Ein großes Manko des heutigen Widerstandes wird kaum je erwähnt: seine fehlende Rückbindung an geistige Vorfahren.
Wir haben unsere Grössen der Gegenwart, auf die wir uns stützen und gerne berufen; fähige Männer und Frauen, die sich bereits zu normalen Zeiten auf ihrem Gebiet bewährt haben; Menschen, die selbtlos, klar und frühzeitig ihre Stimme gegen das aufkommende C-Regime und seine fatalen Spielarten erhoben haben.
Wir lesen ihre Nachrichten, lauschen ihren Videos, «posten» und «re-re-re-posten», was das Zeug hält, und wenn’s hoch kommt, reicht es für ein «Selfie» mit ihnen an dieser und jener Demo oder Veranstaltung.
Aber an Breite nimmt der Widerstand kaum zu; stattdessen viel hilfloser Pathos in Aufrufen wie «Wir müssen endlich aufstehen!» oder «Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen» oder «Diese Regierung muss davongejagt werden!» – Aha.
«Wenn doch endlich die Masse, die Breite, die Schafe, die ....!» Das Schimpfen jedoch sei «der Stuhlgang der Seele», zitiert der zeitgenössische Schweizer Chronist Konrad Warner den damaligen deutschen Minister Goebbels. Ist es mal draussen, ist einem schon leichter. Aber eigentlich getan hat sich gar nichts.
Es ist ja nicht so, dass ich diese Ohnmachtsgefühle nicht kennen würde. Tausende vermeintlicher Kollegen, von denen keine Handvoll je auf die Strasse ginge, Zurückweisungen im bislang engsten Umfeld, weil man «viel zu extrem» sein, Dutzende Meldungen für den täglichen Polit-Grusel auf fast allen abonnierten Kanälen, .... und kaum ein Anzeichen dafür, dass «weiter oben» etwas ankäme.
Da versteh ich schon, wenn vielfältig geschimpft, appelliert und delegiert wird. Die einen treten damit auf der Stelle, die anderen reiben sich auf in einem «Wir wollen das doch schaffen oder wenigstens dranbleiben».
Dritte ziehen sich zurück: aus Selbsterhaltung und Selbstvergewisserung; zu erschöpft, um einfach weitermachen zu können, und zu überlegt, um einfach nur weitermachen zu wollen. Sie müssen tanken. Irgendwie, von irgendwo her. Von spirituellen Kräften ist dann die Rede, vom Erden in den Elementen, von Feldern und Schwingungen, die zu aktivieren oder mit den neu zu entdeckenden eigenen Antennen wahrzunehmen seien.
Ich bin dafür, die Sache vom Kopf auf die Füsse zu stellen. Denn dort, zu unseren Füssen, liegt vielleicht der Nährboden, den wir brauchen: Menschen aus anderen Zeiten, auch anderen Kulturen, die uns voran- und vorausgegangen sind im Leiden und Erkennen. Hin und wieder habe ich in anderen Worten zum Sonntag bereits auf sie hingewiesen (hier, hier, hier, hier, hier oder hier). Sie haben Fußspuren hinterlassen, die uns zu Fußstapfen werden können.
Zitate aus dem Widerstand im Dritten Reich tauchen hin und wieder auf, dann mal Mahatma Ghandi, Rudolf Steiner, Paracelsus, alte Gnostiker und da und dort ein Philosoph. Führen wir sie an, um eigene Gedanken und Vorhaben damit zu legitimieren? Natürlich tut es gut, sich im andern wiederzufinden. Doch solche kleinen Entdeckungen und Aha-Erlebnisse unterwegs – in diesem Buch, bei jenem Vortrag – können nur der Anfang sein. Der Weg selber ist breiter, und er führt tiefer und weiter.
Der gute Weg führt in die Inspiration. Eine blosse Anregung kitzelt die Seele; eine Inspiration setzt sie frei. Eine Anregung unterstützt die eigenen Gedanken und Meinungen; über eine Inspiration weiss ich mich selber aufgenommen. Eine Anregung ist ein Schluck Wasser; eine Inspiration kann ein tragender Strom werden.
Was mir selber in den letzten Tagen diese Überlegungen gleichsam wieder freigekitzelt hat, ist das Buch des japanischen Theologen Kosuke Koyama: «The Three Miles an Hour God», frei übersetzt: Der Gott für Fußgänger, Der Gott auf unserm eigenen Weg, erschienen 1979.
«Dieses schmale Büchlein ist eine Sammlung biblischer Erwägungen von jemandem, der die Quelle sucht, an der die Verletzungen heilen können, die eiternden Wunden, geschlagen von destruktiven Mächten des Götzendienstes», bekennt er im Vorwort. Aufgewachsen im Japan des ungeschminkten Kaiserkults und der ernüchternden Nachkriegszeit, «fing ich an, die mysteriöse Beziehung zwischen Zerstörung und Götzendienst wahrzunehmen».
Jede Ideologie, schreibt er in seinem Büchlein, die den Menschen in den Dienst einer «höheren» Sache stellt, ist zerstörerischer Götzendienst, zu allen Zeiten. Und der «Gott für Fußgänger» sei nicht ferne, zu jeder Zeit. Seinen Abdrücken in Wort und Geschichte spürt Koyama nach. Ihn dabei zu begleiten, weitet mir Herz und Horizont.
Immanuel heisst dieser Grosse Begleiter in der Bibel, «Gott mit uns». Ein halbes Jahrtausend vor seiner Geburt wurde er verheißen:
«Darum wird euch der Herr selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel.» Jesaja 7, Vers 14
Kosuke Koyama hatte Ihm nachgespürt. Gemeinsam haben sie Fußstapfen hinterlassen in Geschichte und Wort, haben Spuren aufgezeigt, denen nachzugehen sich lohnt. Weil sie Hoffnung und Glauben stiften.
Es gibt viele Vorbilder und Vorfahren. Tragfähig sind mir jene, die sich selber getragen wussten von dem Gott, der sich ihnen bewährt, bewahrheitet hat.
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Wort zum Sonntag vom 10. Dezember 2023: Advents-Charaktere. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.
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