allem aber von Seiten Russlands.»
Ruck erhielt übrigens schon 2015 bei der Grimme-Preisverleihung eine «Besondere Ehrung» für ihre «unabhängige und hochwertige Auslands- und Krisenberichterstattung aus Russland und der Ukraine».
Mit Scheuklappen und den Blick fest nach Moskau gerichtet, machte sie im Interview mit der Berliner Morgenpost in Russland «eine unglaubliche Propagandamaschinerie» aus. Putin habe «offenbar sehr fähige Kommunikationsberater und Propagandisten, die das Internet und die sozialen Medien geschickt nutzen, um Feindbilder aufzubauen». Sogar die Geheimdienste würden «verwirrende und falsche Informationen» streuen. Als ob all das im Westen nicht geschehen würde und Ruck nicht selbst Teil einer solchen Maschinerie wäre. Die Journalistin weiter:
«Die Russen informieren sich vor allem durch das Fernsehen. Alle TV-Sender aber gehören dem Staat; kritische Töne gibt es nicht. Nehmen Sie beispielsweise die über der Ostukraine abgeschossene Passagiermaschine MH17: Es gibt zwar keine hundertprozentigen Beweise, aber eine klare, plausible Theorie über die Schuldigen an dem Abschuss. Die aber wird in keinem russischen Medium genannt. Stattdessen werden so viele Theorien gestreut, dass man am Ende nichts mehr glaubt. Auch bei uns im Westen ist Russland sehr aktiv. Etwa durch den im Internet empfangbaren und sehr cool gemachten Sender Russia Today, der insbesondere junge Russlanddeutsche beeinflusst.»
Theveßen sieht in Russland Iwan den Schrecklichen
Auch Elmar Theveßen, derzeit ZDF-Studioleiter in Washington, scheint in Russland immer noch Iwan der Schreckliche auszumachen, während im Westen das Volk glücklich regiert. Im März dieses Jahres hielt er in Mainz beispielsweise einen Vortrag mit dem Titel: «Autoritarismus gegen Demokratie – Russlands Krieg gegen die Ukraine».
Die Veranstaltung wurde vom «Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz Mainz», der Volkshochschule Mainz, dem Wochenschau Verlag und dem Politische Bildungsforum Rheinland-Pfalz der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. organisiert. An der anschliessenden Podiumsdiskussion nahm unter anderem der Generalmajor Markus Kurczyk, Kommandeur des Zentrums Innere Führung der Bundeswehr, teil.
Das «Haus des Erinnerns» erklärt in einem Bericht, Theveßen habe in seinem Vortag «die US-amerikanische Sichtweise auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die Erwartungen der US-Regierung an das europäische Handeln» beschrieben. Seine «klare und bestürzende» Analyse und Einordnung sei:
«Der russische Diktator Putin möchte mit der Ukraine das zweitwichtigste postsowjetische Land im russischen Einflussbereich halten und dessen Integration in die Europäische und Union und in die NATO mit allen Mitteln verhindern. (…) Mit Desinformation, Propaganda, Lügen und ständigen Positionswechseln setze Putin auf die Macht der von ihm kontrollierten oder beeinflussten Medien. Den US-Analysten und internen Quellen der US-Administration folgend, gebe es nur eine Option, transportierte Theveßen: Putin darf damit nicht ‹durchkommen› – die Wiederherstellung eines russischen Grossreichs nach alten Narrativen ist und bleibt inakzeptabel. Die USA würden, so war Theveßen sicher, unter Präsident Biden alles mobilisieren, um diesem aggressiven und völkerrechtswidrigen russischen Grossmachtstreben Einhalt zu gebieten.»
Immerhin sei an der anschliessenden Podiumsdiskussion thematisiert worden, es gebe «auf allen Seiten militärische und auch grundsätzliche darüber hinausreichende Fragen, etwa der Glaubwürdigkeit von Politik, zu klären – auch seitens der westlichen und europäischen Staaten».
Im «Idealfall» müssten dabei «weit mehr als Waffenlieferungen für die angegriffene Ukraine diskutiert und möglichst ganzheitliche Pläne entwickelt werden». Auch dürfe man die globalen Zusammenhänge der zu treffenden Entscheidungen nicht ausser acht lassen. Von grosser Wichtigkeit sei «die Stärkung einer eigenen europäischen Vorstellung von Sicherheitspolitik, (...) in der Werte und Interessen klar benannt und erkennbar würden».
Doch Theveßen teilt auch die USA, von wo aus er berichtet, in gut und böse ein. Wer der Böse ist, macht er in seinem Ende 2020 veröffentlichten Buch «Die Zerstörung Amerikas – Wie Donald Trump sein Land und die Welt für immer verändert» klar. Der herausgebende Piper-Verlag schreibt über das Buch:
«Mit ihrem Einzug ins Weisse Haus haben Joe Biden und Kamala Harris eine Bevölkerung in Aufruhr, ein beflecktes Amt und ein Amerika auf einem steinigen Pfad geerbt. Dafür ist nur einer verantwortlich: der Narzisst Donald Trump. ‹Die Zerstörung Amerikas› (...) ist eine schonungslose Abrechnung mit vier Jahren Trump, eine genaue Analyse der Ereignisse von dessen Wahlsieg bis zum Impeachment, eine Spurensuche zwischen Fake News und Twitter-Rants.»
Fast ungewollt sei «Die Zerstörung Amerikas» zu einer zeitgeschichtlichen Warnung geworden, dass sich eine Ära Trump nicht wiederholen darf, so Piper.
Die Aachener Zeitung fasste zusammen: «Ein Land am Abgrund und ein Präsident ohne Vernunft – es ist keine erbauliche, aber höchst erhellende Lektüre.»
Der Verlag behauptet, Theveßens Buch sei ein Beispiel für «den exakten Gegenentwurf zu Fake News». Es handle sich um «sauberen Journalismus, der keine voreiligen Schlüsse zieht, sondern zum Denken und Hinterfragen auffordert». «Nie wieder Fake News!» , verkündet Piper vollmundig. Schön wär’s.
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