«Wir kamen, wir sahen, er starb», sagte Hillary Clinton schadenfroh und lachte herzhaft. Sie meinte damit den brutalen Mord am Staatsoberhaupt von Libyen, Muammar al-Gaddafi, im Jahr 2011. Bis zur Präsidentschaft hat es die ehemalige US-Aussenministerin nicht geschafft. Ihren Einfluss lässt sie dennoch weiterhin spielen.
Am 2. September zum Beispiel veröffentlichte la Repubblica ein Interview mit ihr, in dem sie Italien unter anderem auf das «westliche Bündnis» einschwört und den russischen Präsidenten Wladimir Putin einen «Rabauken» und «Killer» nennt, der in der Ukraine unsere Freiheiten angreift. Sie folgt damit US-Präsident Joe Biden, der Putin ebenfalls als einen Killer bezeichnet hatte.
Hillary Clinton sitze in einem Innenhof in Venedig und spreche aus dem Stegreif, ohne Notizen vor sich zu haben, lobt sie Maurizio Molinari von la Repubblica. Sie trage «die Handschrift der ehemaligen First Lady und Aussenministerin: klare Konzepte, ehrgeizige Visionen und die feste Überzeugung, dass ‹die Demokratie sich durchsetzen muss›». Man dürfe dem Populismus nicht nachgeben und müsse die Einmischung ausländischer Mächte verhindern, so Clinton. Ob das für westliche Mächte denn nicht gelte, fragt Molinari nach.
Er ignoriert hingegen Clintons Rolle, wenn es darum geht, «Autokratien und Despoten herauszufordern, von Moskau bis Kabul und Teheran». Je mehr Autokratien entstehen würden, desto mehr würden die Rechte der Frauen beschnitten, entgegnet die ehemalige Aussenministerin. Sie hält sich derzeit in Venedig auf, um das Engagement von Vital Voices für Frauenrechte zu untertützen. Überraschenderweise setzt sie an dieser Stelle die USA mit den Taliban in Afghanistan gleich, weil der amerikanische Oberste Gerichtshof kürzlich eine fünfzig Jahre alte Grundsatzentscheidung zur Abtreibung aufgehoben hatte.
Unerwähnt lässt sie dabei, dass dieses Gesetz eine Abtreibung bis zur 24. Woche erlaubt. Zum Vergleich: In der Schweiz und in Deutschland ist sie nach ärztlicher Beratung grundsätzlich bis zur 12. Woche erlaubt.
Während des Kalten Krieges habe sich der Westen mit den Helsinki-Vereinbarungen von 1975 auf die Menschenrechte konzentriert, um die UdSSR zu schwächen, konstatiert Molinari, und fragt weiter, ob heute die Frauenrechte eine ähnliche Funktion beim Kampf gegen Autokratien haben könnten. Clinton bejaht das, bezieht aber noch die Rechte von LGBTQ-Personen, von weiteren Minderheiten und die Glaubensfreiheit ein.
Clinton kritisiert dann die Taliban. Sie würden den Frauen das Recht auf Bildung und auf Arbeit verweigern. Sowie darauf, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, ohne vollständig von einer Burka bedeckt zu sein. Das breche ihr das Herz. Was Clinton vergisst: Es waren die USA, die den islamistischen Fundamentalismus in Afghanistan an die Macht gebracht und die Mujaheddin mit Waffen ausgestattet haben, damit sie gegen eine sowjetfreundliche Regierung kämpfen und Russland zu einer Invasion provozieren konnten.
Den Krieg in der Ukraine hält Clinton für:
«… das Ergebnis einer unprovozierten Aggression von Wladimir Putin in seinem ständigen Bestreben, das russische Imperium wiederherzustellen, da er sich als Nachfolger von Peter dem Grossen sieht. Putin entmenschlicht das ukrainische Volk, verweigert ihm Freiheit und Demokratie und will es nur annektieren, unterjochen. Dieser Plan muss abgelehnt werden. Deshalb bin ich stolz auf die Entscheidung, die Europa und die USA gemeinsam über die NATO getroffen haben, die Ukraine mit Waffen und auch über die schweren Opfer der beibehaltenen Sanktionen gegen Russland zu unterstützen.»
Molinari spricht Clinton auf kritische Stimmen an, die in vielen Ländern zu den Sanktionen gegen Russland laut werden, darunter auch in Italien. Clinton gesteht zumindest ein, «dass es für viele europäische Länder viel schwieriger ist als für die USA, sich an Sanktionen zu halten», zum Beispiel, was die Energie betreffe. Doch sie fügt an:
«Deshalb ist es umso wichtiger, geeint zu bleiben, wenn Freiheit und Demokratie angegriffen werden. Und deshalb müssen wir die Ukraine weiterhin unterstützen und die Sanktionen durchsetzen. Bis die Russen gestoppt sind.»
Auf die Frage, was Clinton von Putin hält, den sie mehrmals getroffen hat, antwortet sie:
«Er ist ein Rabauke. Er wird alles tun, einen zu dominieren, wenn man ihn lässt. Er ist brutal, er ist ein Killer. Er ist von dem narzisstischen Wunsch getrieben, alles um sich herum zu kontrollieren; innerhalb Russlands und auch ausserhalb, wenn er es kann.»
Molinari wendet ein, dass Clinton dennoch versucht habe, mit Putin zusammenzuarbeiten. Diese entgegnet:
«Natürlich, in mehreren Punkten. Und in einigen Fällen waren wir erfolgreich. Aber er ist 2008 in Georgien und 2014 auf der Krim einmarschiert und hat mit Gift, Attentätern und anderen Mitteln alle ermordet, die nicht mit ihm übereingestimmt haben. Wir haben also gelernt, dass er gebremst werden muss. Wie während des Kalten Krieges: Die UdSSR waren aggressiv, und wir haben sie in Schach gehalten. Wenn wir es mit einem Rabauken zu tun haben, der unsere Freiheiten angreift und der versucht, sich in unsere Wahlen einzumischen und in unsere Nachbarländer einzudringen. Davon können wir ihn nicht abhalten, aber wir müssen ihn bremsen, und nur ein starkes Einvernehmen zwischen den Verbündeten kann dies wirklich effektiv machen.»
Hier lässt Clinton einiges aus; zum Beispiel, dass eine von der EU eingesetzte Untersuchungskommission unter Leitung der Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini zum Schluss kam: dass das georgische Militär den Krieg mit Russland anfing, dass es in der Krim – als Reaktion auf den westlichen «Maidan»-Putsch – eine Abstimmung und daraufhin die Sezession von der Ukraine und die Angliederung an Russland gab und russische Truppen schon vor 2014 auf der Krim stationiert waren, weil Russland in Sewastopol einen Flottenstützpunkt betreibt und der Ukraine dafür bis 2014 eine jährliche Pacht bezahlte.
Auf den Populismus angesprochen, erklärt Clinton in gewohnter Doppelmoral, dieser versuche immer:
«… die Ängste der Menschen auszunutzen, indem er ihnen jemanden gibt, den sie hassen und dem sie die Schuld für bestehende Probleme geben können – seien es nun Einwanderer oder die Wirtschaft. ‹Nicht ihr seid schuld, sondern andere›, sagen die Populisten. Diese Taktik ist so alt wie die Menschheit. Selbst im alten Rom gab es solche Leute. Heute ist diese Methode noch wirksamer, weil die Zukunft sehr unsicher geworden ist. Je mehr Verwirrung herrscht, desto einfacher ist es für Demagogen, zu sagen: ‹Folgt mir und alles wird gut›.»
Der Populismus berge jedoch eine grosse Gefahr, nämlich den Angriff auf die Freiheiten, so Clinton weiter. Er wolle, dass man ihm zustimmt, und nicht, dass man frei denkt. Er dulde keine abweichenden Meinungen. Clinton erläutert:
«Deshalb artet der Populismus auf der rechten Seite oft in Faschismus und auf der linken Seite in Totalitarismus aus. Deswegen ist es wichtig, dass die Bürger unserer Demokratien sich nicht von Demagogen täuschen lassen. Obwohl ich zugeben muss, dass man leicht der Versuchung erliegt, zu sagen, eine Führungskraft sei ‹stark›, und man solle ihr folgen, ohne weiter nachzudenken.»
Zu den bevorstehenden Wahlen in Italien meinte Clinton zum einen, sie möchte sich dazu nicht äussern; es sei an den Italienern, zu entscheiden, wen sie wählen wollen. Doch sie ergänzt:
«Italien ist seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein wesentlicher Bestandteil des westlichen Bündnisses. Die italienische Kultur und Wirtschaft haben der Welt so viel gegeben. Und auch die starke Unterstützung Italiens für die Ukraine seit Beginn des Krieges war sehr wichtig. Wen auch immer die Italiener bei den nächsten Wahlen an die Spitze ihres Landes wählen – wichtig ist, dass sich keine ausländische Macht in die Wahl einmischt, wie das ja bereits geschehen ist, und dass derjenige, der an der Spitze des Landes steht, Freiheit und Demokratie zu schätzen weiss.»
Hinsichtlich der US-Zwischenwahlen im November meint Clinton, dass diese von drei Themen beherrscht werden:
«das Recht auf Abtreibung, die Verteidigung der Demokratie als Reaktion auf die Erstürmung des Kapitols durch Trump-Anhänger und das Bewusstsein für Bidens Verdienste bei der erfolgreichen Umsetzung der Wachstumspolitik.»
Clinton schliesst mit einem Lob an Italien. Das Land habe sie bei unzähligen Besuchen tief beeindruckt, sie «respektiere und bewundere die Unverwüstlichkeit und Kreativität» seiner Menschen. Italien sei für sie «die Freude am Leben und an der Kultur».
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Über die US-Einflussnahme auf die italienische Politik und Kultur seit dem Zweiten Weltkrieg lesen Sie den Transition News-Newsletter: Rambo versauert «La Dolce Vita».
Das Buch «Queen of Chaos: The Misadventures of Hillary Clinton» von Diana Johnstone offenbart die Hypokrisie der ehemaligen US-Aussenministerin.
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