Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj «hätte begreifen müssen, dass der Westen nie den Sieg der Ukraine, sondern die Niederlage Russlands wollte». Das schreibt Jacques Baud, ehemaliger Schweizer Nachrichtendienstoffizier, in der aktuellen Ausgabe der Schweizer Zeitschrift Die Weltwoche.
In seinem Beitrag beschreibt er «Selenskyj in der Sackgasse» und wie dieser da hineingeriet. Aus der einstigen «Person des Jahres» (2022) des Magazins Time ist laut Baud inzwischen jemand geworden, der international nicht mehr gefragt ist – aus dem «Winner» wurde ein «Loser».
Dazu habe die bereits im Juli 2022 angekündigte, im Juni 2023 erst gestartete und dann gescheiterte ukrainische Gegenoffensive beigetragen. Die Fähigkeiten der ukrainischen Armee und diejenigen des Westens, sie zu unterstützen, hätten nie ausgereicht, um die russische Verteidigung an der Front zu durchbrechen.
Der Ex-Nachrichtenoffizier, der auch für die NATO und die UNO arbeitete, stellt klar, dass die Entwicklung bereits 2022 absehbar gewesen sei. Eine ganzheitliche Analyse habe bereits im Spätsommer die Schwachstellen der Ukraine gezeigt.
Im Westen sei das aber ignoriert worden, weil dort auf einen Machtwechsel in Moskau gesetzt worden sei. Die Fehleinschätzung sei «auf die Unfähigkeit unserer Experten, Journalisten und Behörden zurückzuführen, die Akteure objektiv zu analysieren».
Sachliche Analysen seien als «Verschwörungstheorien» abgetan und damit der «schlimmste Fehler in einem Konflikt» begangen worden: «sich selbst zu überschätzen und den Gegner zu unterschätzen». Das führte zu einem Narrativ, das frühzeitig einen ukrainischen Sieg gegen die russischen Truppen beschwor und einen Erfolg einer Gegenoffensive verkündete.
Selenskyj trage «persönlich die Last des Scheiterns», da er sich aufgrund von Fehlannahmen zum Oberbefehlshaber aufgeschwungen habe, anstatt sich auf seine Militärs zu verlassen.
«Die Fakten haben einen Punkt erreicht, an dem das Versagen nicht mehr verheimlicht werden kann.»
Baud bezeichnet es als «grösste Ironie», dass die Rand-Corporation bereits 2019 in einem Strategiepapier das westliche Vorgehen, aber auch das Scheitern der Ukraine samt «unverhältnismässig hoher menschlicher und territorialer Verluste» vorhergesagt hatte. Doch bis heute seien Selenskyj und seine westlichen Unterstützer «Gefangene ihres Narrativs».
Deshalb hätten sie auch im Frühjahr 2022 einen möglichen Frieden auf dem Verhandlungsweg abgelehnt. Der nunmehr absehbare russische Sieg habe «umso mehr Wirkung, als die Niederlage Russlands heraufbeschworen worden war».
Innerhalb der EU sinke die Bereitschaft, Kiew weiter zu unterstützen. Auch in Washington werde erkannt, dass sich der Konflikt in der Ukraine «zu einem Albtraum» entwickle.
Selenskyj steht laut Baud inzwischen zunehmend isoliert da.
«Indem er sich selbst per Dekret verbot, mit Wladimir Putin zu verhandeln, hat er sich in eine Sackgasse begeben, die ihn sehr teuer zu stehen kommen könnte.»
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