«Equal Pay Day» ist der internationale Aktionstag für Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern. Wie Wikipedia erklärt, kennzeichnet er üblicherweise in den verschiedenen Ländern rechnerisch den Tag, «bis zu dem oder ab dem Frauen unentgeltlich arbeiten würden, wenn sie ab oder bis zu dem Tag (gesamtgesellschaftlich) die gleiche Lohnsumme wie die Männer bekämen». Am Mittwoch, dem 6. März, war nun «Equal Pay Day» in Deutschland.
Mit dem Tag will man also an den riesigen Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern erinnern. Laut dem Spiegel-Online-Kolumnisten Nikolaus Blome existiert dieser riesige Gehaltsunterschied jedoch nicht. Den Equal Pay Day hält er für «feministische Propaganda», wie er einen Beitrag im Spiegel titelt. Keine neuen Gesetze, sondern bessere Tarifverträge seien für mehr Gerechtigkeit nötig.
Blome ist zwar nicht dafür bekannt, die Regierungspolitik kritisch zu hinterfragen. Beispielsweise meinte er während der «Coronazeit», die Bürger seien «Geiseln der Ungeimpften». In diesem Fall führt er aber berechtigte Argumente an.
Pünktlich zum «Equal Pay Day» hat das Statistische Bundesamt Destatis einen Bericht veröffentlicht, laut dem der «Gender Gap Arbeitsmarkt» 2023 unverändert bei 39 Prozent liegt. Gemäss Destatis betrachtet der Gender Gap Arbeitsmarkt neben der Verdienstlücke pro Stunde (Gender Pay Gap) auch die Unterschiede in der bezahlten monatlichen Arbeitszeit (Gender Hours Gap) und in der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern (Gender Employment Gap). Was diese 39 Prozent nun genau aussagen sollen, ist wohl nur Statistikern bekannt, denn es werden Äpfel und Birnen in denselben Korb geworfen.
Weiter behauptet Destatis, Frauen würden in Deutschland derzeit durchschnittlich 18 Prozent weniger in der Stunde verdienen als Männer. «Diese Art, das Problem zu betrachten, ist grober Unfug, aber sie wirkt», meint Blome dazu. Die 18 Prozent stellen den Unterschied zwischen dem männlichen Bruttostundenlohn von im Schnitt 25,30 Euro und dem der Frauen von 20,84 Euro dar. Der Journalist kommentiert:
«Das Statistische Bundesamt nennt diesen Gender-Pay-Gap ‹unbereinigt›, weil bei der Berechnung wirklich alles, was nicht niet- und nagelfest ist, in einen Topf geworfen und verquirlt wurde: Teilzeit- und Vollzeittätigkeiten, hoch bezahlte und weniger gut bezahlte Berufe, industrielle oder soziale Branchen, Hilfsarbeiter/innen und Topmanager/innen. In den jeweiligen Kategorien verteilen sich Männer und Frauen unterschiedlich, und das macht, man ahnt es, etwas mit dem Geschlechter-Durchschnittswert: Weil sie häufiger in Teilzeit als in der Chefetage arbeiten, und das häufiger in sozialen als in technisch-industriellen Berufen, liegen die Frauen mit ihrem rechnerischen Durchschnittsstundenlohn niedriger als die Männer.»
Blome räumt ein, dass man es für ein grosses gesellschaftliches Unrecht halten könne, dass Frauen und Männer mehrheitlich immer noch unterschiedliche Berufe wählen oder ungleiche Lebensentwürfe haben. «Aber mit Gehaltsgerechtigkeit, also mit gleichem Lohn für gleiche Arbeit, hat das wenig zu tun», macht er jedoch klar. Destatis selbst merkt an:
«Ausgehend vom unbereinigten Gender Pay Gap lassen sich knapp zwei Drittel der Verdienstlücke durch die für die Analyse zur Verfügung stehenden Merkmale erklären. Demnach ist ein Grossteil der Verdienstlücke darauf zurückzuführen, dass Frauen häufiger als Männer in Branchen, Berufen und Anforderungsniveaus arbeiten, in denen schlechter bezahlt wird. Auch die häufigere Teilzeit geht mit geringeren durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten einher. Das verbliebene Drittel des Verdienstunterschieds kann nicht durch die im Schätzmodell verfügbaren Merkmale erklärt werden. Dieser unerklärte Teil entspricht dem bereinigten Gender Pay Gap von 6 Prozent.»
Der Journalist weist darauf hin, dass selbst das zuständige Ministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend diese 6 Prozent nicht leugnet. Und er erachtet auch diese Zahl als «vermutlich noch zu hoch»: In die Destatis-Berechnungen sei die öffentliche Verwaltung nicht mit einbezogen. Dort sei aber der Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern «deutlich geringer als in der Privatwirtschaft».
Zum «Gender Pay Gap» gibt es weitere Kritikpunkte. So argumentiert beispielsweise der kanadische Psychologie-Professor Jordan Peterson, dass die Analyse nicht tief genug gehe. Eine multivariate Analyse der Gehaltslücke zeige, dass sie nicht existiert. Peterson führt unter anderem biologische und psychologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen an, die neben unterschiedlichen Karrierewahlen und Präferenzen auch zu verschiedenen Verhandlungsstilen führen können, die wiederum zu Unterschieden bei den Einkommen zwischen den Geschlechtern beitragen können.
Der Psychologe nennt zum Beispiel die «Verträglichkeit» («agreeableness») der Frauen als Grund dafür, dass diese weniger verdienen. Und dass sich Männer eher als Frauen für Jobs bewerben, für die sie nicht ganz qualifiziert sind, und Frauen eher für Jobs, für die sie überqualifiziert sind.
Peterson weist auch darauf hin, dass Männer im Durchschnitt risikofreudiger sind, was zu besser bezahlten, aber auch gefährlicheren oder dem Wettbewerb mehr ausgesetzten Berufen führen kann. Zudem seien sie eher bereit, Überstunden zu machen und ihr Leben der Arbeit zu widmen. Das alles könne ebenfalls zum beobachteten Gehaltsunterschied beitragen.
Kommentar Transition News:
Was die Unterschiede in der bezahlten monatlichen Arbeitszeit und in der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern betrifft, so sind diese auch darauf zurückzuführen, dass Frauen mehr unentgeltliche Tätigkeiten ausüben. Die Lösung kann jedoch nicht sein, die Frauen noch mehr von diesen wichtigen Tätigkeiten zu entfernen. Nötig wäre stattdessen, dass zum Beispiel das Muttersein wieder vermehrte gesellschaftliche Akzeptanz findet, und dass Kinder die Familien nicht in finanzielle Nöte stürzen, sodass beide Elternteile mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können.
Doch dagegen wehrt sich die neoliberale Doktrin, die einen überfüllten Arbeitsmarkt bevorzugt, um die Löhne zu drücken. Und wenn man solche Argumente anführt, kann es geschehen, dass man medial schnell in der rechten Ecke landet, wie es die ehemalige ARD-Tagesschau-Moderatorin Eva Hermann erleben musste.
Unser Wirtschaftssystem führt auch dazu, dass die eher schlecht bezahlten Berufe, in die so viele Frauen drängen, so niedrige Gehälter haben, obgleich sie gesellschaftlich viel relevanter sind als die topbezahlten «Männerjobs». Wie zum Beispiel eine Kindergärtnerin im Gegensatz zu einem Hedge-Fonds-Manager.
Und man fragt sich ausserdem, ob der «Equal Pay Day» zum Beispiel auch für männliche Models gilt, die für dieselbe Arbeit durchschnittlich etwa 75 Prozent weniger verdienen als ihre Kolleginnen. Diese Art von Gehaltsunterschied betrifft nicht nur Models. So berichtete etwa das ZDF, dass sogar Frauen in Topetagen deutscher Unternehmen mehr verdienen als Männer.
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