Brutal und blutrünstig, ohne jegliche Rücksicht auf Zivilisten – so haben Berichten der Mainstream-Medien zufolge die Qassam-Brigaden der islamistischen Palästinenser-Organisation Hamas am 7. Oktober Israel überfallen. Besonders grausame Verbrechen, wie etwa das angebliche Köpfen von Babys, erwiesen sich inzwischen als Lügen der Gräuel-Propaganda (wir berichteten). Die hatte selbst US-Präsident Joseph Biden wiedergegeben, aber später wieder zurückgenommen.
Allgemein heisst es, dass der Hamas-Angriff nicht nur überraschend gekommen sei, sondern auch besonders rücksichtslos gegenüber der Zivilbevölkerung in den grenznahen israelischen Siedlungen gewesen sein soll. Das könnte eventuell einer genauen Überprüfung nicht standhalten, wie der Augenzeugenbericht einer israelischen Überlebenden zeigt.
Laut dem Portal Electronic Intifada hat Yasmin Porat den Hamas-Angriff auf ein Trance-Festival im Grenzgebiet zum Gaza-Streifen und dann eine Geiselnahme im Kibbuz Be‘eri überlebt. In einem Interview mit dem israelischen staatlichen Rundfunksender Kan vom vergangenen Sonntag habe sie berichtet, dass durch das rücksichtslose Vorgehen des israelischen Militärs viele Zivilisten getötet worden seien.
Israelische Zivilisten seien am 7. Oktober «zweifellos» vom eigenen Militär getötet worden, wird die Frau zitiert. Die israelischen Soldaten hätten sich heftige Feuergefechte mit palästinensischen Kämpfern im Kibbuz Be’eri geliefert und wahllos sowohl auf die Kämpfer als auch auf ihre israelischen Gefangenen geschossen. «Sie haben alle getötet, auch die Geiseln», so die Überlebende im Interview, in dem sie von schwerem Kreuzfeuer und sogar Panzerbeschuss spricht.
Dem Portal zufolge kursiert ein Mitschnitt des Interviews auf Social Media-Plattformen, während es online beim israelischen Sender Kan nicht mehr zu finden sei. Möglicherweise könne es aufgrund seiner Brisanz gelöscht worden sein, heisst es. Zugleich gebe es von Porat Aussagen gegenüber der israelischen Zeitung Maariv sowie gegenüber dem israelischen TV-Sender Channel 12.
Die Autoren des Berichts auf Electronic Intifada schreiben:
«Porat, die aus Kabri, einer Siedlung nahe der libanesischen Grenze, stammt, hat zweifellos Schreckliches erlebt und gesehen, wie viele Nichtkombattanten getötet wurden. Ihr eigener Partner, Tal Katz, ist unter den Toten. Ihr Bericht untergräbt jedoch die offizielle israelische Darstellung, wonach die palästinensischen Kämpfer vorsätzlich und mutwillig gemordet haben.»
Gegenüber dem Sender Kan hat Porat laut Electronic Intifada auch berichtet, sie und andere gefangene Zivilisten seien von den palästinensischen Kämpfern gut behandelt worden. Nach dem Überfall auf den «Nova»-Rave nahe der Grenze hätten sie und ihr Partner noch in den nahen Kibbuz Be’eri fliehen können, wo sie in einem Haus unterkamen. Die Qassam-Kämpfer hätten dann alle von dort in ein anderes Haus gebracht, in dem bereits acht weitere Geiseln und eine tote Person gewesen seien.
Der Tote sei der Hausherr gewesen, der die Tür verschlossen halten wollte, während die Palästinenser auf das Schloss geschossen hätten. Aber ansonsten seien die Geiseln «sehr menschlich behandelt» worden, so Porat gegenüber ihrem überraschten Kan-Gesprächspartner. Niemand sei misshandelt worden.
Die Zivilisten seien nur bewacht worden, hätten Trinkwasser bekommen und seien von den Kämpfern beruhigt worden, dass sie nicht getötet würden. «Sie waren sehr menschlich zu uns», wird die Überlebende zitiert. «Sie sagten uns, dass wir nicht sterben würden, dass sie uns nach Gaza bringen wollten, und dass sie uns am nächsten Tag zur Grenze zurückbringen würden», sagte Porat gegenüber der Zeitung Maariv.
Gegenüber dem Sender Channel 12 erklärte Porat, dass die Palästinenser geladene Waffen gehabt hätten, aber niemanden damit bedroht und auch niemanden erschossen hätten. Sie hätten die Geiseln auch auf die Wiese am Haus gehen lassen, da die Hitze im Haus kaum auszuhalten gewesen sei.
Die Überlebende wirft den israelischen Sicherheitskräften vor, erst mehrere Stunden nach dem Hamas-Überfall eingetroffen zu sein und dann Chaos angerichtet zu haben.
«Ich bin wütend auf den Staat, ich bin wütend auf die Armee», sagte sie gegenüber Maariv. «Zehn Stunden lang war der Kibbuz verlassen.»
Sie habe zusammen mit den Hamas-Kämpfern die Polizei angerufen, weil diese das gewollt hätten: «Sie wissen, dass Soldaten keine Geiseln töten werden. Also wollen sie mit uns lebend herauskommen und die Polizei soll es erlauben», so Porat gegenüber Channel 12.
Sie habe gegenüber der Polizei die Zahl der Geiseln von tatsächlich zwölf auf 40 übertreiben sollen. Die Zahl der Kämpfer gab sie im Interview mit zwischen 40 und 50 an, meistens um die 20 Jahre alt und «jung und verängstigt». Der Qassam-Kommandeur sei in den Dreissigern gewesen. Gemeinsam hätten sie nach dem Anruf bei der Polizei auf das Eintreffen der israelischen Armee gewartet.
Die israelischen Truppen hätten der Frau zufolge dann ihr Eintreffen überraschend mit einem rücksichtslosen Kugelhagel angekündigt. Porat spricht von «Tausenden von Kugeln und Mörsergranaten» auf das Kibbuz-Haus und die Menschen auf der Wiese daneben. Auch zwei Panzergranaten seien ins Haus abgefeuert worden.
Ihr sei es gelungen, erneut zu überleben, anders als ihrem Partner, weil einer der palästinensischen Kämpfer sich den israelischen Truppen ergeben und sie als «Schutzschild» benutzt habe. Sie habe die toten Geiseln auf der Wiese gesehen – «Wie Schafe auf der Schlachtbank, zwischen den Schüssen unserer Kommandos und denen der Terroristen».
Auf die Frage des Kan-Moderators, wer die Geiseln erschossen habe, erklärte Porat, dass dafür «zweifellos» die israelischen Soldaten verantwortlich seien. Die hätten sich ein sehr heftiges Kreuzfeuer mit den Qassam-Kämpfern geliefert:
«Sie haben alle getötet, auch die Geiseln, weil es ein sehr, sehr heftiges Kreuzfeuer gab.»
Die Panzergranaten seien noch nach dem Kreuzfeuer auf das Haus mit den Kämpfern und den Geiseln abgefeuert worden. Den Angaben der Frau zufolge wurden «fast alle anderen Bewohner der Siedlung getötet, verwundet oder vermisst und vermutlich nach Gaza verschleppt», heisst es bei Electronic Intifada.
Die Autoren des Berichtes auf dem Portal verweisen auf die «gemeinsame amerikanisch-israelische Anstrengung, die Hamas als schlimmer als ISIS darzustellen, um Israels sich entfaltenden Völkermord an der Zivilbevölkerung in Gaza zu rechtfertigen». Dazu würden Berichte wie derjenige der Überlebenden Porat der breiten Öffentlichkeit verschwiegen. Zudem wolle die israelische Führung nicht, «dass ihr katastrophales Versagen durch das Wissen verschlimmert wird, dass viele der getöteten Israelis bei einem katastrophalen israelischen Gegenangriff möglicherweise durch friendly fire getötet wurden.»
Es wird auf Aussagen von Saleh al-Arouri, eines hochrangigen Hamas-Vertreters, gegenüber dem Sender Al Jazeera vom 12. Oktober hingewiesen. Dieser habe den Behauptungen widersprochen, dass seine Kämpfer absichtlich so viele Zivilisten wie möglich töten wollten. Al-Arouri habe in einem Interview mit Al Jazeera erklärt, dass die Kämpfer der Qassam-Brigaden, der militärischen Einheit seiner Organisation, strikt darauf achteten, keine Zivilisten zu verletzen.
Seinen Worten zufolge seien am 7. Oktober, nach dem überraschenden Zusammenbrechen der israelische Gaza-Division im Grenzgebiet, die Menschen im Gazastreifen in das offene Grenzgebiet gestürmt und hätten ein Chaos verursacht. Darunter könnten sich auch andere bewaffnete Personen befunden haben, die nicht zu Qassam gehörten. Dadurch seien Qassam-Kämpfer mit Soldaten, Siedlungswächtern und bewaffneten Einwohnern aneinandergeraten, was zum Tod von Zivilisten geführt habe, so Al-Arouri.
Der Hamas-Funktionär habe auf die sogenannte Hannibal-Direktive der israelischen Armee hingewiesen. Danach sei es den israelischen Streitkräften erlaubt, mit überwältigender Gewalt einen ihrer eigenen gefangenen Soldaten zu töten, anstatt ihn gefangen nehmen zu lassen. Damit solle verhindert werden, dass der Feind Gefangene habe, die bei Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch verwendet werden könnten.
Es sei möglich, dass diese Richtlinie von den israelischen Streitkräften am 7. Oktober gegen die eigenen Zivilisten eingesetzt worden sei. Al-Arouri sagte laut Electronic Intifada gegenüber Al Jazeera:
«Wir sind sicher, dass junge Männer [Kämpfer] zusammen mit den Gefangenen, die bei ihnen waren, bombardiert wurden.»
Die Autoren betonen, dass eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge notwendig sei. Das werde Israel aber «wahrscheinlich niemals zulassen».
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