Das Anhalten der Coronakrise führt nicht nur zu psychischen Belastungen der Menschen, sondern überfordert auch die Selbstheilungskräfte. Die Folge sind nachhaltige psychische Störungen. Zu diesem Schluss gelangt Prof. Andreas Heinz, ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Campus Charité Mitte in Berlin und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in einem Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt.
Wir zitieren Auszüge der Aussagen von Prof. Heinz:
«Die negativen Folgen von Isolations- und Quarantänemaßnahmen sind gut belegt, vor allem mit Fortschreiten der Krise und den damit verbundenen Einschränkungen. Die Gefahr ist, dass schwer kranke Patienten den Verzicht auf den persönlichen Kontakt nicht lange aushalten. Auch mit erhöhten Suizidraten muss gerechnet werden, insbesondere falls sich die negativen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie weiter verschärfen sollten.
Darüber hinaus besteht Forschungsbedarf zu den psychosozialen Folgen von Isolations- und Quarantänemaßnahmen für ältere und hochbetagte Menschen und wie sich soziale Ungleichheit unter Pandemiebedingungen weiter verschärft.
Auch zu bestimmten psychischen Aspekten, wie dem Auftreten von Psychosen, Somatisierung, Suizidalität, Substanzmissbrauch und dem möglicherweise vermehrten Auftreten nicht stoffgebundener Süchte wie beispielsweise der Computerspielsucht wie auch zu Veränderungen im Sozialverhalten (Aggressivität und Reizbarkeit) liegen bisher zu wenige Erkenntnisse vor.»
[...]
«Langfristig ist soziale Distanz immer ein Belastungsfaktor, wir Menschen brauchen in aller Regel die Mitwelt. Die Menschen leiden unterschiedlich stark unter Vereinsamung oder fehlendem direkten Kontakt, aber die wenigsten kommen damit langfristig ganz unbeschwert klar. Deshalb ist jede Form gesellschaftlicher Solidarität so wichtig.»
Meinung der Redaktion: Prof. Heinz macht bereits jetzt auf die kommenden Spätfolgen der Coronakrise aufmerksam. Angesichts der Tatsache, dass die Covid-19 Sterberate bezogen auf die Gesamtbevölkerung in Deutschland nach wie vor bei 0,01 Prozent liegt, stellen die von Prof. Heinz geschilderten Folgen einen psychosozialen Schaden dar, der zu vermeiden gewesen wäre. In Schweden, wo es keinen Lockdown gab, liegt die Sterberate – bezogen auf die Gesamtbevölkerung – mit 0,05 Prozent ebenfalls im marginalen Bereich. Die dortige Bevölkerung wird jedoch nach dem Ende der Coronakrise nicht an psychischen Störungen leiden.
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista