Wenn Sie denken, alles über den Ukraine-Krieg und dessen Hintergründe zu wissen, dann könnte Sie das Buch «Wahrheitssuche im Ukraine-Krieg – Um was es wirklich geht» eines Besseren belehren. Wenn Sie der Meinung sind, wenig darüber zu wissen, dann ist das Werk sowieso empfehlenswert.
In seinem zwölften Buch analysiert der Autor Thomas Mayer die Dynamiken der Eskalation dieses Konfliktes detailliert. Auf fast 600 Seiten geht er auf viele einigermassen bekannte Ereignisse ein, wie das Aufkommen des ukrainischen Nationalismus, der Putsch in Kiew 2014 oder die Provokationen der NATO gegenüber Russland in den Jahren vor dem russischen Einmarsch. Die tiefgründige Recherche, belegt mit über 800 Quellen, bringt jedoch Fakten ans Licht, die weitere Klarheit in diese Geschehnisse bringen.
Daneben offenbart Mayer aber auch Tatsachen, die sogar manchen kundigen Lesern unbekannt sein dürften. Dazu gehören zum Beispiel die zahlreichen Bestrebungen der Krim-Halbinsel ab 1991, ihre Unabhängigkeit von der Ukraine zu erreichen. Diese wurde jeweils von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung befürwortet, doch von der Ukraine mehrmals widerrechtlich verhindert. Mayer meint deshalb, nicht Russland hätte die Krim annektiert, wie westliche Politiker und Mainstream-Medien ständig behaupten, sondern die Ukraine – bevor 2014 eine Sezession und eine Angliederung der Halbinsel an Russland stattgefunden habe.
Mayer zeigt auch die «unbekannte historische Tatsache» auf, dass der US-Imperialismus kein Zufall, sondern eine bewusste demokratische Entscheidung war – allerdings eine äusserst knappe. Dabei zitiert er den Autor Valentin Wember, der sich in «Ein Welthistorischer Kampf» wiederum auf Stephen Kinzers Buch «Overthrow» bezieht.
Es geht um den Kampf der Isolationisten gegen die Imperialisten in den USA Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Dieser gipfelte 1899 in einer Abstimmung im Senat, welche die Imperialisten mit nur einer Stimme gewannen. Die Isolationisten wandten sich daraufhin an den Supreme Court, der mit fünf zu vier Stimmen ebenfalls für die imperialistische Ausdehnung stimmte. Wember kommentiert:
«Damit war die Weiche gestellt. (…) Man könnte darüber ins Grübeln geraten, an was für seidenen Fäden manchmal die Weltgeschichte zu hängen scheint.»
Spannend ist ausserdem zu lesen, wie die CIA seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges die ukrainischen rechtsextremen Nationalisten um Stepan Bandera unterstützte und Einfluss auf die Ukraine nahm. Nach dem Krieg habe die CIA auf Banderas Sicherheitschef Mykola Lebed gesetzt. Als Leiter der UPA in der Ukraine während des Zweiten Weltkrieges habe dieser die «Säuberungen» der Westukraine von Polen und Juden koordiniert. Die CIA habe bis in die 80er Jahre mit Lebed zusammengearbeitet.
Mayer beruft sich auf die Journalisten Matthias Bröckers und Paul Schreyer, die in ihrem Buch «Wir sind die Guten» von internen US-Dokumenten berichten, in denen Lebed als «bekannter Sadist und Kollaborateur der Deutschen» mit «hinterhältigem Charakter» beschrieben werde. Man habe gewusst, dass er von der Gestapo ausgebildet worden war und ihn zum «wichtigsten Mann der CIA» gemacht, «um im Kalten Krieg Einfluss in der Ukraine zu nehmen».
Anhand von Tatsachen argumentiert Mayer hingegen, dass Russland seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion keine imperialistischen Ambitionen hat, auch wenn uns das westliche Politiker und Medien ständig weismachen wollen. Im Pressetext schreibt der Autor:
«Es geht nicht darum, wer ‹gut› oder ‹böse› ist, wer ‹gewinnt› oder ‹verliert›. Es geht darum, die Zusammenhänge zu verstehen. So entsteht der Raum für einen Dialog hin zum Frieden. Die Wahrheit macht frei. Und die Wahrheit zu achten führt zum Frieden.»
Das Buch geht auch auf die Wirtschaftssanktionen ein und erläutert, wie diese den Tatbestand der kriegerischen Handlung erfüllen. Gemäss dem Autor sind sie in allen derzeitigen Fällen völkerrechtswidrig.
Nicht zuletzt gibt Mayer Ratschläge, was man angesichts der prekären Weltlage tun kann, beginnend bei sich selbst. Er ist der Ansicht, dass man die eigene Ohnmacht gegenüber den Kriegstreibern nicht übergehen könne. Er empfiehlt stattdessen, «die Ohnmacht zu achten und sich zugleich auf das zu konzentrieren, was man selbst tun kann» und erläutert:
«Das ist ein Schlüssel: Die kollektive Willensbildung entsteht aus einem Zusammenfließen der Gedanken und Gefühle aller. Deshalb greift die Kriegspropaganda gezielt auf das Denken und Fühlen der Menschen zu. Hier haben wir die mächtigsten Handlungsmöglichkeiten. Wer innerlichen Frieden und Liebe lebendig werden lässt und aus der Kriegstreiberei und den Feindbildern aussteigt, verändert das kollektive Feld ein Stück weit. Mit jedem klaren Gedanken schwächen wir das Propaganda-Ungetüm, das sich wie eine dunkle Wolke über unserer Gesellschaft ausgebreitet und viele Köpfe und Herzen ergriffen hat.»
Die spirituelle Seite des Bürgerrechtlers und Meditationslehrers zeigt sich auch in einer sympathischen Besonderheit des Buches: Darin verteilt sind an manchen Ecken kleine Schutzgeister der Kathedrale von Chartres abgebildet. Man stösst zudem regelmässig auf ganzseitige Abbildungen von Friedensengeln und anderen religiösen Gestalten, die daran erinnern, um was es gehen sollte, und die wie Oasen der Ruhe und der Besonnenheit auf diesem kriegerischen Pfad wirken.
Eine Leseprobe finden Sie hier.
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Thomas Mayer: «Wahrheitssuche im Ukraine-Krieg – Um was es wirklich geht», Oktober 2023, kartoniert, 600 Seiten, durchgehend farbig bebildert, Print-ISBN 978-3-89060-863-1, E-Book-ISBN 978-3-89060-483-1
Das Buch gibt es überall im Buchhandel.
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Thomas Mayer ist Bürgerrechtler, Meditationslehrer und Autor. Der Vater von zwei Söhnen wurde 1965 in Kempten/Allgäu geboren. 1988 gründete er Mehr Demokratie e.V. mit und war 20 Jahre lang mit dem bundesweiten Aufbau der Bewegung für Direkte Demokratie beschäftigt. 1997 begann er auch mit der Konzeption und der Vorbereitung von Regiogeldern. Ab 2002 wirkte er beim Start des Chiemgauers und des bundesweiten Regiogeld e.V. mit. Von 2013 bis 2018 leitete er die Kampagne der Schweizer Vollgeld-Initiative. Seit 2004 gibt Mayer zusammen mit Agnes Hardorp Kurse und Schulungen in Anthroposophischer Meditation. Ausserdem veröffentlichte er zwölf Bücher.
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