Der Erbe einer der reichsten Adelsfamilien der Welt schickte über seine Stiftung einen Brief an die Mitglieder des akademischen Senats der Universität La Sapienza in Rom, berichtet L’Indipendente. Darin setzte Yehoshua Bubola Lévy de Rothschild die Institution unter Druck, einen von Studenten initiierten Antrag auf ein Verbot der akademischen Zusammenarbeit mit Israel nicht anzunehmen.
Laut L’Indipendente wurde der Brief von mehreren Professoren veröffentlicht. Er warne in einer «formal freundlichen und gemässigten Sprache» davor, dass die Unterlassung der Zusammenarbeit mit israelischen Universitäten zu einer Verschlechterung des internationalen Ratings von La Sapienza und damit zu einem «erheblichen Schaden» für die römische Universität führen würde.
Die Rektorin Antonella Polimeni äusserte sich gemäss dem Portal nicht zu dieser Angelegenheit. Der akademische Senat hat jedoch am Mittwoch, den 17. April, in die von der Elisabeth de Rothschild-Stiftung gewünschte Richtung gestimmt und die Zusammenarbeit mit israelischen Universitäten bestätigt. Die weitverbreiteten Studentenproteste sind hingegen von der Polizei mit aller Härte unterdrückt worden. L’Indipendente stellt fest:
«Die Familie Rothschild, die jüdischen Ursprungs ist, hat die zionistische Ideologie immer unterstützt und die Bewegung finanziert und war in Schlüsselmomenten der Geschichte der Kolonialisierung Palästinas von zentraler Bedeutung.»
Lévy de Rothschild hat in seinem Schreiben auch ethisch-moralische Anschuldigungen erhoben, damit sich nicht wiederhole, was an den Universitäten von Turin und Pisa vorgefallen sei. Die beiden Lehranstalten hatten sich geweigert, sich am Abkommen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit (MAECI) über industrielle, wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit zwischen Italien und Israel zu beteiligen.
In dem Brief drückt Lévy de Rothschild zunächst seine tiefe Besorgnis über die Anträge der Studenten der italienischen Universitäten aus und bezeichnet die Entscheidung des akademischen Senats der Universität Turin als «nicht nur aus ethischer und akademischer Sicht fragwürdig, sondern auch kontraproduktiv für den wissenschaftlichen Fortschritt und die Förderung des Friedens». Die Entscheidung der Universität Turin, so Rothschild weiter, sei
«(...) eine Entscheidung, für die es keinen rationalen Präzedenzfall und keine stichhaltige Begründung gibt: Sie stellt nicht nur einen Rückschritt für den Grundsatz der akademischen Freiheit dar, sondern birgt auch die Gefahr, den Pluralismus und den Ideenaustausch zu untergraben, die Grundpfeiler des universitären Umfelds.»
Zuvor schrieb de Rothschild:
«Ich möchte darauf hinweisen, dass sich der Staat Israel im Gegensatz zu einigen Interpretationen verpflichtet hat, die Grundfreiheiten und die Gleichheit aller seiner Bürger zu garantieren, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder Religion. Insbesondere sind 20 Prozent der israelischen Bevölkerung arabisch-israelische Bürger, die die gleichen Rechte und Möglichkeiten geniessen, einschliesslich des Zugangs zu den Universitäten des Landes.»
Nichts könnte falscher sein, kontert L’Indipendente. Die Objektivität der Fakten würde diese Aussagen widerlegen. In Israel seien Rassismus, Diskriminierung und die jüdische Vorherrschaft mit der Verabschiedung des Nationalstaatsgesetzes 2018 institutionalisiert worden. Arabisch-israelische Bürger würden in der Verwaltung und bei der Wohnungssuche diskriminiert und hätten ein separates Bildungssystem:
«In der Praxis gewährt der jüdische Staat seinen palästinensischen Bürgern die Staatsbürgerschaft zweiter Klasse.»
Lévy de Rothschilds Interesse an Israel spiegele das Interesse wider, das seine Familie und seine Vorfahren historisch zum Ausdruck gebracht hätten. Darüber hinaus habe die Familie Rothschild die zionistische Ideologie immer unterstützt und die Bewegung politisch und finanziell gefördert. Das Portal schliesst:
«Ende des 19. Jahrhunderts finanzierte Baron Edmond James de Rothschild aus der französischen Linie der Familie Rothschild die Gründung von Hovevei Zion oder Hibbat Zion, das heisst der ‹Liebhaber Zions›, einer Organisation, die 1884 von dem polnischen Arzt Leon Pinsker mit dem Ziel gegründet wurde, die jüdische Einwanderung nach Palästina und die jüdische Besiedlung voranzutreiben.
Baron Lionel Walter Rothschild aus der englischen Linie der Familie spielte eine wichtige Rolle bei der Balfour-Erklärung von 1917, mit der die Briten dem Zionistischen Weltkongress das Mandat erteilten, sich in Palästina niederzulassen, nachdem die Briten es am Ende des Ersten Weltkriegs dem Osmanischen Reich abgerungen hatten. Lionel Walter Rothschild spielte nicht nur eine Vermittlerrolle zwischen britischen Politikern und den Führern der zionistischen Bewegung, sondern war auch an der Ausarbeitung der Erklärung beteiligt, in der den Zionisten Palästina zugesagt wurde, um ‹eine nationale Heimstätte für das jüdische Volk› zu schaffen.»
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