Der folgende Beitrag erschien im Original auf Brownstone Institute unter dem Titel «The US has Lost its First-World Status».
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Alles ist schmutzig. Nichts funktioniert. Aber alles ist auch teurer. Und übrigens, man hat keine Privatsphäre mehr.
So beschrieb ich das Leben in den USA einem Freund, der seit etwas mehr als einem Jahrzehnt im Ausland gelebt hatte, als wir uns Anfang des Jahres während seiner kurzen Rückkehr in die Staaten trafen.
«Wir sind kein Erste-Welt-Land mehr», sagte ich ihm und ergänzte: «Hoffentlich stoppt unser Niedergang irgendwo in der zweiten Welt.» Das ist wahrscheinlich das Beste, auf das wir hoffen können.
Beim Abendessen in unserem ehemaligen Stammlokal berichtete er mir, wie sein Leben als Arzt in Polen verläuft. Ich erzählte ihm von meiner Doktorarbeit über die gesundheitlichen Auswirkungen sozialer Isolation. Er erzählte mir vom Zustrom junger US-amerikanischer Soldaten in sein jetziges Wohnsitzland.
Ich beschrieb ihm, wie miserabel es um die Bildung bei uns in Amerika bestellt ist. Der Mangel an Standards. Die Fetischisierung von Boutique-Ideologien (also von Ideologien, die spezielle, ideologische Antworten auf spezielle Probleme bieten). Die obligatorischen Verpflichtungen zur Förderung bevorzugter politischer Ziele.
Dann, nachdem wir einen mittelmässigen Film für Teenager (oder vielleicht für Erwachsene, die sich danach sehnen, wieder Teenager zu sein,) geschaut hatten, schlenderten wir über den leeren Parkplatz der Buchhandlung Barnes & Noble. Diese hatten wir aufgesucht, als er vom College nach Hause gekommen war – und auch in den Jahren unmittelbar danach, als wir noch zu Hause lebten und unsere Bachelor-Arbeiten anfertigten und uns mit den ersten Jobs für Erwachsene beschäftigten.
Ich stand im sterilen Schein der ästhetisch schrillen LED-Lichter, die wirkten wie subtile Symbole für den Fortschritt unseres Landes, und erzählte ihm, wie ich am frühen Nachmittag durch meine Heimatstadt gefahren bin – durch den Ort, in dem ich aufgewachsen bin. Die Stadt, in der wir beide die High School besucht hatten.
Die meiste Zeit meines Lebens kam sie mir vor wie ein stereotyper Vorort der 90er Jahre, ähnlich demjenigen, den man in den frühen Episoden von «Die Simpsons» sah. Wir waren keineswegs Mayberry, aber wir waren ein weitgehend sauberer, friedlicher Ort, bevölkert von Menschen der Mittelschicht, die ihr Leben, so gut sie konnten, lebten.
Ja, mit der Zeit kam es wie überall zu einer Fülle von Veränderungen, meist kleinerer Art. Die Videotheken und Comic-Läden hatten schon vor langer Zeit aufgegeben. Das Kino, in dem ich «Independence Day», «Men In Black» und so viele der anderen grossen Blockbuster meiner Kindheit mit meinem Vater gesehen hatte, hatten sich in ein 24-Stunden-Fitnessstudio verwandelt.
Das Spielzeuggeschäft Toys«R»Us, zu dem mich meine Eltern oder mein Onkel gelegentlich oder zu besonderen Anlässen mitgenommen hatten, um neue Videospiele und Nerf-Waffen zu kaufen, war plötzlich ein indischer Lebensmittelladen. Dennoch, im Grossen und Ganzen haben wir bis weit in die 2000er Jahre hinein viele der Ausstattungsmerkmale, die die Vorstädte der 90er Jahre gekennzeichnet hatten, beibehalten.
Doch auf der Fahrt während dieses Tages wirkte es so, als hätten weitere Geschäfte einfach aufgegeben. Alles schien mit einer dünnen Schmutzschicht überzogen zu sein. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals dort gewesen zu sein, weder in der «Vorher-Zeit» noch auf einer der Reisen, die ich kürzlich unternommen hatte, um meine Familie zu Hause zu besuchen. Es gab auch viel mehr Bettler, als ich jemals zuvor dort gesehen hatte.
Auch wenn es überheblich klingen mag: Bettler und Obdachlose waren in meiner Kindheit immer ein seltener Anblick. Als Kind betrachtete ich sie als ein weitgehend exklusives Merkmal der Stadt und sah sie nur, wenn mein Vater mit unserer Familie einen Ausflug in die Innenstadt zu einem Baseballspiel oder ähnlichem machte. Er tadelte meine Geschwister und mich, wenn er uns dabei erwischte, wie wir eine unhöfliche Bemerkung auf ihre Kosten machten. Dabei wiederholte er die Ermahnungen der Lehrer und Priester meiner kirchlichen Grundschule, die da lauteten, dass Obdachlosigkeit jeden jederzeit wie eine unglückliche Krankheit treffen könne. Ich erinnere mich auch, dass ich ihnen nie ganz geglaubt hatte.
Etwas an den obdachlosen Bevölkerungsgruppen, denen ich als Kind bei diesen seltenen Gelegenheiten begegnete, kam mir immer unbeschreiblich, aber deutlich anders vor. Sicher, einige von ihnen könnten Autoarbeiter gewesen sein, die gute Gewerkschaftsjobs verloren haben, als ihr Werk geschlossen wurde. Ja, einige waren vielleicht Investmentbanker, die in schwere Fahrwasser geraten waren. Aber selbst dann konnte ich erkennen, dass viele von ihnen offenbar mit psychischen Erkrankungen oder einer Sucht zu kämpfen hatten, auch wenn ich diese Konzepte damals nicht vollständig verstand.
Jetzt aber, in meiner Heimatstadt, schien das weniger der Fall zu sein.
Die verlorenen Seelen, die praktisch an jeder grösseren Kreuzung entlang der Hauptstrasse stationiert waren, wirkten in vielen Fällen aussergewöhnlich gewöhnlich – und waren es nur ein paar Jahre oder sogar nur ein paar Monate zuvor vielleicht auch, als ... was? Die Bar, in der sie arbeiteten, wurde von Regierungsbürokraten als unwesentlich erachtet?
Das Restaurant, das sie besassen, musste schliessen, weil alle entweder zu grosse Angst hatten vor der Propaganda, um auswärts zu essen, oder weil sie sich nicht mit all den vielfältigen, von der Regierung vorgeschriebenen performativen Gehorsamshandlungen auseinandersetzen wollten, die von denen verlangt wurden, die sich einfach nur in der Öffentlichkeit zu einer Mahlzeit hinsetzen wollten? Sie haben ihren einfachen Job als Gemeindeangestellter verloren, weil sie sich geweigert hatten, ein Medikament einzunehmen, das sie nicht wollten und in vielen Fällen wahrscheinlich auch nicht brauchten? Andererseits hatten einige vielleicht noch einen Job, hatten aber Mühe, mit dem plötzlichen Anstieg der Lebensmittelpreise Schritt zu halten?
Obwohl ich nicht sagen würde, dass ich mit Problemen zu kämpfen hatte, sagte ich zu meinem Freund, es sei schwierig, nicht zu bemerken, dass meine Tüte mit Brokkoli und Blumenkohl etwas mehr Luft zu haben scheint als vor einem Jahr, und dass mein Hummusbehälter etwas weniger Platz einzunehmen scheint in meinem Kühlschrank, während beide Artikel unerklärlicherweise jetzt einen Dollar mehr kosteten. Und dass man sich nur schwer vorstellen könne, wie jemand, der von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck lebt, insbesondere wenn er eine Familie hat, da mithalten soll.
Mein Freund erinnerte mich daran, dass dies nicht nur für die USA gelte. Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Eier seien in Polen erheblich gestiegen, teilte er mir mit. Da er in unserer gegenwärtigen Zeit des Neustarts und des Wiederaufbaus mehr gereist ist als ich, erzählte er mir auch, dass ihm aufgefallen sei, dass an vielen Orten Toiletten, die nach Geschlechtern getrennt sind, abgeschafft würden. Damit kam er auf unsere vorherige Diskussion über die Fetischisierung von Boutique-Ideologien zurück, auch wenn diese nicht mehr isoliert auf universitärem Boden stattfand.
Seine Worte erinnerten mich an das, was mir ein Kollege erzählt hatte und was ähnlich klang. So war er Anfang des Jahres nach New York gereist und hatte die Stadt als «Gotham» beschrieben: mit geschlechtsneutralen Toiletten, zombifizierten Obdachlosen, die durch die Strassen schlenderten, und mit einem ständigen Geruch von Marihuana in der Luft.
Bevor wir uns für wer weiss wie lange trennten, machten wir eine Fahrt unter den wachsamen Augen der automatischen Nummernschild-Leser, die irgendwann zwischen der Pandemie und unserer aktuellen Reset- und Wiederaufbauphase an praktisch jeder Strassenlaterne angebracht worden waren – weitere unbestreitbare Zeichen für den «Fortschritt» unseres Landes.
Wir sprachen auch über die Zukunft. Mein Freund überlegte, ob er in Polen bleiben oder nach Kanada, wo seine damalige Freundin lebte, ziehen oder in die USA zurückkehren wollte.
Ich sagte ihm, ich wüsste nicht wirklich, wie die Dinge in Polen stünden, aber zumindest seien die USA nicht ganz so explizit totalitär wie Kanada ... noch nicht. Ich sagte ihm auch, dass ich zu der Erkenntnis gekommen sei, dass eine langfristige Karriere als Professor und wissenschaftlicher Forscher für mich möglicherweise keine Option mehr sei, da ich in den vergangenen zwei Jahren viele der politischen Positionen, die die meisten Professoren vertreten, öffentlich kritisiert habe.
Wer an einer Universität lehren oder in den USA wissenschaftlich forschen möchte, muss sich nicht nur zu bestimmen Dingen bekennen, sondern muss sich auch aktiv für sie einsetzen.
Etwas anderes, worüber ich nachdachte während wir herumfuhren oder vielleicht auch als ich später die Gegend hinter mir liess, in der ich so viele prägende Jahre verbracht hatte, war, dass nur sehr wenige Menschen so viele dieser Veränderungen zu bemerken scheinen – oder, wenn sie sie bemerken, sie diese beiläufig als normal akzeptieren.
Eine besondere Situation, die mir gerade in den Sinn kommt, ereignete sich kurz nach meinem kurzen Wiedersehen mit meinem Expat-Freund. So geschah es, dass ich wieder einmal die Hauptstrasse der Stadt entlangfuhr, in der ich aufgewachsen bin. Viele Geschäfte schienen noch immer einfach verlassen zu sein. Alles schien noch immer von einer dünnen Schmutzschicht bedeckt zu sein. An fast jeder grösseren Kreuzung hingen noch immer Bettler herum.
In diesem Fall kehrte ich zurück, um mit meiner Mutter gemeinsam ein kleines Abendessen einzunehmen. Auf dem Heimweg hielt ich bei einem Starbucks-Café an, nicht weit von dem erwähnten indischen Lebensmittelladen entfernt, der früher Toys«R»Us war, in dem ich als Kind mein erstes Mario-Kart-Spiel und als Schüler der Mittelstufe mein erstes Resident-Evil-Spiel bekommen hatte.
Vor dem Starbucks stand eine ältere Frau, die wohl auf der Strasse lebte und ein wenig mehr einer obdachlosen Person, wie ich sie aus meiner Kindheit in Erinnerung habe, glich, als den meisten der scheinbar frischgebackenen Bettler an den Kreuzungen von heute.
Während ich auf meine Bestellung wartete, hörte ich, wie die Baristas mit ein paar Kunden über sie sprachen. Anscheinend war sie immer da und sie schien immer von Dämonen geplagt, die niemand sonst sehen konnte. Manchmal kam sie herein und verursachte in einer Toilette ein Chaos. Manchmal belästigte sie Kunden auf eine Weise, die über die blosse Forderung, man möge ihr ein paar Dollar oder etwas Kleingeld geben, hinausging.
Eine der Kundinnen, mit denen die Baristas sprachen, nickte im Gespräch und erwähnte, dass die Frau in einem Altersheim arbeitete, und fügte mit Nachdruck hinzu, dass der Vollmond bevorstehe. Wie sie meinte, gehe es den alten Leuten immer so, wenn der Vollmond naht. Die Baristas nickten zustimmend.
Als ich das hörte, dachte ich: Wir sind kein Erste-Welt-Land mehr, aber sind wir wirklich ein 1930er-Abbild des Rumäniens des 19. Jahrhunderts? Ich wusste, dass wir im Rahmen der «Neuen Normalität» unverschämte Lebensmittelpreise und eine stetige Bevölkerung von Bettlern und Obdachlosen in unseren Vororten akzeptiert hatten, aber ich wusste nicht, dass wir auch den Mond-Wahnsinn akzeptiert hatten.
Andererseits war ich vielleicht zu pessimistisch und habe offensichtlich positive Aspekte übersehen. Ich meine, soweit ich weiss, war die Toilette, in der diese alte, obdachlose Frau, die unter Mond-Wahnsinn leidet, regelmässig Unordnung machte, geschlechtsneutral. Wenn das kein Zeichen von Fortschritt ist, dann weiss ich nicht, was es ist.
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Daniel Nuccio hat einen Master-Abschluss in Psychologie und Biologie. Derzeit promoviert er in Biologie an der Northern Illinois University und untersucht die Beziehungen zwischen Wirt und Mikrobe. Er schreibt auch regelmässig für The College Fix über Themen wie Covid und psychische Gesundheit.
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