Die Erholung grosser Volkswirtschaften wie der Eurozone und der USA könne eher schleppend ausfallen, so lautet das Fazit des Global Wealth Report der Allianz. In dem Bericht des Versicherungskonzerns kommen die Autoren zu dem Schluss, dass sich durch die «neue geopolitische und wirtschaftliche Lage» weitere Marktschwankungen ergeben und «normale Jahre eher die Ausnahme» darstellen.
«Die Analyse der nationalen Vermögensverteilung ist desillusionierend», so die Allianz. Denn die Verteilung habe sich in vielen grossen Schwellenländern – darunter Brasilien, Mexiko und Russland, aber auch Indien und China – weiter verschlechtert. Meist sei dies auf einen enormen Vermögenszuwachs bei den Reichen zurückzuführen.
Noch besorgniserregender seien jedoch die Zahlen für die entwickelten Volkswirtschaften. «Hohe Ungleichheit gilt seit Jahren als eine der grossen gesellschaftlichen Herausforderungen – doch es wurde nichts dagegen unternommen», erklärt der Versicherungskonzern und kritisiert, dass Geld- und Fiskalpolitik im vergangenen Jahrzehnt «nahezu uneingeschränkt agieren konnten». Die nächsten Jahre würden deutlich schwierigere Bedingungen bieten, um eine Wende in der Vermögensverteilung einzuleiten.
Zwar sei seit 2002 die Mittelschicht weltweit um 58 Prozent (auf 780 Millionen) gewachsen und die Oberschicht sogar um 63 Prozent (auf 650 Millionen). Eine genauere Betrachtung zeige jedoch, dass dies am «unglaublichen Aufschwung Chinas» liege.
Und der Allianz-Bericht führt ein weiteres Beispiel für die wachsende Ungleichheit an: Brauchte es im Jahr 2002 für die Zugehörigkeit zu den reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung ein Netto-Geldvermögen von mindestens 53’000 Euro, so seien im Jahr 2022 mindestens 150’000 Euro nötig.
Inflation frisst Vermögen
2022 sei das weltweite Geldvermögen privater Haushalte um 2,7 Prozent geschrumpft, gemäss dem Global Wealth Report stellt das den stärksten Rückgang seit der Weltfinanzkrise im Jahr 2008 dar.
Zu Veränderungen kam es auch in der Zusammensetzung des globalen Geldvermögens: So habe sich Chinas Anteil in den letzten beiden Jahrzehnten versechsfacht. Andererseits zeigten sich zwei große Verlierer: Japan und Westeuropa. Verfügten zu Beginn des Jahrtausends diese beiden Regionen noch über fast 43 Prozent des weltweiten Wohlstands, so hielten sie heute nur noch ein Viertel. Nordamerika dagegen habe seinen Anteil konstant bei 47,7 Prozent gehalten.
Die amerikanische Vormachtstellung spiegelt sich laut der Untersuchung auch im Pro-Kopf-Geldvermögen wider, zumindest wenn man die Durchschnittswerte betrachtet. Tatsächlich sind nur noch die Schweizer (356’310 Euro) reicher als die Amerikaner (307’940 Euro) – Österreich (90’170 Euro), Deutschland (89’360 Euro). Bereinigt um die Verbindlichkeiten überholen die USA jedoch die Schweiz (253’450 Euro gegenüber 238’780 Euro).
Zwar habe sich weltweit das durchschnittliche Geldvermögen pro Person in den letzten zwei Jahrzehnten fast vervierfacht. Kaufkraftbereinigt beträgt die Quote jedoch nur plus 69 Prozent. In Westeuropa verdreifachten sich die Vermögenswerte; inflationsbereinigt betrage der Anstieg in zwei Jahrzehnten insgesamt 40 Prozent. Für Nordamerika ergebe sich für denselben Zeitraum ein Plus von 74 Prozent.
Und nur ein Land scheint sich gemäss den jüngsten Zahlen dem Trend zu widersetzen – China:
«Inflationsbereinigt zeigen die Zahlen für das Reich der Mitte in nur 20 Jahren eine Steigerung der Kaufkraft des durchschnittlichen Pro-Kopf Geldvermögens um mehr als das Zehnfache. Das ist eine beispiellose Leistung. Kein anderes Land und keine andere Region kann da mithalten.»
Das weltweite Geldvermögen privater Haushalte habe Ende 2022 nominal rund 19 Prozent höher gelegen als 2019, inflationsbereinigt ergebe dies aber nur 6,6 Prozent. Demnach sind fast zwei Drittel des nominalen Vermögenswachstums Preissteigerungen zum Opfer gefallen.
Die Untersuchung der Allianz zeigt für Westeuropa, dass das Realvermögen im Vergleich zum Jahr 2019 um 2,6 Prozent gesunken ist. In absoluten Zahlen beträgt der Vermögensverlust 1,1 Billionen Euro, was einem Rückgang der privaten Ersparnisse um durchschnittlich 2930 Euro pro Person entspricht. Die Autoren des Berichts kommen zu dem Schluss:
«Überschüssige Ersparnisse existieren in Westeuropa nur noch auf dem Papier.»
Im jährlichen Allianz Global Wealth Report werden eigenen Angaben zufolge Geldvermögen und Verschuldung privater Haushalte in rund 60 Ländern untersucht.
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