Die Ukraine hat als Reaktion auf Störungen beim Export von Getreide, Verzögerungen bei der Lieferung wichtiger Militärausrüstung und Auswirkungen auf die ohnehin knappen Einnahmen des Landes erfolgreich eine Handelsroute über das Schwarze Meer etabliert. Damit könne das Land die russische Blockade seiner Schwarzmeerhäfen umgehen, wie die New York Times berichtet. Die Route habe bereits den Export von über 10 Millionen Tonnen Fracht per Schiff ermöglicht. Bei der Hälfte davon handele es sich um landwirtschaftliche Produkte.
Das ist mehr als die durchschnittliche monatliche Anzahl von Schiffen, die im Rahmen des von der UNO unterstützten Abkommens mit Russland das Schwarze Meer befuhren. Dieses Abkommen ist im Herbst ausgelaufen und wurde nicht mehr erneuert. Der Grund, warum die Ukraine diese neue Handelsroute rasch etabliert hat, liegt aber nicht im Süden der Ukraine, sondern im Westen.
Quelle: Google Maps
So befinden sich die wichtigsten Grenzübergänge der Ukraine für den Export auf dem Landweg an deren Grenze zu Polen. Und polnische Lastwagenfahrer blockieren seit geraumer Zeit wichtige polnisch-ukrainische Grenzübergänge. Sie machen dabei geltend, dass ihre ukrainischen Kollegen, die nicht an die EU-Regelungen, vor allem betreffend Ruhezeit, gebunden seien, die Arbeitsbedingungen in der Union unterlaufen, wenn sie in EU-Ländern fahren. Ähnliche Probleme hatte es schon vor dem polnischen EU-Beitritt an der polnisch-deutschen Grenze gegeben.
Nach den Parlamentswahlen in Polen im Oktober hatte die bisherige Regierung in Warschau dieses Problem nicht mehr prioritär behandelt. Es obliegt nun dem neuen Ministerpräsidenten Donald Tusk, dafür zusammen mit der Ukraine eine Lösung zu finden.
Die Ukraine hat es in der Zwischenzeit geschafft, besagte neue Schwarzmeer-Handelsroute zu etablieren. Sie verläuft von ukrainischen Schwarzmeerhäfen wie Odessa nahe an der eigenen Küste und dann, ohne dass internationale Gewässer tangiert werden, durch Gewässer der NATO-Länder Rumänien, Bulgarien und Türkei. Kiew hat die Route durch militärische Operationen gesichert und ein Versicherungsprogramm für Schifffahrtsunternehmen aufgelegt.
Still und leise hat sich der Schwarzmeer-Korridor als wirtschaftliche Lebensader des Landes herauskristallisiert, welche die Verluste durch die Grenzblockade ausgleicht. Das Land grenzt an kein anderes Meer. Der Zugang zum Asowschen Meer ist durch die russische Besetzung blockiert.
Die Grenzstörungen an der Grenze zu Polen haben sich dennoch negativ auf die ukrainische Wirtschaft ausgewirkt, und zwar in Form eines geschätzten Verlustes von mehr als 1 Milliarde Euro (1,1 Milliarden US-Dollar). Analysten sind der Meinung, dass der Handel im Schwarzen Meer weiter an Bedeutung gewinnen könnte, wenn sich die neue Route bewährt, auch wenn die Blockade gelöst ist. Das Transportvolumen per Schiff ist viel höher als per LKW und oft ist die Enddestination per Schiff erreichbar wodurch das Umladen entfällt.
Andrii Klymenko, Leiter des Black Sea Institute of Strategic Studies, erwartet aber gemäss der New York Times, dass Russland trotz militärischem Schutz verstärkt Hafeninfrastruktur und Schiffe angreifen wird, um die Nutzung des Korridors zu stören.