65 Pharmaunternehmen bezahlten letztes Jahr insgesamt 221 Millionen Franken an Ärzte, Krankenhäuser, Fachgesellschaften, Patientenorganisationen und andere Institutionen der Gesundheitsbranche. 2021 waren es 196 Millionen Franken. Dies geht aus einer Auswertung durch das Ringier Axel Springer Research Network hervor.
Seit 2015, als der Pharma-Kooperations-Kodex eingeführt wurde, wonach Pharmaunternehmen diese Zahlen offenlegen müssen, bezahlten diese Firmen insgesamt 1,4 Milliarden Franken.
Wie der zu Ringier gehörende Blick berichtete, ist derzeit Novartis am spendabelsten, mit 31 Millionen Franken im Jahre 2022, gefolgt von Roche mit 21,9 Millionen und Pfizer mit 20 Millionen.
Laut dem Blick bezahlen die Pharmafirmen den Ärzten beispielsweise Kongressgebühren, Übernachtungsspesen und Beratungshonorare. Sie würden auch Fortbildungsveranstaltungen von Ärztenetzwerken, Spitälern und Qualitätszirkeln sponsern. Ausserdem würden Pharmafirmen Krankenhäuser für klinische Forschungsprojekte bezahlen.
Auf www.pharmagelder.ch lässt sich abfragen, ob beispielsweise der eigene Hausarzt Gelder von der Pharmaindustrie erhält. Dies taten 2022 knapp 3700 Einzelpersonen. Gemäss der Auswertung wurden 2022 rund 7,5 Millionen Franken direkt an Ärztinnen und Ärzte überwiesen. Das ist eine Million mehr als im Vorjahr.
Am meisten hat dem Blick zufolge ein am Genfersee wohnhafter Osteoporose-Spezialist von diesen Zuschüssen profitiert. Ausbezahlt worden seien sie von einem einzigen Unternehmen, der zum internationalen Votaris-Konzern gehörende Mylan Pharma GmbH aus Steinhausen im Kanton Zug. Mylan sei unter anderem mit Medikamenten im Bereich Osteoporose aktiv.
Positiv ist, dass sich die Zahl der bezuschussten Ärzte seit 2015 reduziert hat, von 4131 auf 3698. Nachdem sie in den Vorjahren gesunken war, stieg sie im Jahr 2022 allerdings drastisch an, denn 2021 waren es nur 3289 Begünstigte. Der Betrag, den Ärzte erhielten, erhöhte sich in diesen Jahren ebenfalls um rund eine Million Franken und betrug 2022 7,5 Millionen Franken.
Krankenhäuser, Ärztenetzwerke, Patientenorganisationen, Fachgesellschaften und weitere Institutionen des Gesundheitswesens kamen indes in den Genuss von insgesamt 124 Millionen Franken, im Gegensatz zu 106 Millionen im Vorjahr, was eine Steigerung von satten 17% bedeutet.
Den Krankenhäusern flossen weitere 89,7 Millionen Franken für klinische Forschungsprojekte zu. Im Vorjahr waren es 82,4 Millionen. Der Blick stellt fest, dass nicht bekannt sei, welches Krankenhaus profitiere. Begründet werde diese Intransparenz mit dem Forschungsgeheimnis. Die Zeitung präzisierte:
«Das heisst: Über den grössten Teil der Gelder, die zu Krankenhäusern fliessen, herrscht nach wie vor Stillschweigen.»
Aus der Datenauswertung geht auch hervor, dass mehr als 40 Ärztenetzwerke letztes Jahr Sponsorengelder erhalten haben. Am meisten kassierte die Pizolcare AG, nämlich 69’000 Franken. Seit 2015 summieren sich diese Einnahmen auf 642’000 Franken. Zusätzlich zu den Beiträgen, die über den eigenen Förderverein abgerechnet wurden, kommt man dem Beobachter zufolge auf fast 700’000 Franken.
Die Zeitung erklärt, dass das Heilmittelrecht solche Zahlungen explizit erlaubt. Sie müssten lediglich vertraglich geregelt werden und dürften für die Ärzte keinen «ungebührenden Vorteil» darstellen. Der Beobachter weiter:
«Tatsächlich ist die Pizolcare ein Musterbeispiel dafür, wie sich die Pharmaindustrie den direkten Zugang zur Ärzteschaft erkauft. Zum Beispiel bezahlte der Generikahersteller Mepha 19’500 Franken und unterstützte so ein Ärztesymposium, die Qualitätszirkel des Netzwerks, ein Patientenschulungsprogramm und eine Weiterbildung für Medizinische Praxisassistentinnen. Als Gegenleistung durften mehrere Aussendienstmitarbeitende der Pharmafirma an den Veranstaltungen präsent sein, konnten Plakate aufhängen, Unterlagen verteilen und das Logo platzieren.»
Von Novartis erhielt Pizolcare laut dem Beobachter «Dienstleistungs- und Beratungshonorare». Der Begriff werde allerdings grosszügig interpretiert:
«Der Konzern durfte den Ärztinnen und Ärzten des Netzwerks für 3000 Franken über den Newsletter ‹wissenschaftliche Produkteinformationen› senden und sein Logo platzieren. Gemäss Pizolcare-Präsident Keller durfte Novartis zudem mit eigenem Personal an den Hauptversammlungen des Ärztenetzwerks und des Fördervereins teilnehmen. Hier sei es zu ‹Grundsatzdiskussionen über das Gesundheitswesen› aus Managed-Care-Sicht gekommen, also ‹Informationen von der Basis zur möglichen Zukunft des Gesundheitswesens›.»
Die Zeitung führt jedoch auch ein gegenteiliges Beispiel an: den Verein Medix Schweiz. Mit 800 Ärztinnen und Ärzten und zehn eigenen Gesellschaften sei er das grösste Netzwerk der Schweiz. Dessen Präsident Felix Huber findet Pharmasponsoring «stossend» und machte klar:
«Wir nehmen keine Gelder an und wollen unabhängig sein. Ich will nicht in der Schuld der Pharmaindustrie stehen. (...) Wir brauchen dieses Geld nicht, wir können uns anders finanzieren.»
Keine Kontrolle
Brisant: Laut dem Beobachter gibt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zu, die von der Pharmaindustrie seit acht Jahren veröffentlichten Daten bisher nie selbst analysiert zu haben.
Die Zeitung geht am Ende des Beitrags näher auf den rechtlichen «Graubereich» von Sponsorengeldern ein. «Geldwerte Vorteile» seien zwar grundsätzlich untersagt, doch das Gesetz ermögliche Zahlungen unter bestimmten Voraussetzungen. Diese seien gegeben, wenn die Gelder nicht an Bedingungen und Auflagen geknüpft seien, um das ärztliche Verschreibungsverhalten zu beeinflussen. Zudem müssten Gegenleistungen der Begünstigten in einem «angemessenen Verhältnis» stehen.
Der Beobachter weist auf zwei neue Artikel im Heilmittelgesetz hin, die 2020 in Kraft getreten sind. Diese sollten die Integrität und Transparenz stärken. Es sei jedoch unklar, wie das BAG die neue Gesetzgebung kontrolliere. Bis heute habe die Behörde kein einziges Verwaltungsstrafverfahren eröffnet.
Es sei auch unklar, ob das BAG überhaupt über ein Prüfprogramm verfüge und zumindest stichprobenartig Verträge zwischen Ärzten, Ärztenetzwerken, Krankenhäusern und der Pharmaindustrie untersuche. Wegen der Pandemie seien gemäss BAG «gewisse Aufgaben etwas zurückgestellt» worden, man habe jedoch «Vollzugsstrukturen» aufgebaut. Ivo Meli, beim Konsumentenschutz für Gesundheitsthemen verantwortlich, erklärte:
«Eine wirksame gesetzliche Regelung bedingt auch eine Kontrolle.»
Kommentare