Die Schweiz hat 2014 die UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert. In einem umfassenden Bericht hat der UNO-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen im April 2022 nun zum ersten Mal die Umsetzung dieser Konvention evaluiert (Transition-News berichtete).
Der Bericht setzt sich dabei speziell mit der Situation von Menschen mit Behinderungen auseinander. Darunter fallen auch Menschen mit Dispensen, die aufgrund medizinischer oder sonstiger Gründe während den Corona-Massnahmen keine Masken tragen konnten.
Was in dem Bericht zu lesen ist, verwundert mich nicht: Die Schweiz verletzt in mancherlei Hinsicht die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Dies erfuhr ich als Frau mit Behinderung (starke Seheinschränkung, Asperger) wiederholt am eigenen Leib.
Menschen mit Behinderungen werden in der Schweiz durch die Behörden zu wenig vor Diskriminierung geschützt. Der Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen äusserte grosse Bedenken in seinem Bericht:
«Der UNO-Ausschuss stellt besorgt fest, dass den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen bei den Covid-19-Massnahmen ungenügend Rechnung getragen wurde. Öffentlichkeit, Verkehrsbetriebe und Medien waren über Maskendispense nur mangelhaft informiert. Das führte dazu, dass autistische Personen mit Dispensen ständig verunglimpft wurden.»
Besonders kritisiert wurde zudem, dass «Informationen zu Pandemie-Massnahmen, einschliesslich Ausnahmen von der Maskenpflicht, der Öffentlichkeit, den zuständigen Behörden und Unternehmen und den Medien» kaum bekannt gemacht wurden.
Menschen, die über Dispense verschiedenster Art verfügen, wurden in einer von mir persönlich nie erlebten Art und Weise diffamiert und ausgegrenzt. Denunziantentum feierte unverständlicherweise Urstände – wie heisst es doch treffend:
«Der ärgste Schuft im eigenen Land ist und bleibt der Denunziant.» In einer unglaublichen Art und Weise haben Menschen mit Dispensen Ausgrenzung und Diskriminierung im medizinischen Sektor erlebt. Dies, obwohl doch klarerweise in der Medizin absolut individuelle Entscheidungen getroffen werden müssen.
Eine Aufarbeitung der Situation, die wirklich nur als tragisch bezeichnet werden kann, ist dringend notwendig und sollte von einer unabhängigen Kommission sichergestellt werden. Dies bedingt jedoch zwingend eine ausserparlamentarische Untersuchung.
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Dr. sc. nat. ETH Barbara Müller (*1963) ist Geologin und Mitglied des Thurgauer Kantonsrates.
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