Eine großangelegte neue Umfrage, die vom ECFR veröffentlicht wurde, entkräftet «drei während der Coronavirus-Pandemie aufgekommene mediale Trugschlüsse und sieht eine starke Unterstützung für einen von der EU gelenkten wirtschaftlichen Wiederaufbau», so der Think Tank in einer entsprechenden Mitteilung.
Auf der Grundlage von Daten aus neun EU-Mitgliedsstaaten – die zusammen zwei Drittel der europäischen Bevölkerung repräsentieren – hinterfragen die Autoren Ivan Krastev und Mark Leonard die medial immer wieder postulierten Behauptungen, nämlich dass nationalistischer Euroskeptizismus, europaorientierter Föderalismus, die Unterstützung umfangreicher staatlicher Interventionen sowie die Autorität von Experten zunehmen würden.
Die Umfrage zeige indes, «dass es in allen Mitgliedsstaaten Mehrheiten für eine stärkere EU-Zusammenarbeit gibt: 63 Prozent der Europäer sagen, dass die Coronavirus-Krise verdeutlicht hat, dass mehr Zusammenarbeit auf EU-Ebene notwendig ist».
Laut Erkenntnissen der Studie bestehe in Deutschland – trotz niedriger Infektionsraten – Skepsis gegenüber Fachleuten «und eine Unsicherheit darüber, ob diese mit der nationalen Regierung im heimlichen Einverständnis handeln». Beispielsweise glaubten nur 44 Prozent der Befragten, daß die Corona-Krise den Nutzen von Expertenwissen und Behörden im Land deutlich gemacht habe.
Die Ergebnisse sind politisch brisant.
Die Umfrage zeigt nämlich auch, daß «die Zahl der Menschen, die das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Regierungen verlieren, insgesamt tatsächlich größer ist als die Zahl derer, die infolge der Krise eher ein Eingreifen des Staats befürworten», wie es in der Mitteilung heißt. So hätten in allen neun europäischen Ländern durchschnittlich nur 29 Prozent der Befragten mehr Vertrauen in die Regierung und würden gleichzeitig die Leistung ihrer eigenen Regierung positiv bewerten.
Im Gegensatz dazu hätten 33 Prozent das «Vertrauen in die Macht der Regierung verloren und bewerten die Leistung ihrer Regierung ebenfalls negativ».
Die Ergebnisse verdeutlichten, dass es entgegen der oft verbreiteten Meinung keinen Anstieg nationalistischer Trends gibt. «Zugleich vertreten in allen befragten Mitgliedsstaaten viele Menschen die Ansicht, die EU habe schlecht auf die Krise reagiert – wobei in allen Ländern eine Mehrheit oder ein Großteil die Meinung äußert, die EU habe die Herausforderungen nicht erkannt. Dies trifft auf 63 Prozent in Italien und auf 61 Prozent in Frankreich zu», resümiert das ECFR.
Der European Council on Foreign Relations (ECFR, Europäischer Rat für Auswärtige Beziehungen) ist eine paneuropäischer Denkfabrik. Er wurde im Oktober 2007 ins Leben gerufen und verfolgt das Ziel, in ganz Europa Forschung zu betreiben und eine sachkundige Auseinandersetzung über die Entwicklung einer einheitlichen und erfolgreichen europäischen wertebasierten Außenpolitik zu fördern. ECFR ist eine unabhängige gemeinnützige Organisation und wird aus einer Vielzahl von Quellen finanziert.