Letzten Juli berichteten wir im Rahmen eines Newsletters über eine der gefährlichsten Migrantenrouten der Welt. Diese führt durch den Darien Gap: Über 100 Kilometer schlammiger Dschungel an der Grenze zwischen Nord- und Südamerika und zwischen Panama und Kolumbien. Ziel der Migranten sind die USA.
Migranten unterwegs im Darien Gap, Panama, 9. Mai 2023. Quelle: OHCHR
CNN meldete, dass Mitglieder eines Drogenkartells in Kolumbien von den Migranten Geld für die assistierte Durchquerung bis zur Grenze verlangen. Auf der anderen Seite der Grenze knüpfen ihnen maskierte Männer in Panama angeblich nochmals 100 Dollar ab.
Im April 2023 hatte der Sender mitgeteilt, dass der Strom an Migranten ständig zunehme. Im Jahr 2022 hätten fast 250’000 Menschen den Darien Gap überwunden, fast doppelt so viele wie im Vorjahr und das Zwanzigfache des Jahresdurchschnitts von 2010 bis 2020. Aufgrund erster Daten für 2023 prognostizierte CNN in diesem Jahr eine weitere massive Steigerung.
Anfang September gab nun das Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte (UNHCHR) die neusten Zahlen bekannt. Dessen Sprecherin Marta Hurtado zeigte sich «besorgt über die Risiken und Gefährdungen, denen eine noch nie dagewesene Zahl von Migranten und Flüchtlingen ausgesetzt ist, die den Darien Gap (...) auf ihrer Reise nach Nordamerika durchqueren». In diesem Jahr hätten bereits mehr als 330’000 Menschen den Darien Gap überquert. Das sei die höchste Zahl, die bisher pro Jahr verzeichnet worden sei. Ein Fünftel davon seien Kinder gewesen.
Hurtado zufolge sind Migranten und Flüchtlinge während ihrer Reise zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und -missbräuchen ausgesetzt, darunter sexuelle Gewalt, Morde, Menschenhandel, Raub und Einschüchterung durch Gruppen der organisierten Kriminalität. Menschen würden auch einfach verschwinden. Die begrenzte humanitäre Aufmerksamkeit sowohl in Panama als auch in Costa Rica verschlimmere die prekäre Situation.
Die Sprecherin des UNHCHR weist darauf hin, wie gefährlich es ohnehin schon sei, diesen 575’000 Hektar grossen Dschungel zu durchqueren. In der Trockenzeit seien die Menschen im Durchschnitt vier bis sieben Tage unterwegs, um den Darien Gap zu überqueren. Während der neunmonatigen Regenzeit könne dies bis zu zehn Tage dauern.
Hurtado teilte mit, dass die Regierung Panamas mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft zwei Aufnahmezentren für Migranten in der Provinz Darien und eines an der Grenze zu Costa Rica errichtet hat, um Unterkünfte, Nahrungsmittel, medizinische Versorgung sowie Wasser und sanitäre Einrichtungen bereitzustellen. Die grosse Zahl der Menschen, die sich in Bewegung befinden, habe jedoch die Kapazitäten der panamaischen Behörden vor Ort, den Flüchtlingen und Migranten weiterhin Schutz zu bieten und ihre humanitären Bedürfnisse zu befriedigen, überfordert.
Die UNHCHR rufe alle Staaten auf, «menschenrechtsbasierte Lösungen für die Herausforderungen der Migrationssteuerung zu fördern und eine Grenzverwaltung zu gewährleisten, die im Einklang mit dem Völkerrecht und internationalen Standards steht», so Hurtado. Dabei betonte sie «die Notwendigkeit, diskriminierende, migrationsfeindliche Narrative zu vermeiden». Die UNHCHR-Specherin schloss:
«Die Bewältigung der Migrationsherausforderungen erfordert gemeinsame Anstrengungen und Lösungen auf regionaler und internationaler Ebene, weshalb wir auch die internationale Gemeinschaft auffordern, die Staaten in Nord-, Mittel- und Südamerika stärker zu unterstützen, um diese Schutzlücken zu schliessen. Wir ermutigen die Staaten der Region ausserdem, die strukturellen Faktoren anzugehen, die Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen und sich auf der Suche nach Sicherheit und einem würdigeren Leben für sich und ihre Familien auf gefährliche Reisen zu begeben.»
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