Am 7. Februar sprach der international gefragte WHO-Experte Philipp Kruse, Rechtsanwalt in Zürich, im liechtensteinischen Triesen zum Thema «WHO-Verträge: Gefahr für unsere Demokratie und unsere Gesundheit?» Schon die Tatsache, dass seine Durchlaucht Erbprinz Alois dem Referat beiwohnte, zeigt, dass auch das offizielle Liechtenstein, obwohl das Ländle nicht Mitglied der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist, den geplanten neuen Vorschriften grosse Bedeutung beimisst.
Laut Kruse geht es einerseits um einen neuen Vertrag, den Pandemiepakt und andererseits um die Anpassung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV; hier ist die Fassung (2005), während hier die Änderungsvorschläge (Nov. 2022) abgerufen werden können). Beides läuft unter der Ägide der WHO, die ihren Sitz in Genf hat.
Bei den bisher geltenden IGV 2005 handelt es sich gemäss WHO-Verfassung Art. 21 an sich nur um technische Richtlinien. Aber die neu geplanten Veränderungen hätten gemäss Kruse noch viel weitreichendere Folgen als der Pandemiepakt.
Der Pandemiepakt muss von zwei Dritteln der WHO-Mitglieder gutgeheissen und dann ratifiziert werden. Die revidierten IGV treten dagegen nach Zustimmung einer einfachen Mehrheit der Mitglieder und nach Ablauf von zwölf Monaten in Kraft. Ein Staat, der diese nicht anwenden möchte, muss dann innerhalb von zehn Monaten deren Zurückweisung erklären. Die Verpflichtungen aus den IGV sind für jeden Unterzeichnerstaat völkerrechtlich verbindlich.
Der Rechtsanwalt beschränkte sich folgerichtig darauf, die wichtigsten Punkte der IGV-Anpassungen zu erläutern. Er bündelte diese in verschiedene Kapitel.
Ausbau des Selbstermächtigungsmechanismus
Schon bisher konnte die WHO eine Public Health Emergency of International Concern erklären, also einen internationalen Gesundheitsnotstand wie in der Coronazeit. Neu aber erhält sie auch die Möglichkeit, regionale Notstände auszurufen. Zudem kann schon aufgrund von potenziellen Gefahren ein Notstand ausgerufen werden.
Das Kriterium für die Erklärung von Notständen soll neu auf dem One-Health-Ansatz basieren. Dieser geht davon aus, dass eine Pandemie nicht nur von Viren, sondern auch zum Beispiel von anderen gesundheitsrelevanten Faktoren wie steigenden Temperaturen, Verlust der Artenvielfalt oder von einem zu hohen CO2-Gehalt ausgelöst werden kann.
Zusammengenommen bedeutet das, dass die Liste der Vorwände für einen Gesundheitsnotstand ins Uferlose wächst, was gemäss Kruse reiner Willkür gleichkommt und gleich eine ganze Reihe von Rechtsprinzipien verletzt: Das Legalitätsprinzip, die Gewaltentrennung, die Verhältnismässigkeit und das Demokratieprinzip.
Die IGV: Nur Empfehlungscharakter?
Die WHO ist tatsächlich als Empfehlungsgremium konzipiert worden. Die geplanten Änderungen können Kruse zufolge aber nicht anders als verbindlich verstanden werden – auch wenn die bisherige Schweizer Verhandlungsführerin Nora Kronig beruhigt und erklärt, dass die WHO keine übergeordnete Kompetenzen erhalten soll.
Natürlich würde keine Armee kommen, um diese «Empfehlungen» umzusetzen, aber differenzierte Individuallösungen wären de facto unmöglich, denn es handelt sich um völkerrechtlich verbindliche Verpflichtungen:
- Die WHO wird als «führende und koordinierende Organisation» bezeichnet
- Die Mitgliedsländer verpflichten sich, Empfehlungen der WHO auszuführen, indem das explizite «unverbindlich» (non binding) in den IGV gestrichen wurde. («Health measures (...), shall be initiated and completed without delay by all State Parties and applied in a transparent, equitable and non-discriminatory matter»). In Artikel 13a steht auch die kaum missverständliche Formulierung «member states undertake to follow (...)»
- Das bedeuteten ausgedeutscht auch, dass allen Staaten und allen Menschen dieselben Substanzen mit denselben Impfraten zuteil würden.
- Diese «Empfehlungen» können auch eine obligatorische Impfung, 3G oder auch 2G sein, von Lockdowns, Kontaktnachverfolgung und Tests ganz zu schweigen. Die Liste der Empfehlungen kann dem Artikel 18 der bestehenden IGV entnommen werden. Was sich ändert: sie erhalten Verbindlichkeit.
- Wie oben erklärt, kann ein Gesundheitsnotstand auch zum Beispiel ein Hitzesommer sein. Und die WHO könnte mit einem «Klima-Lockdown» reagieren – mit Ausgangsbeschränkungen oder zum Beispiel Zertifikatspflicht für Flüge.
Die Staaten müssen auch ein Implementation Committee und ein Compliance Committee einrichten und der WHO gegenüber Rechenschaft ablegen.
Diese Änderungen haben gemäss dem WHO-Experten Kruse zudem das Potenzial, zwingendes Völkerrecht zu verletzten. Artikel 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (englisch: International Covenant on Civil and Political Rights, ICCPR), verankert das Grundprinzip des «informed consent» als zwingende Voraussetzung für die Verabreichung von experimentellen Substanzen. Das gilt auch bei einem öffentlichen Notstand.
Zensur
In Zukunft ist die WHO gemäss IGV befugt, die Mitgliedsländer zu verpflichten, Falschinformationen zu bekämpfen. Als aktiver Auftrag steht das auch im Artikel 18 des diskutierten Pandemievertrages.
Die WHO bemisst also der freien Information, der offenen Debatte von Rede und Gegenrede, also der grundlegenden Voraussetzung für Wissenschaft, für eine faire Rechtsprechung und für die Demokratie schlechthin, keinen Wert bei und lässt die Informationsfreiheit, ein grundlegendes Menschenrecht, für den Fall eines Gesundheitsnotstandes nicht mehr gelten.
Besonders pikant ist, dass die WHO-Mitgliedsländer diese Verpflichtung in die nationale Gesetzgebung überführen müssen.
Keine Korrekturmechanismen und keine Verantwortlichkeit
Die neuen IGV sehen für die Mitgliedsstaaten und deren Bürger keine wirksamen Korrekturmechanismen vor. Das war bisher auch nicht nötig, weil die WHO lediglich Empfehlungen abgab. Es ist zum Beispiel nirgendwo ein Gremium vorgesehen, das die Massnahmen auf ihre Verhältnismässigkeit und Rechtsstaatlichkeit prüft und notfalls korrigierend eingreift. Mit anderen Worten: Gewaltentrennung, ein tragender Grundsatz jeder demokratischen Verfassung, wird für die Dauer eines Gesundheitsnotstandes keine Gültigkeit mehr haben und die WHO wird auch keiner Rechenschaftspflicht unterworfen.
Kruse legte weiter dar, dass es – als Sahnehäubchen - kaum gelingen würde, die WHO oder deren Exponenten für fehlgeleitete Massnahmen zur Verantwortung zu ziehen. Sie geniesst volle Immunität und an ihrem Sitz in Genf Steuerbefreiung.
Grundrechte
Und schliesslich soll in den IGV der Passus über die Grundrechte gestrichen werden. Bisher war es so, dass die WHO die Grundrechte der von den Massnahmen betroffenen Bürgerinnen und Bürger respektieren musste. Ein Beispiel ist die körperliche Unversehrtheit, die bei einem Impfzwang nicht mehr sichergestellt ist. Neu soll das nicht mehr der Fall sein.
Menschenwürde und Grundrechte sollen ersetzt werden durch die Buzzwörter Equity und Inclusivity, das heisst: Verteilungsgerechtigkeit und gleicher Zugang zur Impfung für alle.
Kombiniert mit einer bestimmten bundesgerichtlichen Praxis in der Schweiz könnten sich diese Änderungen verheerend auswirken. In der Coronazeit hat das Schweizer Bundesgericht argumentiert, dass die Regierung in Zeiten der Pandemie über einen erweiterten Ermessensspielraum verfügen würde und dass, solange deren Entscheide im Rahmen der WHO-Empfehlungen liegen, diese gerichtlich nicht zu beanstanden seien.
«Einem Schweizer Richter würden also die Hände gebunden sein, selbst wenn im Pandemievertrag Lippenbekenntnisse zu den Grundrechten abgegeben werden», bilanzierte Kruse.
Der Anwalt sieht also eine ganze Reihe von fundamentalen rechtsstaatlichen Prinzipien gefährdet, nämlich:
- Die Informationsfreiheit und das Zensurverbot
- Das Legalitäts- und Verhältnismässigkeitsprinzip
- Ebenso das Willkürverbot
- Das Demokratie- und Selbstbestimmungsprinzip
- Das Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung
In der Summe wertet Kruse die Anpassungsvorschläge für die IGV als Bedrohung der Souveränität der Unterzeichnerstaaten. Das neue Regime verhindert eine selbstbestimmte Priorisierung der staatlichen Aufgaben gemäss Verfassung. Nach Zustimmung zu den Verträgen schwindet der individuelle Handlungsspielraum eines jeden Mitgliedslandes.
Die IGV, die im Kleid von rein technischen Gesundheitsvorschriften daherkommen, sind also – immer gemäss Kruse – nach ihrem tatsächlichen Inhalt ein trojanisches Pferd.
Deshalb ruft der Rechtsanwalt dazu auf, diese nach ihrem Inhalt zu beurteilen und nicht nach dem harmlos tönenden Titel. Eine breite öffentliche Debatte und eine Volksabstimmung sei wegen deren faktischer verfassungsändernden Wirkung zwingend nötig.
Kruse denkt auch, dass Misstrauen angebracht ist, weil die Finanzierung der WHO problematisch sei. Tatsächlich zeigt eine kurze Suche auf der Webseite der WHO, dass diese Organisation zu über 80 Prozent von privaten und öffentlichen Spendern finanziert wird. Mitgliederbeiträge machen also lediglich knapp 20 Prozent des Budgets aus. Und diese voluntary contributions sind zweckgebunden.
Der wichtigste Sponsor ist dabei die Bill und Melinda Gates-Stiftung, während der zweitwichtigste Sponsor die GAVI-Impfallianz ist – also indirekt auch Bill Gates!
Der klassisch gebildete Kruse schloss mit dem eingangs erwähnten Aufruf und mit einem Zitat von Schiller: «Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet, der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.»
**********************
Unterstützen Sie uns mit einem individuellen Betrag oder einem Spenden-Abo. Damit leisten Sie einen wichtigen Beitrag für unsere journalistische Unabhängigkeit. Wir existieren als Medium nur dank Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Vielen Dank!
Oder kaufen Sie unser Jahrbuch 2023 (mehr Infos hier) mit unseren besten Texten im Webshop:
Kommentare