Die Geschichte ist so skurril wie symbolträchtig. Der Prophet ist auf Abwegen, doch sein Esel hat den Durchblick.
Verfluchen soll er es, das Volk Israel. Nach all seinen Eroberungen schwant Balak, dem König der Moabiter, Übles: Er und seine Herrschaft könnten die nächsten Opfer sein. Militärisch ist diesen Fremden offenbar nicht beizukommen; «probiern wir’s also hinten herum und rauben ihm seinen Segen».
Balak schickt seine Obersten durch die halbe Wüste an den Euphrat zum Seher Bileam. Der soll mitkommen und die drohende Übermacht verfluchen; gutes Geld und öffentliche Anerkennung sind ihm natürlich sicher.
Bileam ist hin- und hergerissen. Das deutliche Nein zu diesem Auftrag richtet er zwar aus, aber es scheint ihm ungelegen zu kommen. Ob er wirklich richtig gehört hat?
In der entsprechenden Ballade von Klaus-Dieter Hertzsch klingt das so:
«Er grübelte und war verzagt:
Was hat bloß Gott zu mir gesagt?Vielleicht, wenn ich mich recht besinn:
Na, Bileam, dann geh nur hin!Der Morgen zeigte sich allmählich,
und Bileam erhob sich fröhlich.Er ging zum Stall. Die Sonne schien.
Die Eselin begrüßte ihn.Er legte ihr den Sattel auf,
er band sie los und stieg hinauf.Sie rief: ‹Iah!› Er rief: ‹Hü-hott!›
und beide dachten nicht an Gott.»
Das ging natürlich nicht lange gut. Die Aussicht auf einen wahrhaft könglichen Lohn zog ihn. Doch seine Eselin bremste ihn. Den direkten Weg zum König verliess sie und schlug stattdessen einen Bogen über ein angrenzendes Feld. Der Reiter wird wütend. Doch die Sache steigerte sich erst noch:
Bald darauf «drängte sie sich an die Mauer und klemmte Bileam den Fuss ein (...), und er schlug sie noch mehr». Noch ein drittes Mal zeigte sie sich vermeintlich störrisch. Jetzt wollte sie gar nicht mehr weitergehen:
«Am Ende ging es durch ein Tal.
Da war der Weg besonders schmal.Und eh der Esel sich’s versah,
stand Gottes Engel wieder da,und zwar, wo es am engsten war.
Dem Esel sträubte sich das Haar.Er stellte seine Ohren steil.
Er bäumte hoch das Hinterteil.Er legt‘ sich hin und zitterte,
weil er das Unheil witterte.»
Dann geschieht das Skurrile: Der Esel beginnt zu sprechen und rechtfertigt sich. Inhaltlich zutreffend umschreibt das der Dichter:
«Und war ich je, ich armes Tier,
so unverschämt und grob zu dir?Nein, konnte Bileam noch sagen.
Er war wie vor den Kopf geschlagen.Denn plötzlich sah er alles klar,
was ihm bisher verborgen war.(...)
Nun schwieg das Tier. Nun schwieg der Mann.
Der Engel fing zu reden an.Ich seh euch schon ein Weilchen zu.
Dein Tier ist brav. Doch was tust du?Zu Balak geht’s und seinem Gold,
obwohl der Herr es nicht gewollt!Der Esel merkte, wo ich stand.
Du wärst mir glatt ins Schwert gerannt!»
Das Engelswort, näher am Original:
«Siehe, ich habe mich aufgemacht, um dir zu widerstehen: Denn der Weg vor mir führt ins Verderben.» 4. Mose 22, Vers 32
Der Rest der Geschichte ist rasch erzählt: Ermutigt zum Segnen statt zum Verfluchen, geht die Reise weiter. Bileam und Balak treffen zusammen. An verschiedenen Aussichtspunkten blicken sie auf das lagernde Volk Israel – und Bileam segnet es jedes Mal. Der König wird immer missmutiger, lässt den Propheten aber doch in seine Heimat zurückkehren.
Welche Eindrücke hätten diese englischen Polizei-Pferde weiterzugeben? Wer oder was genau stellte sich ihnen da in den Weg, als sie eigentlich hätten geradeaus weiterreiten sollen? Haben ihre Reiter die Botschaft verstanden, die diese klugen Tiere sie wohl lehren wollten? Und die Zuschauer?
Was hätten diese Tiere und unsere meist unsichtbaren Begleiter dem Bürgermeister von Nürnberg zu sagen oder zu zeigen, der so stolz drangeht, seiner Stadt den Unsegen einer familienzerstörenden Ideologie aufzuerlegen?
Sollten sich derartigen Umzügen wie hier in Frankfurt eher Esel anschliessen als Kirchen-Lkws, die vor «Pride» nur so strotzen?
«Siehe, ich habe mich aufgemacht, um dir zu widerstehen: Denn der Weg führt ins Verderben.»
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Wort zum Sonntag vom 30. Juli 2023: Der andere Reichtum
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.
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