Ein gutes Beispiel für das, was man in Bezug auf die Inflation alles falsch machen kann, ist Griechenland: Dort pendelt die Inflation mittlerweile um die 10%. Sie stieg in der ersten Hälfte des letzten Jahres plötzlich an und verharrt seither im zweistelligen Bereich. Nicht nur die Preissteigerungen auf den Rohstoffmärkten sind – so wie es die Regierung behauptet – Ursache dieser Entwicklung, sondern auch das verfehlte Pandemiemanagement, eine falsche Energiepolitik, der Unterbruch der Lieferketten und die Lockdowns.
Während die Schweiz beim Weizen praktisch Selbstversorger ist, importieren die Griechen die Mehrheit davon. Und 30% dieses Getreides kommt aus der Ukraine und Russland. Auch Sonnenblumennöl – es gehört in fast jede Bratpfanne der Sommertavernen – kommt vor allem aus den Kriegsregionen. Starke Preissteigerungen bei diesen Produkten sind die Folge.
Viele Haushalte haben beim Strom Preissteigerungen von 100% gegenüber dem Vorjahr registriert. Aber wenn die Pipelines wegen eines Energieboykotts versiegen, die russisches Erdgas über die Türkei und Bulgarien nach Griechenland bringen, droht in Hellas ein Energienotstand.
Griechenland hat keine Atomkraftwerke und nur ganz wenig erneuerbare Energie wie Wasser, Sonne und Wind. Die gegenwärtige Regierung versucht, überstürzt von Braunkohle auf Gas und Windenergie umzustellen und schafft damit neue Probleme. Gaskraftwerke, die noch über Braunkohlefeuerungen verfügen, werden deshalb wieder für den Moment mit diesem problematischen Rohstoff betrieben werden.
Die Grösse des Problems wird deutlich, wenn man bedenkt, dass aktuell 54% der Stromproduktion in Griechenland mit Erdgas erfolgt – vor allem in Kraftwerken, die von Braunkohle auf Gas konvertiert wurden. 45% dieser Importe stammen vom russischen Konzern Gazprom. Die griechische Regierung nennt das grüne Energiewende.
Griechenland hat einen der härtesten Lockdowns hinter sich. Während sieben Monaten durfte man das Haus nicht ohne eine Bewilligung verlassen. Als dieser dann aufgehoben wurde, stieg die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen sprunghaft an, was Inflation schaffte.
Und schliesslich hat auch der Unterbruch der Lieferketten in der Corona-Zeit zu Preissteigerungen geführt. Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Inflation zusätzlich stimuliert und hindert einige Länder heute daran, diese in den Griff zu kriegen.
Bei Griechenland handelt es sich also geradezu und ein Lehrbeispiel, bei dem sämtliche Gründe, die zu Inflation führen können (interne und externe Preisschocks, Lieferunterbrüche, Geldpolitik) in kurzer Zeit auftreten, also um ein Beispiel, wie man es sicher nicht machen sollte.
Inflation: Englischsprachige Länder kämpfen besonders
Abgesehen vom abschreckenden Beispiel Griechenland, wo die hartnäckige Inflation die Ökonomen nicht überraschen kann: Welche neuen Lehren ergeben sich allgemein aus der Corona-Zeit in Bezug auf Inflation?
Der Economist hat nun eine umfassende Analyse darüber durchgeführt, warum einige Länder im Kampf gegen die Inflation besser abschneiden als andere «entwickelte» Länder und bringt im Zusammenhang mit den ökonomischen Verwerfungen der Corona-Zeit einige interessante Aspekte in die Diskussion ein.
Die Gesamtdaten legen nahe, dass die Inflation auch heuer hartnäckig bleibt, möglicherweise sogar stärker als im Jahr 2022. Im vergangenen Jahr lag Kanada aufgrund verschiedener Faktoren an der Spitze der schlechtesten Bewertung, während es dieses Mal auf den dritten Platz rückte.
Englischsprachige Länder, darunter Australien und Grossbritannien, haben mit schwerwiegenden Inflationsproblemen zu kämpfen. Italien und Spanien hingegen stehen vergleichsweise gut da, während Japan und Südkorea möglicherweise den Kampf gegen die Inflation gewonnen haben.
Der Economist führt einige bisher kaum diskutierte Gründe für die Inflationsprobleme an. In den englischsprachigen Ländern waren die fiskalischen Anreize während der Pandemie grosszügiger als in anderen wohlhabenden Ländern, was möglicherweise zu einer übermässigen Nachfrage beigetragen hat. Ein Anstieg der Einwanderung in englischsprachige Länder im Jahr 2022 könnte kurzfristig auch zu einem Inflationsdruck geführt haben.
Ausserdem konzentrierten sich die Unterstützungsmassnahmen dort mehr auf Leistungen für private Haushalte als auf Massnahmen, um Unternehmen über Wasser zu halten, was die Nachfrage wohl weiter angeheizt hat.
Einige Länder haben besser gegen die Inflation gekämpft. In Asien, insbesondere in Japan und Südkorea, könnte die jahrelange Erfahrung mit niedriger Inflation dazu beigetragen haben, dass Unternehmen und Haushalte schneller ihre Inflationserwartungen reduzierten.
Abschliessend weist der Beitrag darauf hin, dass die Toleranz gegenüber Inflation in einigen Ländern aufgrund ihrer jüngeren Inflationserfahrungen variieren kann. Menschen in Ländern wie Grossbritannien haben eine grössere Toleranz gegenüber Inflation entwickelt, was die Politik beeinflusst.
Die Einschränkungen der Corona-Zeit und falsch kalibrierte fiskalische Korrekturmassnahmen haben also nebst allen anderen bekannten Faktoren auch Inflation geschaffen, die viele Länder wohl noch länger beschäftigen wird.
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