Der Vorwurf des Tagesspiegel wiegt schwer:
«Der Brief, der da Mitte März bei den Kliniken eintrudelte, dürfte bei so manchem Klinikmanager ein Stirnrunzeln verursacht haben. Der Absender war der Bundesgesundheitsminister. Und er forderte die Kliniken auf, alle planbaren Operationen, soweit medizinisch möglich, auf unbestimmte Zeit zu verschieben. So sollten Ressourcen freigemacht werden für den befürchtete Zulauf von Patienten mit schweren Covid-19-Verläufen.»
Die Berliner Kliniken seien der ministerialen Aufforderung nachgekommen, «schließlich sahen sie ein, dass man auf das Schlimmste vorbereitet sein muss». Zu einer Überlastung kam es allerdings nicht, im Gegenteil. Die Sterblichkeitsrate der Hauptstadt Deutschlands liegt seit Ausbruch der Coronakrise bis heute bei gerade mal 0,01 Prozent – aufgerundet. (wir berichteten).
Jetzt wollten die Berliner Ärzte operieren. Doch aus Angst vor Ansteckung ließen sich Tausende von Operationen wohl nicht so schnell nachholen, so der Tagesspiegel.
Berlin ist kein Einzelfall. Ein Zahnarzt aus Wuppertal, der nicht genannt werden möchte, berichtete Corona Transition von dramatischen Zuständen auch in NRW. «Mein bester Freund hätte sich schon vor drei Monaten wegen seinem fortgeschrittenen Blasenkrebs operieren lassen müssen, aber es fand sich bundesweit keine Klinik. Alle angefragten Krankenhäuser operierten wegen Corona nicht», sagte er.
Nicht anders sah es im niedersächsischen Göttingen an der Universitätsklinik aus. Noch im April weigerte sich die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe Termine für Krebsvorsoge-Untersuchungen anzubieten — nicht einmal an gut zahlende Privatpatientinnen, die nach erfolgter Gebärmutterhalskrebs-Operation auf regelmäßige und vor allem pünktliche Kontrollen angewiesen sind.
Was Patientinnen in solchen Lagen erhielten war keine medizinische Betreuung, sondern ein lapidar formuliertes Schreiben der Direktionsassistenz:
«Sehr geehrte Frau ...
sollte es sich bei dem Termin für Sie und Ihre Tochter um einen reinen Vorsorgetermin handeln kann ich Ihnen derzeit leider keinen Termin anbieten. Wir sind auf Grund der derzeitigen Lage angehalten, uns auf Notfall- und Tumorbehandlungen zu beschränken. Ich bedaure Ihnen hier keine andere Nachricht geben zu können.»